Gewalt gegen queere Personen bleibt hoch: Queerfeindliche Gewalt steigt
Der 3. Queer Monitor bringt neue Rekordzahlen. Muslime seien nicht öfter Täter als andere. Das Problem sind Männer.
Das Monitoring ist ein mehrdimensionales Berichterstattungsverfahren, das neben polizeilichen Statistiken auch wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Daten, also Angaben von queeen Vereinen und Initiativen, heranzieht. Zu den häufigsten Formen queerfeindlicher Gewalt zählen mit 45,4 Prozent Beleidigungen; Körperverletzungen sind mit 11,6 Prozent auf dem zweiten Platz. Davon gesondert wurde die gefährliche Körperverletzung mit 9,4 Prozent gezählt. Etwa die Hälfte dieser Fälle findet im öffentlichen Raum statt, gefolgt vom öffentlichen Nahverkehr und dem digitalen Raum.
Mehrfach betonten die Senatorin und Wissenschaftler:innen, dass keine spezifische ethnische Personengruppe oder soziale Schicht als besonders queerfeindlich einzuschätzen ist. „Die Zahlen und Fakten geben nicht her, dass arabische oder muslimische Menschen queerfeindlicher sind als andere Gruppen“ so Lüter. Welche Gruppe allerdings besonders stark als Täter zu verzeichnen ist, seien Männer. Als Grund dafür sehen die Expert:innen ein bestimmtes Männlichkeitsbild, welches immer noch bei Männern den Impuls auslöse, Gruppen, von denen sie sich in ihrer Männlichkeit bedroht sehen, gezielt anzugreifen.
Mehr Sichtbarkeit führt zu mehr Gewalt
Beobachten lasse sich, so Lüter zur taz, „dass immer wenn queere Personen sichtbar werden, mehr Gewalt verübt wird“. Mit 65,1 Prozent findet die Mehrzahl der Taten in nur neun Berliner Ortsteilen statt, in denen die meisten queeren Personen leben. Der Monat mit dem meisten Übergriffen ist der Juli. Das kann zum einen an den CSDs liegen, aber auch an einem anderen Ausgehverhalten im Sommer.
Der thematische Schwerpunkt dieses Monitors lag auf Bi+ Feindlichkeit. Hier berichten Betroffene am häufigsten von einer Unsichtbarmachung oder Verleugnung der Tatsache, dass sie mehr als ein Geschlecht begehren. Neben Vorwürfen und Zuschreibungen als Verräter haben viele BI+ Menschen auch mit Projektionen und Verkennungen zu tun. Vor allem weibliche BI+ Personen sehen sich oft mit Projektionen der Promiskuität und der Hypersexualität konfrontiert. Dies führe dann bei den Betroffenen zu Selbstzweifeln an der eigenen Orientierung.
Zum Schluss hob die Senatorin die Wichtigkeit der neuen Kampagne „Dir bleiben nur 48 Stunden“ hervor. Ziel sei es Menschen, die im Nahverkehr Gewalt erleben, darauf aufmerksam zu machen, dass sie Vorfälle schnell melden müssen. Denn nach 48 Stunden wird das Videomaterial von Überwachungskameras automatisch gelöscht – dann entfalle die Möglichkeit, es auszuwerten und Täter:innen zu ermitteln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“