Gewalt gegen Polizisten: Dein Freund und Opfer
Polizisten werden immer häufiger Opfer von Angriffen, oft ist Alkohol im Spiel. Betroffen sind vor allem Beamte auf Streife. Die Union verlangt härtere Strafen für Täter.
BERLIN taz | Gewalt gegen Polizisten hat laut einer Studie in den vergangenen fünf Jahren zugenommen. Dabei würden die Täter immer jünger, und immer öfter seien sie bei ihren Angriffen betrunken, sagte der Kriminologe Christian Pfeiffer bei der Vorstellung am Mittwoch. Gewalt durch Polizisten spielte in der von zehn Länderinnenministern in Auftrag gegebenen Studie keine Rolle.
82 Prozent der befragten Polizisten gaben an, im vergangenen Jahr im Dienst beleidigt oder bedroht worden zu sein, rund 27 Prozent wurden geschlagen oder getreten. Jeder 50. Polizist wurde mit einer Schusswaffe bedroht.
Er könne es verstehen, wenn Polizisten sich mitunter als "Prügelknaben der Nation" verstünden, sagte Pfeiffer, der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ist.
Von Gewalt betroffen seien vor allem Beamte im Streifendienst, so Pfeiffer. Er schilderte den besonders drastischen Fall eines Polizisten in Berlin, dem bei dem Versuch, einen Streit in einem Hinterhof zu schlichten, unvermutet mit einem Baseballschläger ins Gesicht geschlagen worden sei. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen, habe ihm bei einem anderen Einsatz ein Betrunkener ins Gesicht getreten.
An der Untersuchung hatten sich rund 22.500 Polizistinnen und Polizisten aus zehn Bundesländern beteiligt. Im Vorfeld war es zu Streit gekommen, weil einige Fragen auf das Privatleben und die Kindheit der Polizisten abzielten. Daraufhin änderte Kriminologe Pfeiffer den Fragebogen. Sechs Länder und die Bundespolizei nahmen dennoch nicht teil.
Laut der Studie werden Polizisten häufig Ziel von Angriffen, wenn sie bei Ruhestörungen oder Rüpeleien im öffentlichen Raum eingreifen oder wenn sie wegen Familienstreitigkeiten und häuslicher Gewalt gerufen werden. Das Gute sei, dass die Polizei immer häufiger eingeschaltet werde, wenn Männer ihre Frauen schlügen, sagte Pfeiffer.
"Das Schlechte ist, dass sie dadurch selber zum Ziel von Gewalt wird." Eine geringere Rolle spielt, anders als die Medienberichterstattung vermuten lässt, Gewalt bei Demonstrationen und Fußballspielen. Zumindest werden hier die Polizisten meist nicht so schwer verletzt, wohl auch wegen der Schutzkleidung.
Insgesamt ist jeder achte der befragten Beamten zwischen 2005 und 2009 nach einem Gewaltangriff mindestens einen Tag lang dienstunfähig gewesen. Während die Zahl aller Übergriffe anstieg, ist die der besonders schweren Fälle mit mehr als zwei Monaten Dienstunfähigkeit nach einem Anstieg bis 2007 wieder zurückgegangen. Auch hier vermuten die Autoren eine bessere Ausstattung und Ausbildung als Gründe.
Die Veröffentlichung ist geschickt terminiert. Das Thema steht auch auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz, die am Donnerstag beginnt. Vor allem die CDU-Innenminister fordern schärfere Strafen bei Gewalt gegen Polizisten.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) verlangte am Mittwoch, die Höchststrafe für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte von zwei auf vier Jahre anzuheben: "Die höhere Strafe wäre ein wichtiges Signal."
In der schwarz-gelben Bundesregierung wird seit Wochen über einen besseren Schutz von Polizisten gestritten. Als Ziel war dies bereits im Koalitionsvertrag verankert worden.
Doch während die Union eine Strafverschärfung oder gar einen eigenen Straftatbestand "Körperverletzung gegen Polizeibeamte" fordert, lehnt das FDP-geführte Bundesjustizministerium ein "Sonderstrafrecht zum Schutz von Polizisten" ab. Auch heute schon drohe bei schwerer Körperverletzung eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung