Gewalt beim Zug der Liebe: „Wir sind eben nicht die Loveparade“

Festnahmen, verletzte Polizisten, sexuelle Übergriffe: Veranstalter Jens Schwan reagiert gelassen auf die Polizeibilanz des diesjährigen Zugs der Liebe.

Teilnehmer beim Zug der Liebe 2018 Foto: dpa

taz: Herr Schwan, die Bilanz des diesjährigen Zugs der Liebe lautet: 48 Strafanzeigen, sexuelle Übergriffe, eine Messerattacke, Angriffe auf Rettungs- und Einsatzkräfte. 11 vorläufig festgenommene Personen. Was war los?

Jens Schwan: Wir wissen von der Polizei, dass wir im Gegensatz zum Karneval der Kulturen oder dem CSD sehr niedrige Zahlen von Vorkommnissen haben. Soweit ich mich erinnern kann, hatten wir auf dem ersten Zug der Liebe 2015 18 Vorfälle. Auf anderen Großveranstaltungen sind es über 100. Aber 48 Verfahren, das ist definitiv eine Steigerung. Ich kann mir das nur so erklären, dass wir nach unseren Schätzungen dieses Jahr 50.000 Demonstrierende hatten, doppelt so viele wie im Vorjahr. Trotzdem waren nur 400 Polizisten im Einsatz. Egal wie friedlich wir sind, aber selbst bei 25.000 Demonstrierenden finde ich 400 knapp bemessen. Gerade auch in Bezug auf das Thema Terrorbedrohung auf Großveranstaltungen.

46, ist Gründer und Mitorganisator des Zugs der Liebe.

Was hätten Sie besser machen müssen?

Wir übererfüllen die Auflagen der Polizei jedes Jahr bei Weitem und haben auch ein extra Awareness-Team. Offiziell brauchen wir pro Wagen mindestens sechs Ordner, wir haben zwanzig. Die sind aber vor allem dazu da, Wasser zu verteilen oder darauf zu achten, dass niemand unter die Räder gerät. Ich fände mehr mobile Polizeitruppen sinnvoll, ebenso Kontaktbeamte, die jeweils für einen Wagen verantwortlich sind. Dann müssten die Wagenverantwortlichen nicht immer erst mit der Demoleitung korrespondieren, bevor sie etwas tun können.

Die Polizei spricht von unter Drogen- und Alkoholeinfluss stehenden Tätern.

Für unsere Ordner ist Alkohol während ihrer Tätigkeit allgemein tabu. Wir hatten auch Vereine dabei, die sich um Jugendliche kümmern, gerade auch um abgestürzte. Wir sind eben nicht die Loveparade. Die Leute sollen Spaß haben, tanzen, aber sie müssen sich nicht unbedingt abschießen. Gerade Mischkonsum an einem Sommertag kickt dich weg.

Der Zug der Liebe zog am Samstag zum vierten Mal durch Berlin. Die Veranstalter wollen mit dem Umzug für mehr Toleranz und Nächstenliebe werben.

Strafverfahren Laut Polizei wurden im Zusammenhang mit dem diesjährigen Umzug 48 Strafverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Körperverletzung. Es gab sexuelle Übergriffe und Attacken auf Rettungs- und Einsatzkräfte. Drei Polizist*innen wurden verletzt, elf Personen vorläufig festgenommen.

Messer-Attacke Am Abend wurde ein 25-Jähriger mit einem Messer am Oberschenkel verletzt. Zuvor waren Polizisten mit Flaschen und Häuser mit Pyrotechnik beworfen worden.

Abschied Der erste Zug der Liebe zog 2015 durch Berlin. Vor der diesjährigen Parade hatten die Veranstalter angekündigt, dass sie die letzte sein würde. Gründe sind der hohe Organisationsaufwand und Finanzierungsschwierigkeiten der politischen Demonstration. (taz)

Also keine Aufforderung zum Straight Edge, dem kompletten Verzicht auf Alkohol und andere Drogen?

Straight Edge war ich kurz in den 90ern. Jedes Extrem ist und bleibt ein Extrem. Wir können ja erst mal nur eingreifen, wenn etwas passiert, und schnell Sanitäter holen oder selbst mit frischem Wasser helfen. Grundsätzlich finde ich, jeder kann machen, was er will. Man sollte aber auf dem Schirm haben, dass man auch acht Kilometer laufen muss. Aber gerade die jungen Kids überschätzen sich maßlos.

Was sagen Sie zu den Angriffen auf Rettungs- und Einsatzkräfte?

Das ist beschämend. Ich kann solche Leute nur als Asis bezeichnen. Ich verstehe nicht, wie man auf einer Demo die Leute angehen kann, die einem helfen und für Ordnung sorgen. Die Polizei ist auf unseren Demonstrationen immer hilfsbereit und cool.

Sie wurde auch mit Flaschen beworfen.

Soweit ich weiß, sind die Flaschenwürfe während der Abschiedskundgebung passiert. Und genau aus dieser Gruppe gab es dann wohl auch die Messerattacke. Das war um 22.30 Uhr, da war die Demo bereits vorbei. Laut meinem Kollegen waren das aber keine Demonstra­tionsteilnehmer, sondern Außenstehende.

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