Gewalt an Rohingya in Myanmar: Eingeständnis des Militärs
Zum ersten Mal seit dem Ausbruch des Konflikts in Myanmar gibt das birmesische Militär öffentlich Menschenrechtsverletzungen zu.
Das Neue
In einer Stellungnahme, die am Mittwochabend auf der Facebook-Seite des Oberkommandierenden Min Aung Hlaing veröffentlicht wurde, heißt es zum Fund des Grabs von zehn Rohingya: „Die festgenommenen Personen sollten eigentlich zur Polizeistation gebracht werden. Die Polizisten allerdings waren zum diesem Zeitpunkt mit einer Sicherheitsoperation beschäftigt. Deshalb wurde entschieden, sie stattdessen am Friedhof hinzurichten.“
Der Kontext
Seit Ende August sind mehr als 650.000 muslimische Rohingya ins benachbarte Bangladesch geflohen. Aufständische der in Myanmar verpönten staatenlosen Minderheit hatten zuvor birmesische Grenzschutzposten angegriffen. Das Militär reagierte darauf mit einer Sicherheitsoperation, im Zuge derer einer Studie von Ärzte ohne Grenzen zufolge mindestens 6.700 Rohingya getötet worden sein sollen. Die UNO spricht von ethnischer Säuberung und schließt einen Völkermord nicht aus.
Beobachter halten die Enthüllung für ein Manöver des Militärs, das das Narrativ zu dem Massengrab selbst schreiben will. Ebenfalls am Mittwoch wurde Anklage wegen Geheimnisverrats gegen zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters erhoben, die den Hinrichtungen offenbar auf der Spur waren.
Auch nach dem offiziellen Ende der Militärdiktatur müssen vor allem Birmas Minderheiten weiter unter Menschenrechtsverletzungen leiden. In den meisten Fällen haben die Täter dabei nichts zu befürchten.
Die Reaktionen
Mit seinem Vorgehen hat das Militär bei Beobachtern Erstaunen und Skepsis ausgelöst. „Das grausige Eingeständnis stellt eine deutliche Abkehr von der systematischen Leugnung von Verfehlungen durch das Militär dar“, sagte James Gomez, Regionaldirektor für Südostasien und die Pazifikregion. Allerdings handele es sich erst einmal nur um die Spitze des Eisbergs.
Die Vertretung der EU in Myanmar betonte am Donnerstag, wie dringend notwendig eine gründliche und glaubwürdige Aufklärung der Gewalt im Norden des Teilstaats Rakhine sei. Es müsse außerdem sichergestellt werden, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. „Die Immunität von Tätern solcher schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen muss ein Ende haben“, heißt es in einer Stellungnahme.
Die Konsequenz
Inwieweit die birmesische Sicherheitskräfte jemals für die Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden, bleibt abzuwarten. Bislang kam das Militär in internen Untersuchungen zu den Vorfällen in Rakhine zu dem Schluss, dass es keine Menschenrechtsverletzungen gegeben habe.
Mitgliedern einer Untersuchungskommission der UNO wird die Einreise verweigert. Journalisten werden nicht in die Krisenzone vorgelassen. Die Regierung von Aung San Suu Kyi, die sich der Versöhnung mit dem Militär verschrieben hat, bezeichnete die Vorwürfe der internationalen Gemeinschaft als „Fake News“. Verena Hölzl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“