: Getrübter Regierungsbeginn für Hessens Koch
■ Kurz vor der Antrittsrede von Ministerpräsident Roland Koch wurde eine Strafanzeige gegen Hessens Innenminister bekannt. Rechtsanwalt wirft Volker Bouffier Parteiverrat vor
Frankfurt/Main (taz) – Kaum im Amte, hat der neue hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) auch schon seinen ersten Skandal zu verzeichnen. Ein Gießener Rechtsanwalt zeigte Bouffier wegen Parteiverrats an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, und die Frankfurter Rechtsanwaltskammer wird sich ebenfalls mit dem Fall befassen.
Hintergrund der Anzeige ist eine Ehescheidung. Bouffier nahm zu den Vorwürfen selbst Stellung. Er habe in dem Fall die Vertretung der Ehefrau übernommen. Da er und seine Frau aber mit beiden zerstrittenen Partnern bekannt gewesen seien, habe er dem Ehemann, juristisch also der anderen Streitpartei, im Sommer 1997 bei einem zufälligen Treffen und unentgeltlich aus einer Standardtabelle die eventuell auf ihn zukommenden Unterhaltskosten errechnet. Für diese private Gefälligkeit habe er aber kein Honorar genommen. Außerdem, teilte Bouffier mit, habe er einmal auf Wunsch beider Partner und als Freund der Familie als Zeuge bei einer Geldübergabe fungiert und erst später das Mandat der Ehefrau übernommen. Dieses habe er dann schon nach den ersten Vorwürfen gegen ihn im Februar dieses Jahres vorsorglich niedergelegt.
Die Anzeige gegen Boffier kam der neuen CDU/FDP-Landesregierung höchst ungelegen. Gestern Vormittag gab der neue Ministerpräsident Roland Koch (CDU) seinen offiziellen Einstand im Hessischen Landtag. Er wählte in seiner Regierungserklärung vor allem moderate Töne und sprach viel von Dialog, Konsens und Partnerschaft. Schwerpunkt war die Bildungspolitik. Hessen solle ein „Bildungsland erster Klasse“ werden, erklärte Koch. Dazu müsse auch der Hauptschulabschluß aufgewertet werden. Schuldig blieb er, so die Kritiker auf den Oppositionsbänken, vor allem Konzepte zur Finanzierung seines Wahlversprechens. Unklar sei etwa, wie er seine „Unterrichtsgarantie“, mehr Lehrer einzustellen, erfüllen wolle.
Vielmehr sei Koch hinter seine Wahlkampfparolen zurückgefallen. Unter dem Titel „Chancen mutig schaffen – Chancen entschlossen nutzen“ malte Koch indes die Vision eines Hessens als Land von „High-Tech und Äppelwoi“ an die Landtagswand – eine Anlehnung an das Motto des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) von „Laptop und Lederhose“. Koch versprach Steuersenkungen, beim Wahlkampfthema Flughafenausbau hielt sich der Ministerpräsident dagegen an die Vorgaben der früheren rot-grünen Landesregierung. Das Mediationsverfahren werde wie geplant bis zum Jahr 2000 weitergehen. Heide Platen
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