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Gespräche auf der Apollo-11-MissionStimmen aus dem All

Was bewegte die Astronauten auf ihrer historischen Mission? Neue Gesprächstranskripte zeigen: Kaugummis, Urinbeutel und Miss Universe.

Edwin Aldrin vorm Ausstieg: „Lieber sichergehen, dass ich die Luke beim Rausgehen nicht zuschließe“ Foto: dpa

Acht Tage dauerte die erste Mission zum Mond im Jahr 1969. Damals betrat zum ersten Mal ein Mensch einen anderen Himmelskörper. 50 Jahre später rufen sich die, die alles damals gespannt im Fernsehen verfolgten, das Ereignis wieder in Erinnerung. Manche Nachgeborenen erleben die Mondlandung nun vielleicht zum ersten Mal. Worüber sprachen eigentlich die drei Astronauten Armstrong, Aldrin und Collins an Bord der Columbia?

Vor Kurzem erst wurden die Transkripte der Gespräche in der Kapsel und im Funkverkehr von der Nasa freigegeben. Fest steht, die Stimmung war gut – und die Gespräche alles andere als weltbewegend. Auf hunderten von Seiten dokumentiert die Nasa Trivia. Eine Auswahl:

16. Juli: Abflug in Houston

Es ist 13.32 Uhr, als das Raumschiff abhebt. Eine Stunde später kämpft das Team mit auspacken und einrichten. Michael Collins: „Es kotzt mich an. Die Hasselblad ist weg. Guckt alle nach einer schwebenden Hasselblad!“ Die Kamera ist der Star im Equipment und bleibt noch einige Zeit verschwunden. Halb so schlimm, findet Neil Armstrong. „Für den Sonnenaufgang ist es eh zu spät.“ In den nächsten Tagen fotografieren sie, was vor die Linse kommt – oder versuchen es. Mal ist das Fenster zu klein, mal die Kamera falsch rum. Von Selfie-Kultur sind die Astronauten noch 40 Jahre entfernt.

17. Juli: Unterwegs

Während Buzz Aldrin und Michael Collins über Farben philosophieren – das All schimmert rosig, der Ozean zeigt graue Flecken – sorgt sich Houston um die Wassertemperatur. „Habt ihr heißes Wasser?“ Aldrin: „Ja, es scheint ganz vernünftig zu sein“ Collins: „Wir haben heute drei Tassen Kaffee gemacht. Die letzte war die wärmste. Neil, hattest du die? Wie war dein Kaffee?“

18. Juli: im Kristallschleier

Lange Gespräche über Abwasser. Ihr Urin pumpen die Astronauten über wasserdichte Beutel ins Weltall, wo es zu Kristallen gefriert. Collins: „Die arme Mondfähre ist völlig verdreckt, sie ist ganz mit Urin-Partikeln bedeckt.“ Aldrin: „Kein Urin-Abpumpen vor der Mondlandung mehr. Lasst alles in einem kleinen netten Beutel.“

19. Juli: Neues von Miss Universe

Nach 76 Stunden tritt die Columbia in den Mondorbit ein. Einen ganzen Tag werden die Astronauten um den Mond kreisen, bevor die Mondfähre ihr Mutterschiff verlässt. Aus Houston erfährt die Crew, dass die Kirchen der Welt für sie beten. Ein Kollege aus der Apollo-8-Mission will für sie aus der Bibel lesen. Und Gloria Diaz ist die neue Miss Universe. Begeistert spricht der „Capsule Communicator“ in Houston über die Miss von den Phillippinen: „Sie hat 60 andere Mädchen besiegt für den globalen Schönheitstitel. Miss Diaz ist 18, sie hat schwarze Haare und Augen und misst 34-1/2, 23, 34-1/2. Die weiteren Plätze belegten Miss Australien, Miss Israel und Miss Japan.“

Noch einmal Schlafen, dann ist Mondlandung. Aber wer schläft wo? Es ist wie auf Klassenfahrt. Aldrin: „Warum schlaft ihr Jungs nicht unten heute Nacht? Ich schlafe auf dem Top-Deck.“ Armstrong: „Oh, du schläfst doch unten, oder?“ Aldrin: „Ach ja, richtig. Ich erinnere mich…“ Collins: „Wenn du nicht lieber oben schlafen willst Buzz, dann gehe ich gerne – ihr solltet einen guten Schlaf bekommen, bevor ihr in die verdammte Fähre steigt.“

20. Juli: „Der Adler ist gelandet“

Der historische Tag beginnt mit Kaugummis. In der Umlaufbahn des Mondes bereiten die drei die Landung vor: Collins: „Neil, das ganze Essen und Zeug hier, nimmst du das mit?“ Armstrong: „Nein, ich nehme…“Collins: „Oder vielleicht Kaugummi, willst du das?“

Als einziger wird Collins im Mutterschiff zurückbleiben. Nur zwölf Minuten dauert das Landemanöver zum Mond. Dann stehen Armstrong und Aldrin im Mare Tranquilitatis. Während die Fähre im „Meer der Ruhe“ aufsetzt, bricht auf der Erde ein Sturm los. Armstrong: „Houston- Tranquility Base hier. Der Adler ist gelandet.“ Houston: „Ihr habt ein paar Leute fast blau anlaufen lassen. Wir atmen wieder. Vielen Dank!“

Doch bis zum großem Schritt für die Menschheit werden noch über sechs Stunden vergehen. „Die Oberfläche ist fein und pudrig“, sagt Armstrong, nachdem er den Mond betreten hat. Alles sei leichter als in der Simulation: Das Laufen macht keine Probleme, die Mondfähre hat keinen Krater hinterlassen. Als nächstes tritt Aldrin hinaus: „Lieber sichergehen, dass ich die Luke beim Rausgehen nicht zuschließe.“ Armstrong: „Guter Gedanke!“

Zusammen genießen sie die Aussicht. Bloß nicht direkt in die Sonne gucken. „Wunderbare Trostlosigkeit“, findet Aldrin. Eine halbe Stunde später ruft Präsident Nixon an: „Das muss der stolzeste Tag in unserem Leben sein.“

21. Juli: Der Rückflug beginnt

Zurück auf der Columbia feiert das Team seine Schätze. 20 Pfund Gestein haben sie dem Mond abgerungen. Collins: „Zum Glück habt ihr von allem etwas bekommen. Das ist fantastisch. Es wird die Geologen für Jahre zum Jubeln bringen.“ Tatsächlich ist der Chefwissenschaftler Eugene Shoemaker später von der Mission enttäuscht. Der ausgebildeter Geologe hatte selbst zum Mond fliegen wollen, doch ein Hormonmangel machte seine Pläne zunichte. So gibt es an Bord keinen Geologen.

22. Juli: Updates von der Erde

Neues Update aus Houston: Noch immer bestimmt die Mondlandung die Nachrichten rund um den Globus. Nur China, Nordkorea, Nordvietnam und Albanien haben die Sensation noch nicht vermeldet. Am Suezkanal spitzt sich der Konflikt zwischen Israel und Ägypten weiter zu. Und in New York wird Baseballstar Joe DiMaggio zum besten noch lebenden Spieler ernannt.

23. Juli: Spaghetti und Fleischbällchen

Die letzten Stunden an Bord. Armstrong an Houston: „Wir haben hier oben einen kleinen Flugplan für Apollo 12 gemacht. Wir versuchen zu berechnen, wie viele Spaghetti und Fleischbällchen wir für Al Bean an Bord holen können.“ Houston: „Ich weiß nicht, ob das Raumschiff so viel Extra-Gewicht tragen kann.“

Noch einmal tritt die Crew vor die Kamera, um sich beim Team am Boden, aber auch bei der gesamten Nation zu bedanken. In Tennessee benennen Mr. and Mrs. McGhee ihre neugeborene Tochter „Module“ – nach der Mondfähre.

24. Juli: Landung im Pazifik

Mit der Landung erfüllt sich auch der letzte Teil einer Prophezeiung. Schon 1870 hatte Jules Verne seinen Roman geschrieben: „Reise um den Mond“. Nach einer Odyssee zum Erdtrabanten landen seine Helden im Pazifik. Genau wie Armstrong, Aldrin und Collins. Nach 195 Stunden, 18 Minuten und 35 Sekunden an Bord der Columbia endet ihre Reise im pazifischen Ozean.

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1 Kommentar

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  • Ach ja. Ich habe das damals (als Kind) live erlebt und habe erst viel später gemerkt, wie sehr mich das geprägt hat. Bis heute kann ich nicht den Mond sehen, ohne daran zu denken, dass Menschen es geschafft haben, dorthin zu fliegen. Man kann die Fussabdrücke (und die Elektroautos...) dort durchaus als das großartigste transzendente Kunstwerk der Menschheit betrachten. Es war verdammt schwer und verdammt teuer, aber es ist ein Beweis dafür, dass man selbst sehr schwierige Dinge schaffen kann, wenn man an einem Strang zieht und es ernsthaft versucht.

    Genauso wie das CO2-Problem durchaus lösbar wäre, wenn man es zusammen ernsthaft angehen würde und die Belohnung wäre dann die, dass man es zusammen geschafft hat. Zusammen arbeiten verbindet, sich streiten trennt. Zusammen etwas Schwieriges schaffen macht glücklich, sich über Kleinkram streiten macht unglücklich.

    Oder wie Engels Hegel sinnig verstanden hat: „Hegel war der erste, der das Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit richtig darstellte. Für ihn ist die Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit. ‚Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht begriffen wird.‘ Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebnen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen.“

    So wie in mancher Hinsicht das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Rationalität war, wird das 21. vielleicht eher das Jahrhundert der Irrationalität. Ob das besser sein wird, wage ich arg zu bezweifeln. Die geträumte Unabhängigkeit gegen nüchtern benutzte und bewußt eingegangene Abhängigkeiten wird immer verlieren, aber bis dahin fühlt sie sich sicher ganz toll an, wie jeder Traum.