Gespaltenes Südafrika: "Wir trinken und erschießen uns"
Besonders für den armen Teil Südafrikas ist Zuma ein Hoffnungsträger. Nirgends zeigt sich das besser als in einem Heim für Zulu-Wanderarbeiter in einem Township Johannesburgs.
JOHANNESBURG taz Beißender Uringeruch und der Gestank nach fauligem Abfall hängen in der Luft. Dreck hat sich im Innenhof des Männerheims im Township Alexandra in Johannesburg angesammelt; drückende Hitze liegt über dem verkommenen Gebäude. Das fünfstöckige Madala Hostel erinnert an ein Gefängnis. Wäschefetzen hängen aus kaputten, winzigen Fenstern. Zwischen spielenden Kindern und Autowracks fressen Ziegen Müll. Die meisten Bewohner der 560 überbelegten, kargen Räume im Madala Hostel sind Zulus - wie der neue ANC-Chef Jacob Zuma; sie sind arbeitslos, kamen einst als Wanderarbeiter hierher und leben in einem Teufelskreis aus Alkohol und Gewalt. Jetzt hoffen sie. "Zuma kann es schaffen", sagt Delani Majola, ein junger Zulu, der seit fünf Jahren hier lebt.
Delani Majola riecht nach Alkohol. Einen Job hat der gelernte Tischler nicht. Zuma kommt aus seinem Heimatdorf Nkandla, sagt er stolz. "Er wird für mehr Arbeit sorgen. Und die Ausländer rausschmeißen." Was der bisherige ANC-Präsident und Staatschef Thabo Mbeki falsch gemacht hat, kann er nicht genau sagen. "Er ist nicht schlecht, aber wir wollen einen Wechsel." So denkt die Mehrheit im Hostel. "Zuma for president!", grölt jemand betrunken herüber.
Das Wohnheim war für Migranten aus den ländlichen Gebieten, hauptsächlich Minenarbeiter, von der weißen Apartheidregierung gebaut worden. Vor dem Einzug der Demokratie in Südafrika 1994 war es Schauplatz blutiger Gewalt zwischen den Anhängern des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und Zulukämpfern der Inkatha-Freiheitsbewegung unter Chief Mangosuthu Buthelezi. 15 Jahre später liefern sich die desillusionierten Bewohner des Hostels immer noch Kämpfe, aber ohne politischen Hintergrund. "Das ist unser Problem: Wir trinken und erschießen uns", sagt Delani bitter. Erst neulich starben Menschen nach Auseinandersetzungen um ein Fußballspiel.
In einem der rohen Betonstockwerke führt Delani in einen kahlen Raum mit ein paar Gaskochstellen: die Küche. Hier gibt es Wasser. Man kann es in Kanister füllen. Es gibt auch einen Raum mit Duschen und Toiletten, alle kaputt. "Viele Leute verhalten sich immer noch wie zu Hause auf dem Land, wo sie keine Toiletten haben und einfach irgendwohin gehen", sagt Mbongeni Dlamini. Er trägt das grellgelbe T-Shirt mit Abzeichen des Top-Fußballclubs Kaizer Chiefs. "Manche haben auch alles abmontiert und verkauft." Das Hostel, da sind sich alle einig, ist unkontrollierbar geworden. Die Miete soll eigentlich 27 Rand (knapp drei Euro) pro Monat betragen, aber niemand zahlt. Die Polizei kommt regelmäßig vorbei und sammelt die Waffen ein, die sie gerade findet. Die Hauptstraße des Townships Alexandra ist bekannt für Auto-Kidnapping. "Die Täter kommen oft aus dem Hostel", sagt Delani.
Auf den dunklen Gängen des Hostels gibt es mehrere Shebeens, Kneipen mit Kühltruhen voller Getränke und ein paar Bierkästen zum Sitzen. Ein paar Jungs tanzen zu Radiomusik und winken mit Bierflaschen. Mbulelo Mhlongo macht hier seine Geschäfte, verdient etwa hundert Euro im Monat. Damit muss seine dreiköpfige Familie auskommen, die in KwaZulu-Natal wohnt, dem Bundesstaat der Zulus. Auch er zählt auf Zuma. Warum? "Wir wollen besser leben."
Die Armen in Südafrika wollen von Zumas vielen Affären nichts wissen. Nichts kann ihren Glauben an den Mann erschüttern, der ohne Schulbildung als Guerillakommandant Karriere machte und sich jetzt bei seinen endlosen Wahlkampagnen singend als "einfacher Mann von Nkandla" verkauft hat.
Wenige Autominuten vom Township liegt ein anderes, reiches Südafrika, und hier ist die Meinung über Zuma ganz anders. "Ha, der wird gar nichts machen, der packt sich nur Geld in die Taschen", sagt Tumi Mgenge hinter dem Tresen des Designerladens im exklusiven Einkaufszentrum Hyde Park. Über Zuma diskutiert sie ständig beim Abendessen oder auf Partys: "Wenn der Präsident von Südafrika wird, verlasse ich das Land." Das ist gängige Meinung bei der neuen, schwarzen Mittelklasse, behauptet sie. "Aber auch bei meinen weißen Bekannten. Was sollen wir mit einem Staatsoberhaupt, das Aids mit Duschen wegbekommen will?", regt sich die junge Südafrikanerin über die Äußerungen Zumas während seines Gerichtsprozesses wegen Vergewaltigung auf. "Wir wollen einen Präsidenten, der Verantwortung übernimmt. Zuma hat nichts davon gezeigt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!