piwik no script img

Gesetzgebung zu FreihandelTTIP endlich im EU-Parlament

In Straßburg beginnt die Debatte über das Abkommen zwischen EU und USA. Zahlreiche Kritiker machen Druck gegen die privaten Schiedsgerichte.

Anti-G7-Demonstranten in München protestieren gegen TTIP Foto: dpa

Berlin taz | Vor der am Dienstag beginnenden Debatte im Europäischen Parlament über TTIP haben 483 Organisationen aus ganz Europa die Abgeordneten in einem offenen Brief aufgefordert, gegen die Resolution zu dem Freihandelsabkommen zu stimmen. Das Parlament soll am Dienstag über eine Stellungnahme zu dem geplanten Handelsabkommen zwischen EU und USA debattieren und am Mittwoch darüber abstimmen.

Von den 483 Organisationen kommen 122 aus Deutschland, darunter Attac, Naturschutzverbände wie der BUND und entwicklungspolitische Initiativen. Sie wenden sich gegen das von der EU und den USA seit 2013 verhandelte Freihandelsabkommen, mit dem der größte Wirtschaftsraum der Welt entstehen soll. Industrie und viele PolitikerInnen versprechen sich davon Zugang zu neuen Märkten und Wachsum. KritikerInnen fürchten die Herabsetzung von Umwelt- und Sozialstandards und mehr Einfluss großer Konzerne, vor allem durch Klagen vor privaten Schiedsgerichten (ISDS).

Ursprünglich sollte das Europaparlament schon im Juni über TTIP abstimmen. Weil den BefürworterInnen aber eine Niederlage drohte, verschob Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) die Abstimmung. Die Stellungnahme der Abgeordneten ist wichtig, weil sie nach dem Ende der Verhandlungen das Abkommen bestätigen müssen. Das könnte an kritischen Punkten wie ISDS scheitern. Nachdem SozialdemokratInnen und Konservative sich auf Schulz’ Initiative auf eine Formulierung zu den Schiedsgerichten geeinigt haben, ist TTIP jetzt auf der Tagesordnung.

Schulz’ Vorschlag sieht vor, die privaten Schiedsgerichte zu ersetzen, allerdings ohne zu sagen, wodurch. Auch unter SozialdemokratInnen ist die Änderung umstritten. Bei einer Fraktionssitzung der SozialdemokratInnen hatten 56 Abgeordnete dafür und 36 dagegen gestimmt, fast 100 Abgeordnete fehlten. Grüne, Linke und extrem Rechte werden wahrscheinlich gegen den Schulz-Vorschlag stimmen.

Maximalforderung kaum erfüllt

Auch das Bündnis „Stopp TTIP“ hält nichts von dem vermeintlichen Kompromiss. „Das ist keine Ablehnung von ISDS“, sagt Cornelia Reetz, Sprecherin des Bündnisses. Denn Investoren würden das Recht behalten, Staaten auf Schadenersatz in Milliardenhöhe zu verklagen. „Wir wollen dafür sorgen, dass die Abgeordneten realisieren, dass der Schulz-Vorschlag keine Abschaffung von ISDS bedeutet.“

Reetz und ihre MitstreiterInnen ziehen am Dienstag mit einem riesigen aufblasbaren Stift vor das Straßburger Parlament. Der Stift symbolisiert die 2,3 Millionen Unterschriften, die das Bündnis bislang gesammelt hat.

Den KritikerInnen ist klar, dass ihre Maximalforderung – die Ablehnung der Resolution – kaum erfüllt wird. Deshalb fordern sie als Minimallösung die klare Ablehnung der Schiedsgerichte. Dazu liegt dem Parlament ein Änderungsantrag vor. „Es besteht die Chance, dass der Antrag eine Mehrheit bekommt“, sagt Ernst-Christoph Stolper vom BUND. Dazu müssten aber genug Sozialdemokraten zustimmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Auch im Europäischen Parlament (EP) wird heftig um das TTIP-Freihandelsabkommen mit den USA diskutiert

    Das stimmt unsere Parlamentarier sind sehr damit beschaeftigt und lassen sich leider allzugerne "umstimmen". Nach Abschluss des Vertrages werden viele EU-Verhaendler/Politiker ihre Lustreisen in die USA machen.

    Die groesste Lobbygruppe in Bruessel (USA) brauchte Zeit um soviel Parlamentarier "umzustimmen" das ein anderes Ergebnis bei der naechsten Abstimmung rauskaeme

    Der TTIP-Ausschuss hat eine Liste v Tagungen ueberreicht.Von 130 waren 119 mit grossen Konzernen oder ihre Lobbies

    Ein von fünf Konzernen, der in Sachen TTIP Lobbyarbeit betreibt, steht nicht im Transparenzregister der EU. Quelle: Corporate Europe Observatory.

    TTIP ist ein Paradies fuer Unternehmenslobbyisten. Unternehmenslobby dominiert weiter TTIP-Verhandlungen. Die Informationen über Wirtschaftslobbyisten stammen direkt von der EU-Kommission

  • Es wird immer deutlicher, dass die TTIP-Gegner den Befürwortern ins offene Messer laufen. Deren Rezept: Öffentliche Kritik auf den Teilaspekt "Investorenschutz/Schiedsgerichte" fokussieren, diesen mit fadenscheinigen Alternativen (z.B. "internationaler Handelsgerichtshof") entschärfen und dann locker zu verkünden: "Alles ok!"

     

    Was dabei untergeht: Die Beseitigung sog. "nichttarifärer Handelshemmnisse" (gemeint sind Verbraucher- und Umweltschutzstandards), die Einbeziehung der Lobby-Organisationen in die Gesetzgebungsarbeit ("regulatorische Kooperation") und die Frage, welchen realen Nutzen das Abkommen überhaupt haben soll.

     

    Aber den Boden der Rationalität hat dieses Vorhaben schon längst verlassen.

  • Alleine die Art und Weise wie diese Verhandlungen liefen, lassen nichts Gutes erahnen.

     

    Ich lehne es vehement ab. Punkt Ende Aus.

     

    Wir haben bereits alle Freiheiten die wir benötigen. Im Gegenteil - diese Vertarg wird uns Freiheit nehmen.