Gesetzesverstöße aufgedeckt: Der Mindestlohn gilt – meistens
Die staatlichen Behörden und nachgeordneten Firmen nehmen das Mindestlohngesetz nicht immer ernst – und versuchen Verstöße zu verschleiern.
Immer wieder wird in Bremen gegen den seit dem 1. Juli 2012 geltenden Mindestlohn verstoßen. Das geht aus einem Bericht der einschlägigen „Sonderkommission“ hervor, der heute im Senat debattiert wird. Gezahlt werden sollen 8,50 Euro die Stunde – und zwar in allen staatlichen und unter staatlichem Einfluss stehenden Firmen. Doch bei 127 geprüften Aufträgen wurden in 20 Fällen deutliche Hinweise auf Verstöße der öffentlichen Auftraggeber gegen das Mindestlohngesetz festgestellt – das sind immerhin 16 Prozent. In einem Fall wurde die für Schwarzarbeit zuständige Zollbehörde informiert.
Womöglich hatte die rot-grüne Regierung von vornherein die Befürchtung, dass ihr Beschluss nicht so einfach umgesetzt werden würde. Zumindest setzte sie eine Sonderkommission (SoKo) ein, die überprüfen soll, ob der Mindestlohn auch wirklich gezahlt wird. Ihr müssen öffentliche Auftraggeber die vergebenen Aufträge melden – 3.980 waren es 2012. Fast täglich gehen Meldungen von der Bremer Straßenbahn AG und Immobilien Bremen ein, auch die Wirtschaftsfördergesellschaft WFB meldet viele Aufträge. „Dieser erfreulichen Entwicklung“, heißt es in dem Bericht der SoKo, „stehen jedoch auch einige öffentliche Auftraggeber gegenüber, die bisher noch keine Meldung ihrer vergebenen Aufträge abgeben.“ Darunter sind die Gewoba und die Performa Nord, eine Tochter der grünen Finanzsenatorin. Und: „Der Klinikverbund Gesundheit Nord beschränkt sich bei seinen Meldungen auf Bauleistungen, hat im Berichtszeitraum jedoch keine Dienstleistungen gemeldet.“
Bei den Kontrollen fiel auf, dass Immobilien Bremen in zwei Fällen Aufträge an Firmen vergeben hat, die wegen Schwarzarbeit auf der schwarzen Liste stehen. Zugleich wird deutliche Kritik an der Gesundheit Nord laut. Dabei hatte der Senat beschlossen, dass sie als „Dienstleister“ mit der Durchführung von Stichprobenkontrollen beauftragt werden sollte. Das war offenbar ein Flop. Der Bericht der SoKo stellt fest, dass die Gesundheit Nord bis Ende 2012 „nicht in der Lage“ war, „diese Prüfungsaufträge zuverlässig durchzuführen“. In einem Fall hatte sie sogar „verschwiegen, dass auf eine Vor-Ort-Kontrolle verzichtet wurde“. Die aber ist entscheidend. Die SoKo stieß bei Kontrollen etwa auf „nicht gemeldete Nachunternehmerketten“, die sich „als undurchsichtig erwiesen“ hätten. Am Ende hätte oft „eine Reihe von selbständigen Einzelunternehmern“ gestanden. Scheinselbstständige?
Nicht immer herrscht Konsens über die Frage, ob das Gesetz eingehalten wurde: So bestritt die WFB bei der Baumaßnahme am „Kaufhaus Kramer“ in Vegesack, dass ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz vorlag – obwohl der Zoll bereits festgestellt hatte, dass auf der Baustelle 18 Scheinselbstständige gearbeitet hatten. Auch der Mindestlohn wurde nicht gezahlt.
Das Amt für Straßen und Verkehr wiederum hat bei der Kontrolle des Bauvorhabens „Nordwestknoten“ zwar vier Mitarbeiter angetroffen, die den Mindestlohn nicht erhielten – verzichtete aber auf die vorgeschriebene Sanktion und auch darauf, das Kontroll-Ergebnis unverzüglich an die SoKo zu melden. Und bei der Sanierung des Gefängnisses war ein Unternehmen unerwähnt geblieben, „dessen Mindestlohnverstöße bereits festgestellt worden waren“.
Dennoch stellt die Sonderkommission fest, dass die Akzeptanz des Mindestlohngesetzes „zunehmend“ steige: Sie erwarte, „dass sich dieser Trend fortsetzt“. Wobei klar ist, dass sich das Gesetz bislang nur auf neu abgeschlossene öffentliche Aufträge bezieht, und nicht auf alte Verträge – wie etwa die beim Catering in der Stadthalle.
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