Gesetzentwurf zu Videoüberwachung: De Maizière will mehr Kameras
Das Gesetz soll private Überwachung erleichtern. Der Datenschutz wird dadurch geschwächt. Kritiker halten das für reine Symbolpolitik.
Derzeit gibt es für private Videokameras in öffentlich zugänglichen Räumen zwei Vorgaben: Zum einen müssen die Nutzer auf die Überwachung hingewiesen werden. Zum anderen sind private Kameras nur zulässig, wenn die Interessen der Betreiber die Interessen der beobachteten Nutzer überwiegen. In diese Abwägung will de Maizière nun eingreifen.
Sein Gesetzentwurf kritisiert eine Verfügung des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar. Der hatte 2010 den Betreiber des Hamburger Einkaufszentrums Alstertal aufgefordert, 24 von 75 Kameras abzubauen. Akzeptiert wurden nur Kameras, die auf Fluchtwege, Schließfächer, Kassenautomaten, Anlieferungszonen und Parkbereiche gerichtet waren. Dagegen sei eine großflächige Videoüberwachung in den Ladenpassagen, einschließlich der Ein- und Ausgänge und Rolltreppen, bedenklich. Die Kunden hätten das Recht, „sich in der Öffentlichkeit frei bewegen zu können, ohne befürchten zu müssen, dabei ständig beobachtet zu werden“. Die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten sei Aufgabe der Polizei und nicht des Einkaufszentrums.
Caspar war gezielt gegen das Zentrum Alstertal vorgegangen, weil der Betreiber ECE bundesweit Marktführer für Einkaufszentren ist und seinen Sitz in Hamburg hat. Eigentlich wollte der Datenschützer einen Musterprozess führen, doch ECE gab nach und baute die beanstandeten Kameras ab. Auch in seinen übrigen rund 100 Zentren befolgte ECE die Vorgaben.
Neue Grundlage für mehr Überwachung
Der rigiden Datenschutz-Aufsicht will Innenminister de Maizière nun den Boden entziehen. Bei der Abwägung soll künftig auch der „Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit“ der Besucher „in besonderem Maße“ berücksichtigt werden, heißt es im Gesetzentwurf. In der Begründung wird ausdrücklich der Schutz vor Terroranschlägen und Amokläufen genannt. Die Neuregelung soll nicht nur für Einkaufszentren, sondern auch für Sport- und Freizeitanlagen sowie Bahnhöfe, Züge und Flughäfen gelten. Insbesondere gegen Selbstmordattentäter gilt eine Videoüberwachung allerdings als wenig effizient. Wer bereit sei zu sterben, freue sich eher über die symbolträchtigen letzten Bilder, so Exbundesdatenschützer Peter Schaar.
Als Innenminister de Maizière im Sommer sein Anti-Terror-Paket vorstellte, verwies er auf eine „kürzlich erfolgte Bombendrohung“ in einem Einkaufszentrum in Dortmund. Dort hätten Videoaufzeichnungen „zur Aufklärung der Sachlage beitragen können“, wenn es genügend Kameras gegeben hätte. Datenschützer Caspar überzeugt das nicht. In der Dortmunder Thier-Galerie seien knapp 50 Kameras im Einsatz. Für eine flächendeckende Überwachung des Kaufhauses wären viel mehr Kameras erforderlich gewesen, deren Material tagelang hätte ausgewertet werden müssen. Stattdessen wurde das Zentrum nach der Bombendrohung mit Spürhunden durchsucht, und nach wenigen Stunden konnte Entwarnung gegeben werden.
Datenschützer Johannes Caspar
Doch de Maizière geht es vermutlich nur um die Botschaft, er verstärke die Sicherheit, indem er die Videoüberwachung ausweite. Ob die privaten Betreiber nach einer gesetzlichen Neuregelung tatsächlich auf eigene Kosten mehr Kameras aufstellen, kann de Maizière aber nur hoffen, nicht anweisen. Derzeit werden nach Angaben seines Ministeriums bundesweit jährlich rund 22.500 private Überwachungskameras neu aufgebaut. Nach der Gesetzesänderung könnten es jährlich rund 1.000 Kameras zusätzlich geben, schätzt das Ministerium. Noch in diesem Jahr soll der Gesetzentwurf vom Kabinett auf den Weg gebracht werden.
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