Gesetzentwurf zu Hartz-IV-Regelungen: Weniger Geld für Alleinerziehende
Sozialgeld soll unter getrennten Elternteilen gesplittet werden, pro Tag bis zu 10,20 Euro weniger. Experten halten das für nicht alltagstauglich.
In dem Änderungsantrag zum Sozialgesetzbuch II geht es auch um Alleinerziehende sowie getrennt lebende Eltern. Diese würden durch das Nahles-Papier benachteiligt, kritisiert Asmus. Künftig könnte das Sozialgeld für ein Kind nicht mehr die Person vollständig erhalten, bei der sich das Kind vorwiegend aufhält, sondern auf beide Elternteile verteilt werden. Gesplittet nach den Tagen, die das Kind tatsächlich entweder bei der Mutter oder beim Vater verbringt. So jedenfalls steht es in den Formulierungshilfen für die Gesetzesänderung, die selbst in der Koalition heftig umstritten sind und daher nur mit spitzen Fingern angefasst werden.
Für Hartz-IV-Mütter – in neun von zehn Fällen ist der alleinerziehende Elternteil die Mutter – wäre das eine mitunter schmerzhafte Einbuße an Sozialgeld. Auch dann, wenn der Vater ein Arbeitseinkommen hat und selbst gar nicht auf Hartz IV angewiesen ist.
Der Vorstoß hat unter Fachleuten und Lobbygruppen Empörung ausgelöst, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten hat einen offenen Brief an Nahles geschrieben. „Ein absurdes Verfahren, das die Alltagspraxis für alle Beteiligten erschweren wird“, heißt es in dem Schreiben: „Es gibt kein Einsparpotenzial bei alleinerziehenden Hartz-IV-Familien, denn sie gehören ohnehin schon zur ärmsten Gruppe unserer Gesellschaft.“
39 Prozent der Alleinerziehenden bekommen Hartz IV
In Euro bedeuten die vorgesehenen Änderungen: Pro Tag, den ein 6- bis 14-jähriges Kind nicht bei der Mutter verbringt, wird der Kleinfamilie das Sozialgeld um je 9 Euro gekürzt. Bei 14- bis 18-Jährigen wären es täglich 10,20 Euro weniger. „Das ist Verwaltung des Mangels“, kritisiert Asmus. 39 Prozent der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern beziehen Hartz IV.
Nun mögen die Kosten beispielsweise für Essen geringer sein, wenn das Kind nicht da ist. Doch grundsätzliche Ausgaben für Miete, Strom, Heizung, Telefon bleiben unverändert. Solche Kosten hat der andere Elternteil natürlich auch. Es muss zwei Kinderzimmer geben, zwei Betten, Kleidung in beiden Haushalten, Spielzeug, Schulmaterial. Das allerdings ist bei den Hartz-IV-Sätzen bislang nicht ausreichend berücksichtigt.
„Solange für Kinder getrennt lebender Eltern im Sozialgeldbezug kein Umgangskinder-Mehrbedarf anerkannt wird, kommt es regelmäßig zu einer Bedarfsunterdeckung“, kritisiert der VAMV. Unbürokratisch formuliert: Der Hartz-IV-Satz für getrennt lebende Eltern muss höher sein.
Der Juristinnenbund erkennt ein weiteres Problem: Die bei vielen getrennten Paaren ohnehin schon angespannte Kommunikation könnte noch schwieriger werden. Zudem werde das gemeinsame Sorgerecht gegen finanzielle Interessen ausgespielt. Es sei zu befürchten, dass selbst jene Mütter, die sich jetzt unvoreingenommen das Sorgerecht mit dem Expartner teilen, das jetzt nicht mehr machen – aus Angst, noch weniger Geld zu haben.
Gesetz schürt Streit zwischen Elternteilen
Das missfällt auch Väterverbänden. Die Männer befürchten, ihre Kinder nicht mehr so häufig sehen zu können. „Was wir brauchen, ist eine Erfassung der Lebensrealität von Familien“, sagte Markus Witt vom Verein Väteraufbruch für Kinder.
Massive Kritik am Nahles-Papier kommt erwartungsgemäß von der Opposition. Mit der Gesetzesänderung „gefährdet die Bundesregierung weiterhin das Existenzminimum von Kindern alleinerziehender Eltern“, beklagt Franziska Brantner, familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Zudem schüre das Gesetz „Streit zwischen den Elternteilen“. Alleinerziehende würden es sich unter diesen Umständen zweimal überlegen, ob sie den Umgang mit dem Vater ausweiten.
„Warum belasten Sie Alleinerziehende, die zu 40 Prozent voll oder ergänzend auf Hartz IV angewiesen sind, mit diesem Gesetz so enorm?“, fragt Matthias Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Das Änderungsgesetz, das eigentlich die Hartz-IV-Bürokratie verringern soll, soll am 1. August in Kraft treten.
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