Gesetze gegen Hate Speech: Digitale Internationale

Wer gegen illegale Inhalte in sozialen Medien vorgehen möchte, muss international agieren. Das funktioniert bisher noch nicht einmal in Europa.

An der Stirnseite des Großraumbüros steht der Schriftzug «Facebook».

Mitarbeiter im Löschzentrum von Facebook Foto: Soeren Stache/dpa

Strafbare Inhalte im Internet sind ein Massenphänomen. Gerade erst hat eine Umfrage des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung einmal mehr belegt: Journalist*innen werden vor allem über Social Media bedroht, beleidigt und eingeschüchtert. Gerade in Zeiten der Coronapandemie wird auch die Verbreitung von Falschinformationen zu einem Problem.

Während bisher die Plattformen in Deutschland gesetzlich verpflichtet wurden, in Selbstkontrolle entsprechende Inhalte zu filtern und zu löschen, sollen sie, geht es nach dem Willen der Justizministerin Christine Lambrecht, nun auch ihre Nutzer bei Verstößen anzeigen. Ob das reicht, um den bis heute mehr oder minder rechtsfreien digitalen Raum zu reglementieren?

Denn um wirklich wirksam gegen Hetze im Web vorzugehen, müsste es internationale Regeln geben. Dafür macht sich auch Nordrhein-Westfalens oberster Medienwächter, der Direktor der Medienanstalt NRW Tobias Schmid, stark. Er hat eine aktuelle Studie zum internationalen Regelwerk beim Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) mit initiiert. Aber die entsprechenden Gesetze der Europäischen Union sind teilweise bereits über 20 Jahre alt. Und der „Digital Services Act“, ein zentrales Projekt der EU-Kommission, das eine übergreifende, zeitgemäße juristische Grundlage für den digitalen europäischen Raum werden soll, scheint noch in weiter Ferne.

Mark Cole, Leiter des EMR, sieht wesentliche Herausforderungen. Ein Knackpunkt ist das „Herkunftslandprinzip“: Nur der EU-Staat, in dem ein Provider oder Onlineanbieter seinen Sitz hat, darf den entsprechenden Anbieter belangen, wenn auf seiner Plattform strafbare Inhalte zugänglich sind.

Fragmentiertes Regelwerk

Schon bei Hate Speech, der Hassrede, beispielsweise haben die europäischen Länder teilweise komplett unterschiedliche Ansichten darüber, was erlaubt ist und was strafbar. „Die Natur der Online­inhalte, die regelmäßig bis zu ihrer Entfernung verfügbar sind, erfordert Lösungen, mit denen der Zugriff auf illegale und schädliche Inhalte schneller unterbunden werden kann“, sagt Cole.

Dabei, so der Rechtswissenschaftler weiter, sei es denkbar, das Herkunftslandprinzip beizubehalten, „aber gegebenenfalls eine Anknüpfung an den Marktort zu ermöglichen, indem entweder die Verfahren vereinfacht oder die Fälle, in denen andere als die Regulierungsbehörden des Herkunftslandes tätig werden können, ausdrücklich definiert werden.“

Heißt: Auch in den Ländern, wo die entsprechenden illegalen Inhalte konsumiert werden können, sollten die ansässigen Behörden ebenfalls die Möglichkeit haben, gegen die Verantwortlichen vorzugehen, selbst wenn sie in einem anderen EU-Land ihren Sitz haben.

Bisher darf nur ein EU-Staat, in dem der Provider seinen Sitz hat, den Anbieter belangen

„Es braucht Verfahren, die sich vor allem auf die Zusammenarbeit der zuständigen Aufsichtsbehörden untereinander beziehen“, fordert daher Schmid. Als Vorsitzender eines internationalen Gremiums, in dem sich die Medienregulierungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten zusammengeschlossen haben, sind er und seine Kollegen dabei, ein „Memorandum of Understanding“ zu verfassen, das genau dieses Ziel verfolge: „In jedem Fall“ sollten die national zuständigen Aufsichtsbehörden bei der internationalen Zusammenarbeit involviert sein, „weniger jedoch staatliche Stellen, etwa Ministerien und die EU-Kommission“, so Schmid.

Die Frage der Wettbewerbsfähgkeit

Aus EU-Führungskreisen heißt es dagegen, dass es in dieser Phase des Prozesses verfrüht sei, über die genauen Instrumente zu spekulieren, die eine wirksame grenzüberschreitende Zusammenarbeit gewährleisten könnten.

Die Befürchtung in Brüssel: Unkoordinierte Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der zuständigen Durchsetzungsbehörden könnten den Binnenmarkt für digitale Dienste fragmentieren und europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb benachteiligen. Eine Lösung ist so schnell also nicht zu erwarten und wird sicher noch Jahre in Anspruch nehmen. Ob sie dann noch Sinn ergibt? Die digitale Welt jedenfalls wird sich auch in der Zwischenzeit rasant weiterentwickeln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.