Geschichtstourismus in Schottland: 16 Männer, keine Frau – noch nicht
Vom Wallace Monument hat man einen Blick über Scotland in a Nutshell. In seinem Inneren herrscht noch ein wenig Gleichstellungsbedarf.
Auf irgendwas Altes hochlaufen und runterschauen ist immer gut. Da neigt der Mensch zum Kätzischen: Erstmal den Überblick verschaffen. Und immer wieder hoch auf engen Wendeltreppen, immer wieder anhalten, weil sich ein kräftiger US-amerikanischer Touristenhintern abwärts an einem vorbeischiebt, immer wieder Stufen zählen. 246 sind es im Wallace Monument, dem schottischen Nationaldenkmal, das mitten im Land liegt – von Edinburgh, Glasgow und Dundee gleichermaßen nur eine Autostunde entfernt.
Oben wird man belohnt mit einem großartigen Panoramablick, denn die Spitze des Monuments ist gestalterisch einer Krone nachempfunden, ein in alle Richtungen offenes Plateau. Von hier blickt man auf Scotland in a nutshell: Die erdigen und grobschlächtigen Formationen der Highlands treffen auf die lieblichere, grasgrüne Hügellandschaft der Lowlands.
Dazwischen: Stirling, eine Kleinstadt mit mittelalterlichem Stadtkern, die auch mal Schottlands Hauptstadt war. Über ihr thront das Stirling Castle, das man unbedingt auch besuchen sollte: Das Schloss ist sehr gut erhalten bzw. restauriert. Besonders der Thronsaal beeindruckt.
Und dazwischen, im Tal, steht die Stirling Bridge, berühmt für eine Schlacht. 1297 besiegten die Schotten unter William Wallace ein viermal so großes englisches Heer. Weltweit bekannt wurde die Schlacht durch den Kinoerfolg „Braveheart“ mit Mel Gibson als William Wallace. Der Film ist voller historischer Fehler, aber das interessiert ja die Touristen nicht. Er führte zu einer Verdreifachung der Besucher des Wallace Monuments.
Das schottische Hermannsdenkmal
Das Monument ist also so etwas wie das Hermannsdenkmal von Schottland. Beide Denkmäler stehen auf Hügeln und zwar dort, wo die namensgebenden Kriegsherren feindliche Eindringlinge besiegten. Dabei mussten sie auf weniger und schlechter ausgestattete – aber eben, so erzählt man sich, umso mutigere und heldenhaftere – Kämpfer zurückgreifen als ihre Widersacher.
Gebaut wurde das Wallace Monument zwischen 1861 und 1869, also ebenfalls zur gleichen Zeit wie das Hermannsdenkmal (1838 bis 1875), und das ist kein Zufall: Es war die Epoche der Nationalstaaten in Europa. Zum Nation Building gehörten verbindende Elemente wie Nationalhelden und -monumente und auf der Suche nach ihnen ging man notfalls auch viele Jahrhunderte zurück.
Auf dem Abstieg vom Plateau des Wallace Monument findet man im Inneren auch gleich noch die Walhalla Schottlands: 16 Büsten stehen hier seit über 100 Jahren herum, es sind große Namen der schottischen Geschichte. Darunter Autoren (Walter Scott, Allan Ramsay) Wissenschaftler (David Livingstone, James Watt) und König Robert the Bruce.
16 Büsten. 16 Männer. Keine Frau. Das ist selbst an so einem Historie atmenden Ort nicht mehr zeitgemäß. In einem mehrstufigen Auswahlprozess einigte man sich im Frühjahr darauf, dass bald auch zwei Frauen in die Hall of Heroes Einzug halten, mit einer Berufskombination, die man vermutlich nur in Großbritannien finden kann: Die 1995 verstorbene Maggie Keswick Jencks, eine Expertin für Chinesische Gärten und zudem Gründerin einer Reihe von Zentren für Krebskranke. Und Mary Slessor, die sich im 19. Jahrhundert als Missionarin in Nigeria für Menschenrechte verdient machte.
Weitere Information und Tipps zu Schottland: www.visitscotland.com/de-de/
Zwei von dann achtzehn Büsten, das kann man, naja, einen Anfang nennen. Wirkliche Gleichberechtigung gibt es wohl erst, wenn auch Nationaldenkmäler nach Frauen benannt werden, ob in Schottland, im Teutoburger Wald oder anderswo. Der Weg bis dahin ist wohl noch etwas steiler als die 246 Stufen des Wallace Monument.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen