: Hinein insVergnügen
Der Kulturpark im Plänterwald war zu DDR-Zeiten ein Publikumsmagnet. Unsere Autorin erinnert sich gern an Zuckerwatte, Geisterbahn und Riesenrad. Und an ein Konzert mit der Gruppe Pankow
Von Anja Maier
Es gibt zwei Geschichten aus dem Plänterwald. Die des Kindes, das an einem heißen Sommertag Anfang der 1970er Jahre dort Riesenrad fährt. Und die der Jugendlichen, die zehn Jahre später, am letzten Sommerferientag, zum Kulti streunt, um eine Band zu hören.
Das Kind ist ein bisschen mollig und trägt ein ärmelloses gepunktetes Kleid. Es hat blonde Zöpfe, gehalten von Gummis mit blauen Kugeln. Jemand (Wer? Eine Frau) hat es eingeladen in den Vergnügungspark. Es wird also mit der S-Bahn bis zum Treptower Park gebracht und dort an der Hand über verschlungene Wege zum Rummel geführt. Vorbei an den Schiffen der Weißen Flotte (was für ein wunderbarer Name!) und an Familien, die schön herausgeputzt auf den Bänken und den Steinplatten am Spreeufer sitzen. Im Gasthaus Zenner (gibt es heute noch – Anm. d. Red.) kriegt das Kind wegen der Affenhitze eine Brause. Es wird dann weitergeführt, vorbei an der Gaststätte Plänterwald, wo wilde Männer im Unterhemd Bier und Korn trinken. Frauen mit Bauschfrisuren und blauem Lidschatten rauchen im Schatten der Bäume.
Und dann, endlich, geht es hinein ins Vergnügen: in den Kulturpark (kurz Kulti genannt – Anm. d. Red.). Das Kind bekommt alles, was ihm zuvor versprochen worden ist. Zuckerwatte, Spiegelkabinett, Geisterbahn, Karussell. Und endlich: die Riesenrad-Fahrt. Ganz oben schaukelt es über Berlin, da hinten glitzert der Fernsehturm in der Hitze. Bevor es wieder nach Hause geht, kriegt das Kind noch ein Moskauer Eis. Die von der Sahne schlappgesuppte Waffel schmeckt am allerbesten.
Das war der schönste Tag des Lebens, seufzt das Kind, als es sich abends frisch gebadet zum Schlafen legt. Das Bett dreht sich noch eine kleine Weile.
Zehn Jahre später ist aus dem Kind ein junges Mädchen geworden. In der Schule nennen sie sie Jugendfreundin (Jargon der DDR-Organisation Freie Deutsche Jugend – Anm. d. Red.). Sie ist dünn und zu groß, schwarz angezogen und hat sich die blonden Haare an einer Seite abrasiert. Am letzten Nachmittag des August zahlt sie im Posthorn am Alex ihre Cola-Wodka, dann steigt sie mit Ursel und Ines in die S-Bahn Richtung Ostkreuz, dann bis Plänterwald, das ist kürzer (siehe Grafik). Wer braucht schon Uferspaziergänge?
Als sie aussteigen, sind da schon die anderen, die mit ihnen Richtung Kulti latschen. Kunden, Punks, Blueser. Im Kulti is’n Konzert. Mit wem? Keine Ahnung.
Im Grunde kennt das Mädchen hier jeden mindestens vom Sehen. Ihr Berlin ist klein, das Personal übersichtlich, die Orte die immer gleichen. Und heute ist letzter Ferientag, da sind alle wieder zurück in der Stadt. Das Mädchen raucht im Laufen eine geschnorrte Zigarette der Marke Juwel. Vor dem PW, der Gaststätte Plänterwald, trinken Kunden Bier. Alles an ihnen hängt: die langen Haare, Bärte und die Shellparkas, die selbstgenähten Beuteltaschen aus Gobelinstoff. Vor zehn Jahren hatte sie hier die Arbeiter aus dem Kabelwerk Oberspree gesehen.
Das Mädchen drängt sich mit den vielen anderen an der Kasse, irgendwann ist sie drin. Wo sind Ursel und Ines? Da. Gut. Es ist immer noch hell, als die Band zu spielen beginnt. Sie heißen Pankow, und sie sind unfassbar gut. Es scheppert durch den Kulturpark, der schöne Sänger springt wie ein Derwisch über die Bühne, seine schwarzen Locken hängen ihm in die Augen. Vorn wird gepogt. Es ist schrill, alles fühlt sich verboten an. Aber niemand greift ein.
Es ist immer noch ein bisschen hell, als das Mädchen nach Hause streunt. Es hat sich was verändert, sie weiß nicht genau, was. Am Ostkreuz trennen sie sich. Ursel muss zum Leninplatz, Ines zur Keibelstraße, sie nach Biesdorf. Um zehn ist sie zu Hause. Ihre Eltern sitzen vor dem Fernseher.
Wo kommst du denn jetzt her? – Aus dem Plänterwald.
Und, wie war’s?
Sehr, sehr schön.
Die Zukunft des ehemaligen Kulturparks im Plänterwald? Ein Rundgang durchs Gelände
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