■ Gertraude Krell über Männerförderung als neuer Weg zur Chancengleichheit: „Reine Frauenförderung ist eine Sackgasse“
taz: Seit ihrem Bestehen fördert die taz die Frauen, es gibt einen Quotierungsbeschluß, Frauenseiten, Frauenredakteurinnen, und trotzdem sind wir an dem Punkt in der Krise. Was raten Sie uns?
Gertraude Krell: Vielleicht sollte die taz mehr in Männerförderung und Managing Diversity investieren, als sich bei der Frauenförderung zu verschleißen.
Wie kamen Sie darauf, sich mit dieser US-Managementstrategie zu befassen?
Bei aller frauenpolitischer Sympathie hatte ich Probleme mit dem Etikett Frauenförderung. Denn wenn es um Maßnahmem geht, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, wie etwa Teilzeitarbeit, sollte es eher Familienförderung heißen. Außerdem klebt an der sogenannten Frauenförderung der Geruch des Mangels: als ob Frauen defizitäre Wesen seien, die ein bißchen Nachhilfe brauchen. Die reine Frauenförderung ist eine Sackgasse.
Ist das Konzept Managing Diversity auf hiesige Verhältnisse übertragbar?
Ja, denn das wesentliche dieser Strategie ist, daß Arbeitsbedingungen geschaffen werden, bei denen niemand ausgegrenzt wird – egal ob Schwarz oder Weiß, Mann oder Frau, Wessi oder Ossi, Mütter oder Väter, Beamte oder Angestellte, Teilzeit- oder VollzeitarbeitnehmerIn, heterosexuell oder homosexuell. Diversity heißt Vielfalt, und diese Vielfalt wird positiv bewertet. Es geht darum, daß ein multikulturelles Unternehmen geschaffen wird und nicht eine dominante Gruppe das Wertegeflecht bestimmt und die anderen sich anpassen müssen. Das setzt Energien frei, die dem Output zugute kommen und nicht mehr in Konflikten und in Frust aufgesogen werden.
Was bringt Unternehmen dazu, Managing Diversity anzuwenden?
Wenn zum Beispiel die Arbeitszufriedenheit gering ist und Minderheiten mit einer hohen Fluktuationsrate oder vielen Fehlzeiten auffallen. Oder wenn es für diejenigen, die nicht zur sogenannten dominanten Gruppe (weiß, männlich) gehören, geringe Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Das alles schlägt mit Produktionseinbußen auf das Unternehmen zurück.
Was kann ein Unternehmen tun, um dies abzufangen?
Der konkrete Handlungsbedarf kann zum Beispiel durch eine Mitarbeiterbefragung ermittelt werden.
Wenn etwa eine Gruppe von Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen sagt, wir werden von den anderen nicht für voll genommen, kann zunächst einmal mit bewußtseinsbildenen Maßnahmen (Awareness Trainings) versucht werden, für die Probleme derer zu sensibilisieren, die nicht zur dominanten Gruppe gehören, um zu erkennen, daß Vielfalt, richtig gemanagt, durchaus Vorteile bringt.
Ist das nicht ein sehr idealistisches Konzept?
Man braucht natürlich einen langen Atem. Den Wandel zu einem wirklich multikulturellen Unternehmen kriegt man nicht von heute auf morgen hin. Managing Diversity ist ein sogenannter Top-down- Ansatz. Das heißt, Veränderungen in Unternehmen müssen zunächst die volle Unterstützung des Top-Managements haben und dann von oben nach unten durchgesetzt werden. Die Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle und brauchen Anreize.
Welche?
In großen Unternehmen werden Führungskräfte regelmäßig beurteilt. Werden dabei ihre Anstrengungen und Erfolge in Sachen Chancengleichheit berücksichtigt, dann ist das ein Signal. In den USA gibt es auch Unternehmen, die die leistungsorientierte Vergütung ihres Managements unter anderem von Chancengleichheit abhängig machen. Interview: Michaela Eck
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