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Gernot Erler über Israel und Iran"Israel bereitet sich vor"

Frieden durch Aufrüstung? Das Angebot, Waffen an Israel zu liefern, vergrößert den diplomatischen Spielraum, sagt der SPD-Politiker Gernot Erler.

Mahmud Ahmadinedschad - verlegt er das iranische Atomprogramm unter die Erde? Bild: AP
Martin Kaul
Interview von Martin Kaul

taz: Herr Erler, wie weit ist es noch bis zu einem israelischen Militärschlag?

Gernot Erler: Zunächst einmal geht die Hauptsorge nicht von Israel, sondern vom iranischen Atomprogramm und dem problematischen Umgang des Iran mit den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde aus. Den Inspektoren wurde der Zugang zu bestimmten Anlagen verweigert. Das nährt den Verdacht, dass der Iran heimlich verbotene Aktivitäten zum Bau einer Atombombe vorantreiben könnte. Weil dies das Ausgangsproblem ist, müssen sich unsere Fragen auch in diese Richtung stellen.

Die Frage war aber: Wie nah ist ein Militärschlag Israels?

Ich erwarte, dass sich der Konflikt auf dem Verhandlungsweg lösen lässt. Es ist aber davon auszugehen, dass hinter den Gesprächen von US-Präsident Obama und Israels Premierminister Netanjahu Realitäten stehen. Demnach bereitet sich Israel militärisch vor und macht geltend, dass für eine militärische Intervention ein Zeitfenster genutzt werden muss, das eng sei. Israel befürchtet, dass der Iran sein Atomprogramm derzeit unter die Erde verlagert und es dann militärisch nicht mehr zu stoppen sein könnte.

Kanzlerin Angela Merkel hat wiederholt bekräftigt: „Die Sicherheit Israels zu schützen ist Teil der Staatsräson Deutschlands.“ Was heißt das im Fall eines bewaffneten Konflikts?

Bild: dpa
Im Interview: Gernot Erler

67, arbeitete als Verlagsredakteur und ist seit 1987 Bundestagsabgeordneter. Von 2005 bis 2009 war er Staatsminister im Auswärtigen Amt. Heute ist er außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Es ist nicht sehr klug, auf eine solch spekulative Frage eine Antwort zu geben.

Wieso?

Weil das immer einen Verhandlungserfolg erschweren kann. Ich konzentriere mich auf das, was ich für alternativlos halte: eine politische Lösung des Konflikts. Es gibt ja einen neuen Vorstoß der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands, in Gesprächen zu einer Lösung zu kommen. Es müssen endlich effektive Kontrollen des Atomprogramms stattfinden können. Hierüber sollten wir reden. Alles andere ist unklug.

Man könnte auch sagen: Es ist unklug, einen Krieg im Nahen Osten aufziehen zu sehen und nicht zu debattieren, was die Folgen in Deutschland wären. Nur fahrlässig oder schon Realitätsverlust?

Da frage ich, wer hier die Realität verweigert! Es sind sich doch alle einig, dass ein Militärschlag unkalkulierbare Folgen hätte. Übrigens würde es auch nach einem Militärschlag noch ein iranisches Atomprogramm geben, vielleicht nur etwas verzögert. Was soll denn die Weltgemeinschaft machen, wenn der Iran als Antwort auf einen völkerrechtlich ungedeckten Angriff Israels aus dem Atomwaffensperrvertrag aussteigen und offiziell eine Atomwaffe anstreben würde? Ich sehe den Realitätssinn wirklich eher bei denen, die auf den Verhandlungsprozess setzen.

Das heißt?

Obamas Position ist am überzeugendsten: Alle Optionen bleiben offen, aber wir setzen auf Verhandlungen und raten von militärischen Abenteuern ab.

Die neueste Option heißt: Die USA liefern Israel bunkerbrechende Waffen, dafür gibt es einen Zeitaufschub in Sachen Intervention.

Das hat eine bestimmte Logik. Das amerikanische Angebot der Waffenlieferungen an Israel entkräftete das israelische Argument, dass es nur noch jetzt zu einem Militärschlag kommen kann, weil es sonst zu spät sein könnte. Das heißt: Amerikanische Angebote für Waffenlieferungen an Israel vergrößern den Spielraum für eine diplomatische Lösung.

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17 Kommentare

 / 
  • KS
    Kritische Stimme

    Hohe Benzinpreise,made in Europe

    Seitdem die EU-Aussenminister inkl. Westerwelle Oelsanktionen gegen Iran gemacht haben,sind die Preise mit $25/pro Fass gestiegen.Umgerechnet kostet das die EU 150 Miljarden/Jahr oder 1 mio Arbeitslosen,und das Ende der Preissteigerungen ist noch nicht in Sicht.Seitdem die Weltpresse berichtet ueber bevorstehende Bombardierungen von Iran durch den Atomstaat Israel ist jedem Buerger in Europa klar dass das falsche Land sanktioniert wurde mit katastrophalen Folgen fuer die europaeische Wirtschaft.In der Privatwirtschaft macht man kurzen Prozess mit solchen Versagern ...........

  • DO
    Die Online-Redaktion

    Hiermit entschuldigen wir uns für ein Versehen bei der Bildauswahl.

     

    Viele Grüße

    Die Online-Redaktion

  • S
    Senckbley

    @ petermann

    "Gewährt denn Israel den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde Zugang zu seinen Anlagen,"

     

    Hat denn im 2. Weltkrieg auch nur eine der kriegführenden Nationen Interesse an den Juden in Europa gezeigt?

  • G
    GWalter

    RUSSLAND HAT RECHT

    Die Mehrzahl der Kämpfenden gegen die Regierung Assad sind von den USA angeheuerte Araber, die Unfrieden stiften sollten.

     

    Alles läuft nach dem gleichen Schema des CIA wie auch in den anderen Ländern des sogenannten "Arabischen Frühlings"

     

    Libyen muss heute unter der Scharia leben und das nennt man nun in Brüssel, London und Washington ....DIE NEUE DEMOKRATIE !!!???

  • MR
    Mariam Rehber

    Es gehört schon ziemliches Talent dazu, aus der Lieferung von Waffen eine diplomatisches Mittel zu konstruieren. Aber unsere Politik ist nun einmal keine souveräne und darum muss auch das Thema der "Staaträson"in Bezug auf Israel ausgeklammert werden und Obamas Eiertänze gelobt. Diesem geht es doch erst einmal darum, seine Wiederwahl nicht durch einen erneuten Krieg zu gefährden und die Waffengeschäfte tun ja der amerikanischen Wirtschaft auch gut - und die Israel-Lobby ist auch zufrieden.Unabhängige deutsche Politik würde bedeuten, erst einmal Irans Recht auf sein ziviles Atomprogramm anzuerkennen und somit auch das Recht auf Urananreicherung, weshalb alle Sanktionen rechtswidrig sind.Dann kann man mit Iran über ein Entgegenkommen des Landes über seine Verpflichtungen hinaus reden - sonst kann man sich doch Gespräche schenken, bis jetzt werden an Iran nur Forderungen gestellt.Weiterhin würden souveräne Politiker Israel klar machen, dass seine eigene Politik völkerrechtswidrig ist und es seine Sicherheit durch seine Eskalationspolitik gegen die Palästinenser befürchtet, während von Iran noch nie eine Bedrohung gegen andere Länder ausgegangen ist. Außerdem ist ein Angriffskrieg Israels durch nichts zu rechtfertigen. Ja und schließlich würden souveräne Politiker auch mal kritisch nachfragen, was denn womöglich der angebliche "Atomkonflikt" mit Iran, mit den amerikanischen Hegemoniebestrebungen im "Broader Middle East" zu tun haben. Aber das ist wohl selbst von der Opposition zu viel verlangt.

    Was die IAEA darf und was nicht: http://irananders.de/home/news/article/irans-atomprogramm-und-das-rechtliche-mandat-der-iaea.html

  • KL
    Kritischer Leser

    Warum bitte befindet sich über einem Artikel, welcher mögliche militärische Interventionen Israels behandelt ein Bild des KZ Mittelbau-Dora in Thüringen, in welchem Verfolge des NS-Regimes die V2 für das nationalsozialistische Deutschland fertigen mussten?

     

    Das ist deutlich mehr als ein kleiner Fehler. Bitte schnellstmöglichst entfernen!!!!

     

    Dieses Bild ist eine Beleidigung für verfolgte des Nationalsozialismus und deren Familien.

  • P
    petermann

    Gewährt denn Israel den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde Zugang zu seinen Anlagen, nur so interessehalber?

  • M
    Michael

    Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, einmal zu erwähnen, dass die erwähnten "Waffenlieferungen" u.a. aus Bunkerbrechenden Bomben GBU-28 bestehen. Diese Bomben enthalten abgereichertes Uran, das beim Aufprall verdampft und dann explodiert. Daher wird die Umgebung des Explosionsortes weiträumig mit radioaktiven Partikeln verseucht, die eine öbszöne Halbwertszeit von 4,5 Milliarden (!!!) Jahren haben.

    Wegen der Langzeitwirkung auf das menschliche Genom über tausende Generationen ist diese Munition im Grunde eine Genozid-Waffe und wird ganz sicher einst geächtet werden.

    Obwohl in einem "Leitfaden für Bundeswehrkontingente in Afghanistan", der als „Verschlußsache - nur für den Dienstgebrauch" deklariert ist, Verhaltensanweisungen bzgl. des möglichen Einsatzes von Uranmunition (durch US-Truppen) gegeben werden, gab Herr Erler als Staatsminister bei der Beantwortung einer entsprechenden "Kleinen Anfrage an die Bundesregierung" vor, bezüglich des Einsatzes von Uranmunition unwissend zu sein.

  • A
    Ant-iPod

    Ich stimme Herrn Erler zwar zu, dass der Iran hier diverse Fragen zu beantworten hat und das es alles andere als geboten ist, über evtl. militärische Vorbereitungen in der Öffentlichkeit zu schwadronieren.

    Was mich aber besorgt ist diese zur Schau gestellte Hilflosigkeit?

     

    Wenn wir doch angeblich "alle Wissen, dass ein Krieg unkalkulierbare Folgen hat" und keine Garantie für eine Beendigung evtl. vorhandener und dennoch unbewiesener Atomwaffenprogramme bietet - dann ist ein Krieg doch wirklich keine Option. Wir wissen es, die Iraner wissen es und dennoch rasseln Israel und in weit geringerem Maße die USA mit den Säbeln.

    Drohungen, die man nicht wahr machen wird, untergraben die Glaubwürdigkeit, nicht wahr?

     

    Was bedeutet dies faktisch?

    Das wir offenbar wesentlich besser mit einem vielleicht-vielleicht auch nicht atomar bewaffneten Iran leben können, als mit einem unkalkulierbaren Krieg in der Region mit den wichtigsten Energiereserven des Planeten. Schulden und Wirtschaftskrise haben wir auch so schon mehr als genug - kein Mensch mit Verstand braucht jetzt noch einen mit solchen Risiken behafteten Krieg.

     

    Und Israel?

     

    Israel wird sich bis auf weiteres der militärischen Möglichkeiten der IDF und der USA gewiss sein können. Wenn es wirklich direkt - und nicht abstrakt - bedroht wird, dann hat es militärische Verbündete, die eine totale Dominaz auf dem Schlachtfeld sicherstellen.

    Abgesehen davon, wäre eine kluge Außenpolitik für Israel weit vorteilhafter und sicherheitspolitisch günstiger, als leere Drohungen und kopflose Luftschläge.

  • P
    petermann

    Gewährt denn Israel den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde Zugang zu seinen Anlagen, nur so interessehalber?

  • E
    egal

    Das Bild zum Artikel zeigt einen Raum der Gedenkstätte Mittelbau-Dora und im Vordergrung eine V2-Rakete. Ein direkter Zusammenhang zwischen Bild und Interview ist mir nicht wirklich ersichtlich. Was wollen Sie damit sagen?

  • G
    GWalter

    Der " Friedensnobelpreisträger " Obama wird es schon richten. Die Welt wird doch schon wieder belogen.

     

    Der Bürgerkrieg in Syrien ist doch von Anfang an eine von aussen gesteuerte Aktion.

     

    Die USA und der Westen sind doch schon längst dabei. Ohne ein Veto der Chinesen und Russland in der UNO hätten sie ja schon längst Syrien genau so wie Lybien bombadiert.

     

    Strategisch gesehen, muß sich die USA beeilen, denn sie müssen das Regime Assad beseitigen, denn Sie brauchen ja schnell eine freie Flugzone über Syrien , damit Israel und USA in der Lage sind , durch Überfliegen von Syrien den Iran mit ihren Kriegsbombern zu erreichen und zu bombadieren.

  • E
    end.the.occupation

    > Bunkerbrechende US-Waffen könnten einen Präventivschlag verhindern.

     

    Die Logik erschliesst sich nur Mitarbeitern in der Bild-Redaktion. Ebenso bemerkenswert, dass Erler an anderem Ort vor einem völkerrechtswidrigen Angriff Israels warnt - und gleichzeitig behauptet - die Lieferung von Waffen an den Aggressor könnte zur Deeskalation beitragen.

     

    In dieser Logik hätte Frankreich die Deutschen mit Waffen beliefern müssen, um 1939 den Überfall auf Polen zu verhindern.

     

    Recht, Logik oder Vernunft - Fehlanzeige, sobald es sich um den 'Staat Israel' dreht.

  • KN
    Karl Napp

    Das Foto sieht eher nach einem A4 (V2) Triebwerk aus als eine Buker brechende Bombe...

  • A
    Anonym

    Findet Ihr es so wahnsinnig passend, den Artikel mit einem Bild aus dem unterirdischen KZ und Rüstungsbetrieb Dora-Mittelbau zu illustrieren?

  • I
    I.Q.

    Wenn die Erlers sich entschieden mit Sanktionen gegen die israelische Expanison gestellt, einen atomwaffenfreien Nahen-Osten angestrebt hätten und das Schicksal von 75 Millionen Iranern etwas wert wären,

    sähe die Diskussion schon seit langem ganz anders aus.

  • T
    Thomas

    Ich bezweifle, dass ein Politiker außerhalb der USA und Israel zu dem Thema substantielle Beiträge liefern kann