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Gerichtsstreit um "Tatort"-VorspannWer hat's erfunden?

Gerade mal 2.500 Mark hatte die Grafikerin des "Tatort"-Vorspanns 1969 als Honorar erhalten. Jetzt will sie mehr und klagt vor dem OLG München. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben.

Sonntag, viertel nach acht in Deutschland: Der "Tatort" fängt an. Bild: ard

Das Auge im Fadenkreuz, die rennenden Beine auf nassem Asphalt: Fast jeder deutsche Fernsehzuschauer kennt den "Tatort"-Vorspann in der ARD – doch wer hat ihn eigentlich offiziell erfunden? Mit dieser Frage muss ich seit Donnerstag das Oberlandesgericht (OLG) München befassen. Die Richter des 29. Zivilsenats sollen klären, ob die Münchner Grafikerin Kristina Böttrich-Merdjanowa als Urheberin des berühmten Vorspanns gilt - und ob sie als solche genannt werden muss. (AZ 29 U 2749/10)

Wäre dies der Fall, könnte die Grafikerin versuchen, eine finanzielle Nachvergütung geltend zu machen. Die Entscheidung des OLG wird am 10. Februar verkündet.

Als der Vorspann 1969 entstand, hatte die Grafikerin pauschal 2.500 Mark bekommen. Nach Ansicht ihres Anwalts Nikolaus Reber zu wenig für einen Vorspann, der prägend geworden ist: Mittlerweile wurde er fast unverändert in knapp 800 "Tatort"-Folgen gezeigt und war tausendfach bei Wiederholungen der Krimis zu sehen.

Vor dem Landgericht hatte die heute 75 Jahre alte Grafikerin mit ihrer Klage gegen den Bayerischen und den Westdeutschen Rundfunk im März 2010 bereits weitgehend Recht bekommen (AZ 21 O 11590/09). Die 21. Zivilkammer hatte damals das Urheberrecht der Künstlerin an dem Vorspann bestätigt und ihr Anspruch auf Auskunft über den Umfang der Nutzung zugesprochen. Gegen das Urteil waren WDR und BR aber auch die Klägerin in einem Punkt in Berufung gegangen.

Der Vorsitzende Richter am OLG, Rainer Zwirlein, verwies zu Beginn der Berufungsverhandlung auf die schwierige Rechtslage. Der Gesetzgeber habe sich "davor gescheut, eindeutige Regelungen zu schaffen". Allerdings habe der Gesetzgeber den "Hinweis" gegeben, dass nicht ohne weiteres jeder, der irgendwie mit einem Werk wie der "Tatort"-Serie zu tun habe, an dessen Erfolg auch beteiligt werden könne.

Der Gesetzgeber habe "Grenzen aufgezeigt", machte der Richter deutlich. "Die Leute schalten kaum den 'Tatort' ein, weil sie den Vorspann sehen wollen, sondern weil sie eine interessante Geschichte erwarten." Zudem neige der Senat zu der Auffassung, dass irgendwann Verjährung eingetreten sei. Die Frage sei nur wann.

Dagegen betonte Böttrich-Merdjanowas Anwalt: "Jeder Urheber hat Anspruch auf eine angemessene Beteiligung aus jeder Nutzung." Die einmalige Vergütung in Höhe von 2.500 Mark sei "lächerlich". BR und WDR wollten die Grafikerin "mit einer minimalen Vergütung abspeisen". Zumal man ihr damals gesagt habe, es werde ein Pilotfilm gemacht. Auf ihre Nennung als Urheberin habe diese nie verzichtet.

Der Anwalt der beiden Fernsehsender, Martin Diesbach, verwies auf die "erheblichen" Folgen eines für die Grafikerin positiven Urteils über die Medienbranche hinaus. "Da könnte der Erbe des Schöpfers des Mercedes-Sterns kommen und Auskunft verlangen, wie oft dieser verwendet worden ist. Das kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein."

Über einen Zeitraum von 40 Jahren Auskunft zu geben, wann und wie oft der Vorspann oder Teile daraus von den Sendeanstalten verwendet worden sei, würde Monate dauern, sagte Diesbach. Dies sei "vom Ausmaß in großen Teilen schlechterdings nicht zu leisten". Ohnehin sei der Vorspann wie das Logo auch "dafür da, mehrfach verwendet zu werden".

Unterstützt wird die Grafikerin von Schauspieler Horst Lettenmayer. Dessen Augen und Beine sind in dem Vorspann zu sehen. Lettenmayer erhielt für seinen Kurzauftritt damals 400 Mark. Lettenmayers Anwalt, Christof Krüger, sagte der Nachrichtenagentur dapd, dieser unterstütze Böttrich-Merdjanowa, weil er ein Interesse daran habe, dass das Urteil zu ihren Gunsten ausfalle. "Wenn das Urteil zu ihren Gunsten ausfällt, werden wir selbst Klage vor dem Landgericht auf nachträgliche Vergütung einreichen. Wenn nicht, werden wir wahrscheinlich die Finger davon lassen."

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13 Kommentare

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  • NF
    Norman Frey

    "Die Leute schalten kaum den 'Tatort' ein, weil sie den Vorspann sehen wollen, sondern weil sie eine interessante Geschichte erwarten.

     

    Nö, ich schaue mir ungelogen schonmal nur den Vorspann an und finde die Geschichten langweilig. Allerdings hauptsächlich wegen der Musik.

  • S
    Sandy

    Da sollten sich die Richter wohl mal den Vorspann von

    'Mission: Impossible' (1966) oder 'James Bond ...'

    (alle ab 1962 bis 1969) ansehen - dann werden sie vielleicht erkennen, dass der 'schoepferische Wert' des betreffenden Intros wohl eher unterhalb des Mittels anzusiedeln ist (Copy-Paste gab's auch damals schon) bzw. keine 'eigene, herausragende Originalitaet' besitzt. (Volkes Zorn wird mich gleich treffen, ich weiss.)

     

    Es ist schon erstaunlich, dass Dank der 50 Jahre andauernden, manipulativen Eigenwerbung der oeffentlich, rechtlichen Sender, es eine derart schlechte Serie bis in die heutige Zeit geschafft hat. Aber hier gilt wohl einfach das Gesetz des Informationsmonopols, das ARD/ZDF erst Anfang der 1991'er teilweise an die Privaten abgaben - und natuerlich hat 'jeder deutsche Schauspieler' ob heute noch bekannt oder nicht, versucht da einmal 'mitzuspielen', schliesslich war es fast die einzige Arbeitsbeschaffungsmassnahme dieser Art, in Zeiten, in denen Fernsehen noch die Wohnzimmer wohlig fuellen wollte.

     

    Kurz: Qualitaet sieht einfach anders aus.

     

    Aber - man (wie Frau) kann's ja mal versuchen,

    den Herrn Richtern ein wenig auf die nostalgische Druese zu druecken.

     

    Rechtlich ist es eine Lachnummer - aber bei den heutigen Rentenbescheiden (gerade in der Unterhaltungsbranche) kann ich diese zur Schau getragene Borniertheit vollkommen Nachvollziehen.

     

    Sicher wird die Graphikerin - oder Ihre Tochter - irgendwann auch nochmal Ihre Memoiren unter's Volk streuen wollen und da macht sich so eine Note immer ganz gut - schliesslich braucht es ja einen 'flotten Aufreisser' wie z.B. 'Im Auge des Tatorts!'

  • M
    Michael

    ...so ein Schwachsinn...

     

    ...im Vorspann gibt es noch "Linien" und "Kreise" und noch die Farben "rot" und "blau"...wer hat die erfunden?

     

    und dann noch (im Bericht extra erwähnt):

     

    ASPHALT!!!!

     

    Hui, das wird aber dann für die ARD (und somit uns allen) aber teuer...bei jedem Tatort wird dort Asphalt als stilistisches Mittel eingesetzt...ungeheuerlich...

    und die Asphaltindustrie hat bislang keinen einzigen Heller bekommen...

  • W
    wolf-v

    wenn der auftrag damals wirklich nur für einen vorspann eines piloten lautete, ist eine nachvergütung sicherlich richtig. denn im grunde ist die zigfache ausstrahlung dann ein vertragsbruch. die vergütung wäre sicherlich höher ausgefallen, wenn der auftrag über eine nutzung von 40 jahren plus ausgelegt worden wäre

     

    grundsätzlich haben urheber rechte, die auch vergütet werden müssen und wenn sich ein produkt erfolgreich entwickelt kann das auch nachforderungen beinhalten. es gibt genügend fälle in denen unternehmen einen "kleinen" auftrag erteilt haben, das werk dann aber in viel größerem umfang nutzen. im grunde ist das so, als ob freier fotograf/maler/künstler ein bild für eine ausgabe einer tageszeitung verkauft, dieses bild dann aber vom verlag für einen weltweite buchreihe genutzt wird.

     

    das die grafikerin erst mit 75 jahren klagt, wird wohl insbesondere daran liegen, dass sie klarheit in eine unklare rechtslage bringen will und wohl nicht mehr so abhängig von neuen aufträgen ist. denn ein junger grafiker würde sich mit einer solchen klage wohl für folgeaufträge disqualifizieren...

     

    dass das urheberrecht manchmal nachdenklich macht steht ausser frage, denke man nur mal an den bundesadler dessen nutzung der erbengemeinschaft jährlich vergütet werden muss.

     

    nuja, und letztendlich könnte man mal drüber nachdenken, ob der tatort nicht einen neuen vorspann gebrauchen könnte, ob das aber bezahlbar wäre ist auch wieder eine frage..

  • S
    Sebastian

    2500 dm waren damals sehr viel Geld! Bei Inflation von 2-3 Prozent entspräche der Betrag heute 3-4 tausend Euro - ich finde das angemessen.

  • A
    andré

    ich arbeite selber als freiberufler für den WDR.

    es ist normalerweise so, dass man die nutzungsrechte an seiner arbeit komplett auf den sender überträgt. anders ist das auch kaum machbar, man stelle sich vor, jeder grafiker würde nachrechnen lassen, wie oft denn sein vorspann gezeigt würde ... der aufwand stünde in keinem verhältnis.

     

    allerdings ist es üblich, dass man zum beispiel einem fotografen eine nutzungsgebühr für die nutzung seiner bilder bezahlt. das staffelt sich nach häufigkeit und verbreitungsgebiet. aber solche dinge klärt man, wenn man das bild freigibt und nicht jahrzehnte später.

     

    was ich nachvollziehen kann, ist, dass sie im abspann genannt werden möchte, das ist eigentlich üblich so.

  • D
    DerDemokrator

    2500 DM klingt zwar im Nachhinein als unfair. Ich halte das Honorar jedoch für ausreichend, denn dieses richtete sich nach dem damaligen Verkehrswert. Wenn Tatort gefloppt wäre hätte sie nicht mal Ansprüche gestellt.

    Man könnte die Grafikerin und den Schauspieler symbolisch am Erfolg beteiligen indem man sie zu Feierlichkeiten einlädt und ihnen Möglichkeiten zur Selbstvermarktung einräumt, aber rechtliche Ansprüche wären das falsche Signal.

    Ich kenne den Übersetzer einer weltberühmten Fernsehserie, er hat für seine Übersetzungen auch nur Zeilenhonorar erhalten obwohl er einige Worte erst erfunden hat. Dies geschah aber unter Billigung und nicht Weisung der Lizenzgeber. Das ist etwas grundsätzlich anderes.

     

    Ciao

    DerDemokrator

  • M
    mensing

    Wenn, wie im Text beschrieben, der Vorspann lediglich für einen Pilotfilm geplant war (und dies Inhalt des Vertrages war), dann hat die Grafikerin der Tatort-Serie das Recht auf eine Nachvergütung. Kann man in den Tarifvereinbarungen z.B. des AGD nachlesen.

     

    Die Frage ist nur, warum sie ihre Forderung nicht schon früher angemeldet hat.

  • E
    emil

    entweder es gibt einen vertrag der irgendwelche abgaben beinhaltet oder eben nicht.

     

    die grafikerin wurde bezahlt, der auftrag erledigt.

     

    und jordan hat ganz recht, wenn der tatort gefloppt wäre, wäre die grafikerin gewiss nicht der meinung, dass sie nun an den entstandenen kosten hätte beteiligt werden müssen.

     

    aber nur so geht es, sie muss mit drin hängen, tut sie jedoch nicht.

  • MB
    Marko B.

    2.500 DM - könnte man das mal in den historischen Kontext stellen? Meines Wissens lag 1968 der Durchschnittsverdienst bei rund 12.000 DM Brutto. 2.500 DM entspräche somit 2,5 Monatsgehältern. Ist das wenig, wie die Formulierung "gerade mal" nahelegt? Wieviel wurde denn damals für vergleichbare Dienstleistungen gezahlt?

  • J
    Jordan

    wirklich nicht nachvollziehbar: ich beauftrage einen Grafiker die Gestaltung für eine Unternehmung umzusetzen. Er willigt ein und zwar zu einem vereinbarten fixen Honorar - keiner zwingt ihn dazu. Die Unternehmung wird ein Erfolg und er soll noch mehr bekommen, obwohl er weder mit der Unternehmung selber noch mit dem unternehmerischen Risiko etwas zu tun hatte.

    ?

    wer argumentiert, er hätte zum Erfolg beigetragen, den muss man fragen, ob ich dann berechtigt werde ihn, im Misserfolgsfalle in die Teilhaftung zu nehmen?

     

    Das hat mit Urheberrecht wenig zu tun, sondern mit Anwälten, die sich Reviere schaffen, in denen sie geld verdienen können.

  • M
    Martin

    Bei dem Vorspann ist mein Auge zu sehen, bekomme ich dann Geld? Vom WDR, oder von der Graphikerin?

  • SS
    Stefan S.

    So ganz nachvollziehen kann man das nicht. Wenn man als Freiberufler irgendwelche grafischen Aufgaben übernimmt für zum Beispiel einen eShop und dieser dann überaus erfolgreich wird kann man doch wohl kaum erwarten das man neben der normalen Bezahlung später nachträglich am Umsatz beteiligt wird.