Gerichtsstreit über imitiertes Markenparfum: Alles nur geklaut?
Kniffliger Fall: Gilt das Urheberrecht auch für Düfte? Der Bundesgerichtshof urteilte jetzt: Aus einer Geruchsassoziation lässt sich keine juristische Verbindlichkeit ableiten.
BERLIN taz | Am 6. Mai hat der Bundesgerichtshof ein richtungsweisendes Urteil gefällt. Zumindest, was die Debatte um das Urheberrecht betrifft.
Eine Klägerin, die Parfüms bekannter Marken vertreibt, hielt den Handel der Firma Creation Lamis mit billigeren Imitaten der Markenparfums für wettbewerbswiedrig. Die Imitate seien als Kopien der Originale erkennbar. In seinem Urteil erklärte der Bundesgerichtshof nun, der Handel mit Parfumimitaten sei nicht unerlaubt.
Assoziationen zu anderen Parfüms seien keine Merkmale unlauteren Wettbewerbs. Selbst dann nicht, wenn es um die Aufmachung oder die Bezeichnung der Produkte gehe. Erst, sobald explizit mit der Ähnlichkeit zu einem bestimmten Original geworben werde, sei der Handel untersagt.
Patent für Gerüche?
Der Fall mag skurril wirken, doch das Urteil des Bundesgerichtshofs markiert eine juristische Grenze des vieldiskutierten Urheberrechts. Tatsächlich scheinen Copyright und Patente auf Düfte und die damit heraufbeschworenen Assoziationen kaum anwendbar zu sein.
Denn die Verbindung zwischen Originalparfum und Imitat ist eine kognitive Leistung desjenigen, der einen den Zusammenhang zwischen den beiden Düften herstellt. In gewissem Maße muss auch die Verbindung zwischen zwei Feuerzeugen zunächst gedanklich hergestellt werden. Doch ist die Nachvollziehbarkeit in der physischen Welt eher gegeben.
Das Bewusstsein dagegen ist rein subjektiv und für andere Menschen nicht zugänglich. Darum lässt sich aus einer Geruchsassoziation keine juristische Verbindlichkeit ableiten.
Creation Lamis hatte seine preiswerten Parfums vor einigen Jahren noch in einer Bestellliste angeboten. Darauf waren die Imitate gleich neben den teuren Originalen abgebildet. Eine solche Liste benutzt Creation Lamis inzwischen zwar nicht mehr, trotzdem ist die Klägerin entschlossen durch alle Revisionsinstanzen bis nach Karlsruhe gegangen. Der BGH war wohl vorerst die letzte Stelle, an der sie scheiterte.
Eine kontroverse Debatte über das Urheberrecht entfachte vor gut einem Jahr Helene Hegemanns Roman Axolotl Roadkill. Hegemann gab öffentlich zu, Teile ihres Buches aus den Texten eines Bloggers übernommen zu haben, der unter dem Pseudonym Airen im Internet publizierte. Daraufhin wurde ihr vorgeworfen, sie verletze das Urheberrecht und begehe Raub am geistigen Eigentum.
Doch schon im Abwägen des Für und Wider hat sich die Kategorie des "geistigen Eigentums" anhand dieser Debatte als brüchig und durchlässig erwiesen. Sprache, so wird von manchen argumentiert, ist Allgemeingut. Die anderen sagen, dass komplexe sprachliche Konstruktionen dennoch eine besondere, schützenswerte Errungenschaft darstellen. Dennoch bleibt der wirtschaftliche Besitzanspruch auf Wortkombinationen problematisch.
Im Falle des Parfümimitats sind nun nicht einmal mehr Wörter als Diskussionsgrundlage vorhanden, sondern nur bestimmte sensorische Regungen. Das Dilemma ist, dass die Klägerin aufgrund der billigen Konkurrenz möglicherweise existenziell unter Druck steht. Gleichzeitig aber kann man erleichtert sein, dass es offenbar noch Daten gibt, die sich nicht ohne weiteres erfassen lassen. Zumindest noch nicht.
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