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Gerichtshof für MenschenrechteImmunität gilt auch bei Folter

Vier Briten sind in Saudi-Arabien gefoltert worden. In England können sie nicht klagen, wegen der Immunität der Staaten. Der EGMR billigte das – noch.

Lehnte die Klage der vier Briten ab: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Bild: dpa

FREIBURG taz | Staaten und ihre Repräsentanten können auch bei Folter-Vorwürfen nicht in anderen Staaten vor Gericht gestellt werden. Diese Staaten-Immunität hat nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem englischen Fall bestätigt. Allerdings sei die völkerrechtliche Entwicklung im Fluss und zukünftige Urteile könnten anders ausgehen, so die Straßburger Richter.

Geklagt hatten vier Engländer, die in den Jahren 2000 und 2001 in Saudi-Arabien lebten und dort von den Sicherheitsbehörden inhaftiert und gefoltert worden waren. Anlass war eine Serie von Bombenanschlägen, die die Polizei den Westlern in die Schuhe schieben wollte.

Die Männer wurden geschlagen, an den Armen aufgehängt, am Schlaf gehindert und bekamen Drogen eingeflößt. Einer der Männer sei auch vergewaltigt worden. Am Ende unterschrieben sie Schuldeingeständnisse und mussten diese sogar im Fernsehen vorlesen. Erst nach einem weiteren Anschlag, der dann eindeutig Al Qaida zugerechnet werden konnte, wurden die Männer 2003 frei gelassen.

Sie versuchten nun, vor englischen Gerichten Schadensersatz von Saudi-Arabien zu erstreiten. Doch das scheiterte schon im Ansatz, denn nach dem völkerrechtlichen Prinzip der Staatenimmunität können Staaten nicht über andere Staaten zu Gericht sitzen. Der englische Court of Appeal ließ zwar zunächst Klagen gegen konkrete, namentlich bekannte saudische Folterer zu. Doch das House of Lords hob das Urteil 2006 wieder auf. Die Immunität der Staaten erstrecke sich auch auf deren Repräsentanten. Die Männer hätten also nur in Saudi Arabien klagen können, was sie aus naheliegenden Gründen nicht für aussichtsreich hielten.

Stattdessen schalteten die vier Briten den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ein. Ihr Recht, Gerichte anzurufen, sei unnötig stark eingeschränkt worden. Zumindest wenn es um Folter geht, müsse es Ausnahmen von der Staatenimmunität geben.

Staaten-Immunität als sinnvolles Prinzip

Der Straßburger Gerichtshof lehnte die Klage nun mit 6 zu 1 Stimmen ab. Die Immunität von Staaten sei ein sinnvolles Prinzip. Sie sei eine Folge der staatlichen Souveränität und fördere das gute Verhältnis der Staaten untereinander. Auch im Fall von Menschenrechtsverletzungen gebe es völkerrechtlich bisher keine Ausnahmen. Dies habe erst 2012 der Internationale Gerichtshof in Den Haag bekräftigt. Dort ging es um italienische Weltkriegsopfer, die vor italienischen Gerichten von Deutschland Schadensersatz erstreiten wollten.

Nicht so eindeutig sei die Rechtslage aber in Bezug auf konkrete Staatsrepräsentanten, erklärten die Straßburger Richter. Hier werde in der Wissenschaft und von einzelnen Gerichten zunehmend eine Ausnahme von der Immunität gefordert, wenn es um Folter und ähnliche Vorwürfe gehe. Noch seien diese Stimmen zwar nicht maßgeblich, mit weiteren Entwicklungen sei aber zu rechnen.

Die Klagen der Briten waren damit zwar erfolglos und sie stehen mit leeren Händen da. Der Straßburger Gerichtshof bereitet die Staaten und die Öffentlichkeit aber bereits darauf vor, dass sich seine Immunitäts-Rechtsprechung bald auch ändern kann.

Az.: 34356/06 u.a.

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9 Kommentare

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  • Seltsam - dann gilt die Staatenimmunität nicht für Rußland, das soeben wegen der Abschiebung von Georgiern nach Georgien vor acht Jahren verurteilt wurde?

    Oder liegt hier der Fall anders? Wäre Saudi-Arabien verurteilt worden, wenn es die vier Briten nach Großbritannien abgeschoben hätte? Bin verwirrt.

  • TE
    Thomas Ebert

    Auf welcher Grundlage wurde Slobodan Milosewitsch vor Gericht gestellt? Er war doch Repräsentant eines Staates und daher rechtlich immun, oder? Oder gilt diese Regelung nicht für Verbündete Rußlands?

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    "Die Immunität von Staaten sei ein sinnvolles Prinzip. Sie sei eine Folge der staatlichen Souveränität und fördere das gute Verhältnis der Staaten untereinander."

     

    In der Tat. Sie ermöglicht uns unter anderem, weiterhin freundliche Beziehungen zu den USA zu unterhalten.

    • L
      Leserin
      @889 (Profil gelöscht):

      Sie tun mir leid, warum erhebt niemand mal die Stimme gegen Saudi Arabien? Die Antwort: Weil es weh tuen würde. Weil diese auf dem Öl sitzen und in der Laage sind ihr Büttel in den Heimatländern der Klagenden zu aktivieren.

      Davor haben doch alle mitlerweile Angst, dann doch lieber auf Nebenschauplätze abschwenken. Israel und USA geht ja immer.

  • P
    PeterWolf

    Dann waren die Nürnberger Prozesse rechtswidrig?

    Erstaunliches Urtei!

  • N
    NoMercyWithRapers

    Die ganze Foltermisere wird reichlich spät publiziert. Es wäre schön, wenn das früher bekannt geworden wäre, wo die Pakete von westlichen Militärs an die Opfer hätten übergeben werden können. So müßte man es irgendwie über Karawanen hinbekommen.

  • N
    NoMercyWithRapers

    Das Druckmittel ist einfach Publicity. Die Opfer müssen ihre TäterInnen

    weltweit an den Pranger stellen.

    Die Folterer müssen ein Gesicht und eine Stimme bekommen, sofern die Beweislast einer richterlichen Verurteilung ohne Immunität zweifelsfrei standhält!!!

    Gerade Saudi-Arabien ist auf westliche Investoren, MieterInnen und TouristInnen mit angewiesen. Die Gefahr mit Angst betrachtet zu werden,

    schadet den Saudis selbst auch stark. Die Folterer werden so nicht mehr tragbar.

    Sie müssen weltweit nicht mehr hoffähig gemacht werden und einen untolerierbaren Imageschaden, eine Schande für das Land darstellen. Jeder muss sich schämen mit den FolterInnen auf ein Bild zu kommen. Es muss sich auf das Geschäft auswirken.

    Die Schadenssummen müssen im dreistelligen Millionenbereich liegen, wenn

    das Königshaus mit verwickelt sein sollte.

    Die Opfer haben ein Teil dieses Geldes an die unschuldig verwundeten Briten zu übergeben und an die afghanischen Opfer- und Irakopferfamilien und zwar in Form von Verpflegungsabonnements inklusive Bildung, Handwerk, Landwirtschaft im Einvernehmen mit den dortigen Dorfclans mit der Absicht auf Frieden und Verbesserung der Lebensumstände.

    Nach Afghanistan und Irak dürfen zu 80% nur Sachspenden rübergereicht werden.

    20% des Vermögens an die Opferfamilien muss muss zu 10% dort auszahlbar sein und

    zu 90% auf ausländischen Banken sicher gestreut sein mit Zugang zum Geld nur a:

    via Paketlieferservice von Produkten, Bezahlung erst bei treuhänderischen Beweis

    der Paketannahme+ Foto+Fingerabdruck+Smartphone-Skype-Beitrag via Satellitenkommunikation.

    4-8 Mio $ dürfen sich die Folteropfer selbst einstecken!

    Aber wehe, wenn das eine Rufmordkampagne war! Es sollte wirklich stimmen!

    Das eigene Leid sollte das Leid der armen Zivilopfer in Irak und Afghanistan NICHT vergessen lassen. Die Opfer dieser Auseinandersetzungen sollten zusammenhalten!

  • England ist selbst ein Folterstaat: Gerade eben wurde bekannt, dass englische Soldaten im Irak systematisch und brutal Gefangene folterten.

  • IV
    Immunität von Staaten fördere das gute Verhältnis der Staaten untereinander

    Bleibt nur noch die geheimdienstliche Liquidation mittels unbemannter Flugobjekte ;)