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Gericht zu G20-ProtestcampZu viele Schlafzelte, zu wenig Programm

Beim Hamburger G20-Gipfel gab es 2017 nach langem Ringen nur ein kleines Protestcamp. Zu Recht, entschied das Bundesverwaltungsgericht nun.

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Die Einschränkung des G20-Protestcamps in Hamburg 2017 war rechtmäßig Foto: reuters/ Hannibal Hanschke

Leipzig taz | Das G20-Protestcamp im Sommer 2017 durfte verboten und beschränkt werden, denn es war keine vom Grundgesetz geschützte Versammlung. Dies stellte am Mittwochabend das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fest. Die Übernachtungsmöglichkeiten hätten vor allem Menschen gedient, die Veranstaltungen außerhalb des Camps besuchen wollten.

Zum mehrtägigen G20-Gipfel in Hamburg wurden tausende Protestierende aus ganz Deutschland und Europa in der Hansestadt erwartet. Sie sollten in zwei großen Protestcamps unterkommen, diese wurden jedoch aus Angst vor Störungen verboten. Erst nach einer Intervention des Bundesverfassungsgerichts billigte die Stadt am Rand des Volksparks Altona ein kleineres Camp mit maximal 300 Schlafzelten. Am Ende duldete die Polizei 1000 Zelte.

Die Veranstalter, darunter das globalisierungskritische Netzwerk Attac, erhoben 2018 Klage. Sie beantragten die Feststellung, dass die anfängliche Verhinderung des Camps und die spätere Beschränkung rechtswidrig waren. Das Camp unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“ sei eine geschützte Versammlung gewesen. Beim Verwaltungsgericht und beim Oberverwaltungsgericht in Hamburg hatten die Kläger jedoch keinen Erfolg. Jetzt musste in der Revision das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.

Ob die Infrastruktur von Protestcamps – Schlafzelte, Küchen und Toiletten – von der Versammlungsfreiheit geschützt wird, ist in der Rechtswissenschaft schon lange umstritten. Auch das Bundesverfassungsgericht ließ dies 2017 in seiner Eilentscheidung ausdrücklich offen, weil die Frage so komplex sei.

Logistisch erforderlich?

Für eine erste Klärung sorgte 2020 das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil zum Klimacamp in Garzweiler. Damals entschieden die Richter: Ein Camp ist selbst als Versammlung geschützt, wenn es einen klaren Beitrag zur Meinungsbildung leistet, etwa gegen ein Vorhaben protestiert. Die zugehörige Infrastruktur ist vom Schutz mit umfasst, wenn sie „logistisch erforderlich“ ist. Beim Klimacamp war dies der Fall, weil es im ländlichen Raum um Garzweiler keine ausreichenden Übernachtungsmöglichkeiten gab. Schon damals hielten die Leipziger Rich­te­r:in­nen aber fest: Es genüge nicht, dass die Infrastruktur Menschen dient, die an Veranstaltungen außerhalb des Camps teilnehmen.

Diese Maßstäbe legte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg 2023 an, als es über das Protestcamp im Altonaer Stadtpark urteilte und dessen Versammlungs-Charakter verneinte. Die Zelte seien für die Durchführung des Protestcamps nicht erforderlich, es gebe in Hamburg „eine ausreichende Anzahl von bezahlbaren Unterkünften“. Das Programm des Camps sei zu dünn, um die geplanten bis zu 7.000 Teil­neh­me­r:in­nen einzubinden. Die vielen Schlafzelte dienten wohl eher der Beherbergung von Teil­neh­me­r:in­nen an anderen Gipfel-Protesten.

In Leipzig argumentierte die Attac-Anwältin Ulrike Donat, dass das gesamte Camp mit allen Zelten eine gemeinsame Botschaft hatte. „Das Camp sollte bezeugen, dass ein einfaches Leben möglich ist“, sagte Donat. In Veranstaltungszelten sollten die Themen des Gipfels und des Gegen-Gipfels diskutiert werden. Die Schlafzelte seien auch logistisch notwendig gewesen, denn während des Gipfels habe es in Hamburg keine bezahlbaren Unterkünfte mehr gegeben. Dass Camp-Bewohner auch zu anderen Veranstaltungen in der Innenstadt gehen, habe nicht verhindert werden können, erklärte Attac-Anwältin Donat, „man kann ja nicht einfach sagen: Du bleibst jetzt hier“.

Beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte Attac mit diesen Argumenten aber keine Chance. Denn schon das OVG hatte festgestellt, dass die Camp-Infrastruktur vor allem auf die Beherbergung von Menschen ausgerichtet war, die an anderen Protest-Veranstaltungen teilnehmen wollten. Und diese Feststellungen mussten in der Revision, wo es nur noch um Rechtsfragen geht, zugrunde gelegt werden. Auf das Konzept des Protestcamps und die Hotelpreise während des Gipfels kam es daher gar nicht mehr an. Der Vorsitzende BVerwG-Richter Ingo Kraft betonte: „Bei gemischten Versammlungen kommt es auf das Gesamtgepräge an“. Wenn die Beherbergung-Infrastruktur deutlich überwiege, liege keine Versammlung vor.

Anwältin Donat prüft nun eine Verfassungsbeschwerde. „Das Grundproblem ist, dass hier jede Protest-Veranstaltung getrennt betrachtet wird und nicht der gesamte G20-Protest gemeinsam“, sagte sie nach der Verhandlung.

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1 Kommentar

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  • "Anwältin Donat prüft nun eine Verfassungsbeschwerde. „Das Grundproblem ist, dass hier jede Protest-Veranstaltung getrennt betrachtet wird und nicht der gesamte G20-Protest gemeinsam“, sagte sie nach der Verhandlung."

    Diese Sichtweise ist problematisch und wird auch vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Mit dieser Argumentation würden Angehörige des einen Protestes mit Angehörigen des anderen Protestes in Sippenhaft genommen. Beispielweise würden gewaltlose Christen mit Vertretern des schwarzen Blocks in einen Topf geworfen oder gar ukrainische Flüchtlinge mit Vertretern des BSW an einem Wochenende mit Friedensdemonstrationen.

    Wenn man sich einmal nur ein paar Konstellationen anschaut, weiß man, die Argumentation der Attac-Anwältin ist unmöglich.