Gerechtigkeitsdebatte im Fußball: Eine Frage der Solidarität
Der FC St. Pauli will Bundesligaklubs von der Fernsehgeldverteilung ausschließen, die von der Aushöhlung der 50+1-Regelung profitieren.
![Ein Kameramann sitzt während eines Fußballspiels hinter seinem monströsen Aufnahmegerät und beobachtet das Spielgeschehen durch die Linse seiner Kamera. Ein Kameramann sitzt während eines Fußballspiels hinter seinem monströsen Aufnahmegerät und beobachtet das Spielgeschehen durch die Linse seiner Kamera.](https://taz.de/picture/816213/14/0220.jpg)
Zwei Themen werden in diesem schon jetzt viel diskutierten Papier verbunden: Die zentrale Vermarktung und Verteilung der TV-Einnahmen und die Aushöhlung der sogenannten 50+1-Regel, die Investoren verbietet, ungeachtet der Höhe ihrer Anteile die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben.
Konkret schlägt der FC St. Pauli vor, Vereine, die von Ausnahmeregelungen der 50+1-Regelung profitieren, von der Verteilung der Einnahmen aus der TV-Vermarktung von Spielen auszuschließen. Das beträfe bislang Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim, von 2017 an auch Hannover 96.
Die betroffenen Klubs weisen das Ansinnen erwartungsgemäß scharf zurück. Hannovers Vereinspräsident Martin Kind erklärte: „Wir denken, dass dieser Antrag nicht mehrheitsfähig sein wird. Sollte ihm stattgegeben werden, ist die Zentralvermarktung am Ende, dann würde es eine Einzelvermarktung geben.“ Viele Zweitligisten würden künftig noch weniger Geld einnehmen als bisher. Kurzum: Den Hamburgern wird vorgeworfen, die beklagte Ungerechtigkeit mit ihrem Engagement selbst weiter voranzutreiben. Zur von St. Pauli problematisierten Aushöhlung der 50+1-Regel äußerten sich die betroffenen Klubs nicht.
Nicht auf dem Holzweg
Bei St. Pauli wollten sich die Verantwortlichen nicht zu den Vorwürfen äußern. Pressesprecher Christoph Pieper erklärte: „Wir wollen uns erst einmal mit den anderen Klubs über unsere Beweggründe unterhalten.“ Dass man sich aber bereits im Vorfeld der Initiative die Unterstützung von einigen Vereinen zugesichert hat, wollte er nicht leugnen. Zu einem entsprechenden Bericht der Welt erklärte Pieper: „Die sind sicherlich nicht auf dem Holzweg.“
Am Montag trauten sich die offenbar mit St. Pauli sympathisierenden Vereine nicht so recht aus der Deckung. Lediglich Christian Heidel, der Manager von Mainz 05, unterstrich, dass der FC St. Pauli eine berechtigte Debatte angestoßen hat: „Vereine, die aufgrund einer Ausnahmegenehmigung unter anderem Verluste aus dem operativen Fußballgeschäft durch ihren Mutterkonzern oder Mehrheitsgesellschafter ausgleichen, haben unbestritten wirtschaftliche Vorteile gegenüber den Klubs, die ihre Ausgaben für den Fußball durch Einnahmen aus dem Fußball ausgleichen müssen.“
Deshalb sollte man diskutieren können, ob künftig neben sportlichen Kriterien auch wirtschaftliche Parameter bei der Verteilung der TV-Gelder Berücksichtigung finden sollen, „ohne dies sofort als Ende der Solidargemeinschaft der Bundesligen zu sehen.“ Einen kompletten Wegfall der TV-Gelder für die vier Ausnahmeklubs, schränkte Heidel indes ein, halte er nicht für gerechtfertigt.
Zumindest von einer offenen Debatte hält man beim Hamburger SV dagegen nicht viel. Jörn Wolf, der HSV-Mediendirektor, sagte: „Man muss sich nicht zu jedem Käse äußern.“ Es müsse nicht jeder Verein im Vorfeld dazu etwas sagen. Die Liga werde das gemeinsam tun.
Die Erfolgschancen, dass die investorenfreundlichen Geschäftsmodelle der Liga von der DFL-Versammlung in Frankfurt im Sinne von St. Paulis Antrag abgestraft werden, sind gewiss eher gering. Zumal sich selbst kleinere Erstligavereine wie Darmstadt 98 oder der FC Ingolstadt vor dem drohenden Szenario einer Aufkündigung der Zentralvermarktung mehr fürchten als der Kultklub St. Pauli. Und der FC Bayern droht ja schon lange mit einem Ausstieg aus der Solidargemeinschaft.
(Mitarbeit Alina Schwermer)
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