Geplante Schulöffnungen in Berlin: Eine Debatte wie aus dem Lehrbuch
Berlin öffnet ab Montag schrittweise die Schulen. Das wird viel kritisiert. Ergänzt wird die Debatte um die Frage: Wie umgehen mit den Kitas?
Auch LandesschülerInnensprecher Richard Gamp forderte im Gespräch mit der taz, „am Homeschooling festzuhalten, bis die Corona-Infektionen deutlich zurückgegangen sind“. Zudem hätten die Schulleitungen und LehrerInnen gar nicht die Möglichkeit gehabt, einen sicheren Präsenzunterricht zu organisieren. „Die Schulen wurden da mal wieder ins kalte Wasser geworfen. Insgesamt ist die Kommunikation einfach furchtbar schlecht.“
Ab Montag sollen zunächst die abschlussrelevanten Jahrgänge Wechselunterricht erhalten, also die Kombination aus Unterricht in der Schule und zu Hause. Dabei sollen die Lerngruppen maximal halb so groß sein wie üblich. Eine Woche später sollen nach diesem Modell dann die Erst- bis Drittklässler, ab 25. Januar auch die anderen drei Grundschulklassen unterrichtet werden.
Im Berliner Abgeordnetenhaus unterschieden sich dazu am Donnerstag bei einer Sondersitzung die Meinungen deutlich – auch innerhalb der rot-rot-grünen Koalition. Die Debatte setzte sich am Freitag mit Vehemenz fort, besonders in den sozialen Medien.
Es meldeten sich aber auch Befürworter der Regelung, etwa der Bildungsdirektor der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Andreas Schleicher. „Gerade in den ersten Schul- und Lebensjahren ist der Präsenzunterricht einfach nicht ersetzbar“, sagte er im RBB. „Insofern ist der Ansatz in Berlin, wenn das die Gesundheitslage zulässt, sehr vernünftig.“
In Brandenburg wurde hingegen die Schulschließungen bis zum 22. Januar verlängert – was prompt Kritik des Landeselternrats hervorrief. „Wir hangeln uns von einem Provisorium ins nächste“, sagte deren Vorsitzender Renè Mertens am Freitag der dpa. Die Verlängerung der Schließungen sei zu spät bekanntgegeben worden, so Mertens. Er kritisierte, das Schulungen für die Lern-Cloud jetzt erst anliefen. Nur 500 von 900 Schulen seien in der Cloud.
Bei Wechselunterricht bleibt das Betreuungsproblem
Mit Blick auf den Stufenplan für schrittweise Öffnungen forderte er, dass die Grundschulen nach dem 22. Januar ohne Wechselunterricht zurückkehren sollen. Bei Wechselunterricht bleibe das Betreuungsproblem. „Das hilft weder den Schülern noch den Eltern“, kritisierte Mertens. Der Elternrat befürchtet, dass durch die Schließungen der Bildungsrückstand immer größer werde.
Am Freitag rückte in Berlin der Umgang mit den Kitas in den Fokus. Elternvertreter und Verbände forderten deren verlässliche Öffnung. Seit dem 16. Dezember wird dort lediglich eine Notbetreuung für wenige Kinder angeboten, deren Eltern keine andere Möglichkeit haben.
Mindestens fünf Stunden Kita am Tag
„Die Kita als wichtige Bildungsmöglichkeit muss für alle Kinder zugänglich bleiben“, erklärte die Vorsitzende des Landeselternausschusses Kindertagesstätten, Corinna Balkow. Viele Eltern hätten nur die Wahl zwischen ihrer Arbeitstätigkeit und der Gesundheit ihrer Familie. „Daher unterstützen wir eine Betreuungsmöglichkeit, die sich am Bedarf der Familien und dem erforderlichen Gesundheitsschutz orientiert.“ Neben finanziellem Ausgleich und arbeitsrechtlicher Absicherung für alle Familien müsse die Perspektive eines Kita-Besuchs für alle Kinder bestehen. Als Untergrenze beim Betreuungsumfang nannte Balkow fünf Stunden am Tag.
Ähnlich äußerten sich die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege (Liga Berlin) und der Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS). Alle Kinder, deren Eltern dies wünschten, müssten in den Kitas in stabilen Kleingruppen betreut werden, forderte die Vorsitzende des Liga/DaKS-Fachausschusses Kindertagesbetreuung, Dorothee Thielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug