Georgiens Ukraine-Kurs: Vornehme Zurückhaltung
Das einst westlich orientierte Georgien nimmt immer mehr Rücksicht auf Russland. Der große Nachbar kontrolliert große Gebiete des Kaukasuslandes.

Übung auf dem Schießplatz Tarskoje, Nordossetien Foto: Olga Smolskaya/TASS/imago
BERLIN taz | Die Ukraine kann sich dieser Tage vor internationalen Solidaritätsbekundungen kaum noch retten. Mit einer Resolution, die das Parlament verabschiedet hat, schließt sich jetzt auch Georgien der Gruppe der Schwurbler*innen an. Das Dokument lässt tief blicken.
Darin ist zwar von einer Sorge angesichts einer möglichen militärischen Eskalation in der Ukraine die Rede. Auch fehlt der Hinweis nicht, dass ein Beitritt zur Nato das Recht eines jeden Staates und Versuche unannehmbar seien, dieses Recht durch militärische oder politische Mittel zu beschränken. Eine Erwähnung Russlands sucht man jedoch vergebens.
Die vornehme Zurückhaltung von Tiflis hat Gründe. Denn die Südkaususrepublik weiß spätestens seit ihrem Krieg gegen Russland um Südossetien im Jahr 2008, was Respekt gegenüber der Souveränität und territorialen Integrität eines Staates bedeuten: nichts. De facto kontrolliert Moskau über seine Militärpräsenz in den Regionen Südossetien und Abchasien 20 Prozent des Territoriums. Und es geht lustig weiter.
Im Zuge der „Borderization“ – verschiebt sich die „Grenze“ langsam, aber stetig, von Südossetien aus immer weiter ins georgisches Gebiet hinein und das auch noch vor den Augen einer Beobachter*innenmission der EU. Unlängst stoppte die abchasische Regierung ein Programm der EU und UNO über vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Georgier*innen und Abchas*innen. Nicht schwer zu erraten, auf wessen Mist diese Initiative gewachsen ist.
Dennoch spricht Russlands Außenminister Sergej Lawrow, so geschehen nach dem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Antony Blinken im Januar, davon, es sei Zeit, die Beziehungen zu Georgien zu normalisieren. Das ist zwar blanker Hohn, aber durchaus nicht ausgeschlossen, der georgischen Regierung sei Dank. Denn die scheint sich immer weiter von westlichen Werten zu entfernen. Das war bei der Durchführung der letztjährigen Kommunalwahlen genauso zu beobachten wie beim brutalen Umgang mit Demonstrierenden – besonders dann, wenn unter ihnen auch Russland kritische Töne laut werden.
Enthaltung der Opposition
Apropos Opposition: Deren Vertreter*innen im Parlament, die es immerhin noch gibt, enthielten sich bei dem Votum über die Resolution aus Protest der Stimme. Dafür mussten sie sich vorwerfen lassen, sie wollten die Ukraine und Georgien im Krieg sehen.
Eine Art Feldzug führt die Regierungspartei „Georgischer Traum“ gegen ihre Kritiker*innen hingegen schon lange. Und so dürfte die jüngste Erklärung zur Ukraine die Gesellschaft weiter polarisieren, was auch die innenpolitische Instabilität befördern wird. Wo dabei der lachende Dritte sitzt, ist klar: Im Kreml, wo sonst.
Georgiens Ukraine-Kurs: Vornehme Zurückhaltung
Das einst westlich orientierte Georgien nimmt immer mehr Rücksicht auf Russland. Der große Nachbar kontrolliert große Gebiete des Kaukasuslandes.
Übung auf dem Schießplatz Tarskoje, Nordossetien Foto: Olga Smolskaya/TASS/imago
BERLIN taz | Die Ukraine kann sich dieser Tage vor internationalen Solidaritätsbekundungen kaum noch retten. Mit einer Resolution, die das Parlament verabschiedet hat, schließt sich jetzt auch Georgien der Gruppe der Schwurbler*innen an. Das Dokument lässt tief blicken.
Darin ist zwar von einer Sorge angesichts einer möglichen militärischen Eskalation in der Ukraine die Rede. Auch fehlt der Hinweis nicht, dass ein Beitritt zur Nato das Recht eines jeden Staates und Versuche unannehmbar seien, dieses Recht durch militärische oder politische Mittel zu beschränken. Eine Erwähnung Russlands sucht man jedoch vergebens.
Die vornehme Zurückhaltung von Tiflis hat Gründe. Denn die Südkaususrepublik weiß spätestens seit ihrem Krieg gegen Russland um Südossetien im Jahr 2008, was Respekt gegenüber der Souveränität und territorialen Integrität eines Staates bedeuten: nichts. De facto kontrolliert Moskau über seine Militärpräsenz in den Regionen Südossetien und Abchasien 20 Prozent des Territoriums. Und es geht lustig weiter.
Im Zuge der „Borderization“ – verschiebt sich die „Grenze“ langsam, aber stetig, von Südossetien aus immer weiter ins georgisches Gebiet hinein und das auch noch vor den Augen einer Beobachter*innenmission der EU. Unlängst stoppte die abchasische Regierung ein Programm der EU und UNO über vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Georgier*innen und Abchas*innen. Nicht schwer zu erraten, auf wessen Mist diese Initiative gewachsen ist.
Dennoch spricht Russlands Außenminister Sergej Lawrow, so geschehen nach dem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Antony Blinken im Januar, davon, es sei Zeit, die Beziehungen zu Georgien zu normalisieren. Das ist zwar blanker Hohn, aber durchaus nicht ausgeschlossen, der georgischen Regierung sei Dank. Denn die scheint sich immer weiter von westlichen Werten zu entfernen. Das war bei der Durchführung der letztjährigen Kommunalwahlen genauso zu beobachten wie beim brutalen Umgang mit Demonstrierenden – besonders dann, wenn unter ihnen auch Russland kritische Töne laut werden.
Enthaltung der Opposition
Apropos Opposition: Deren Vertreter*innen im Parlament, die es immerhin noch gibt, enthielten sich bei dem Votum über die Resolution aus Protest der Stimme. Dafür mussten sie sich vorwerfen lassen, sie wollten die Ukraine und Georgien im Krieg sehen.
Eine Art Feldzug führt die Regierungspartei „Georgischer Traum“ gegen ihre Kritiker*innen hingegen schon lange. Und so dürfte die jüngste Erklärung zur Ukraine die Gesellschaft weiter polarisieren, was auch die innenpolitische Instabilität befördern wird. Wo dabei der lachende Dritte sitzt, ist klar: Im Kreml, wo sonst.
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Kommentar von
Barbara Oertel
Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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