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Georg Löwisch über Martin Schulz' Rückkehr in die Bundes-SPDMut zum Wettbewerb

Der SPD bietet sich eine Chance, die sie besser nicht vergurken sollte. Martin Schulz geht von Straßburg nach Berlin, der Präsident des Europaparlaments will 2017 in den Bundestag einziehen. Ihn nun so schnell wie möglich zum Kanzlerkandidaten auszurufen wäre aber das Dümmste, was die Partei tun könnte.

Alle potenziellen SPD-Kandidaten haben Stärken und Schwächen. Warum soll nicht die Basis herausfinden, wer der richtige ist? Da ist Parteichef Sigmar Gabriel. Sein Minus: Er oszilliert seit 2013 zwischen den Rollen. Mal Gewerkschaftsfreund, mal Industriekumpel, bald Rüstungsexportgegner und dann wieder -genehmiger. Sein Plus: Ein Profi, der mit der seltsamen Seele seiner Partei umzugehen weiß. Dann Martin Schulz. Minus: null Erfahrung mit Sozial- oder Innenpolitik. Plus: Er kann begeistern und hat im Alleingang das Europaparlament gegen Regierungen und Eurokraten gestärkt. Schließlich Olaf Scholz. Minus: Hamburgs Bürgermeister kann Reden halten, die sich anhören wie die Telefonschleife eines Katasteramtes. Plus: Als Regierungstechnokrat wird er viele beruhigen, denen die Perspektive von Rot-Rot-Grün Angst einflößt.

Eine Urwahl brächte der Partei Aufmerksamkeit und würde im Wahljahr die Basis beleben. Gabriel stünde als gewählter Kanzlerkandidat besser da denn als Vorsitzender, der sich trotz Grummeln und Hadern selbst ausruft. Verlöre er den Basistest, hätte er als Kandidat keine Chance; nach der Vollklatsche wäre der Vorsitz eh weg.

Wahrscheinlicher ist, dass die SPD-Spitze schon jetzt überlegt, wer nach einer neuerlichen Niederlage am wenigsten schlecht dasteht und danach Vorsitzender einer Kleinpartei sein darf. Eine Logik der Loser – man kennt sie schon aus den chronisch erfolglosen SPD-Verbänden im Süden. Aber in diesem Wahljahr darf es nicht darum gehen, schon vorher Niederlagen zu verteilen. Nur wenn die SPD Mut zu einem wirklichen Wettbewerb findet, findet sie auch einen Kanzlerkandidaten, der den Namen verdient.

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