piwik no script img

Gentrifizierung in GroßstädtenMeckern auf hohem Niveau

Kommentar von Wolkje Lenz

Der Kampf um Wohnraum betrifft fast alle Großstädter. Wer es sich leisten kann, beschwert sich lautstark. Was ist mit denen, die das nicht können?

Ob Prenzlauer Berg in Berlin, Ehrenfeld in Köln oder die Neustadt in Dresden: Jede Großstadt hat ihre Trendviertel Foto: Luna Afra Evans (Foto) und Zoë Matt-Williams (Illustration)

O b Prenzlauer Berg in Berlin, Ehrenfeld in Köln oder die Neustadt in Dresden: Jede Großstadt hat ihre Trendviertel. Doch die waren nicht immer die beliebtesten und teuersten Gegenden. Früher lockten sie mit günstigem Wohnraum. Vor allem Kunstschaffende und Studierende mit geringem Budget kamen dort unter. Je mehr Freigeister sich versammelten, desto beliebter wurde der „alternative Vibe“ der (noch) geheimen Lieblingsviertel. Doch die Ruhe sollte nicht lange währen. Denn Investoren erschnüffeln bekanntlich schnell, wo Geld versteckt ist. Mit der Zeit beginnen die Fassaden der oft baufälligen Gebäude wortwörtlich zu bröckeln, Handwerker stürmen die Wohnungen, sanieren, renovieren, bauen. Und auf einmal rollen SUVs mit neuen Mietenden durch die Straßen.

Die Häuser werden moderner, die Wege glatter, die Infrastruktur wird vernetzter. Wie schön – für die, die es sich leisten können. Viele der Städ­te­r*in­nen profitieren im weitesten Sinne von diesem Prozess der „Gentrifizierung“.

Obwohl sich junge Menschen das Wohnen in den trendigen Bezirken nur selten leisten können, treffen sie sich genau dort mit ihren Freund*innen, um einen überteuerten Cappuccino zu schlürfen und dabei über die Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems zu debattieren.

Die Wohnungssuche in Universitätsstädten

Studierende, Auszubildende oder Berufseinsteigende können sich zugleich als Verursachende, Betroffene und Profitierende des Gentrifizierungsprozesses sehen. Natürlich ist es auch für sie nicht einfach, in Universitätsstädten wie Berlin oder München ein WG-Zimmer oder gar eine Wohnung zu finden. Trotzdem zieht es gerade sie in die belebten Innenstadtgebiete. Beschwerden über die „Meine Wohnung im Kreuzviertel habe ich ein halbes Jahr gesucht “-Problematik stehen auf der Liste ihrer alltäglichen Gesprächsthemen.

Panterjugend zur Bundestagswahl 2025

Dieser Text ist Teil des Projekts taz Panterjugend: 26 junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, Nachwuchs-journalist:innen, -illustrator:innen und -fotograf:innen, kommen im Januar 2025 zu digitalen Seminaren zusammen und im Februar zu einer Projektwoche in die taz nach Berlin. Gemeinsam entwickeln sie zur Bundestagswahl Sonderseiten für die taz – ein Projekt der taz Panter Stiftung.

Weil es so naheliegend ist, sich über die eigene nervenaufreibende Wohnungssuche zu beschweren, vergessen die Erfolgreichen dabei oft diejenigen, die es sich überhaupt nicht mehr leisten können, in den Städten zu wohnen. Die ursprüngliche Bevölkerung wird durch die Aufwertung der Gegenden verdrängt. Viele Wohnungen werden nur renoviert, um hohe Mieten zu rechtfertigen – auf Kosten derjenigen, die kaum Mittel haben, sich dagegen zu wehren.

Leider richtet sich die Stadtgestaltung vermehrt danach, wie Ei­gen­tü­me­r*in­nen und In­ves­to­r*in­nen am meisten Profit aus ihren Immobilien schlagen können, anstatt einen gemeinsamen und gerechten Lebensraum für alle zu schaffen. An die Stelle einer potenziell bunten Nachbarschaft tritt immer mehr eine Spaltung oder gar Polarisierung in der Wohngegend. So gehen Viertel verloren, die sich durch ihre einzigartige Vielfalt vom Rest der Stadt abheben konnten. Was die geplante Stadtentwicklung betrifft, bekommen die Risiken der Gentrifizierung nicht genug Aufmerksamkeit. Schließlich ist die Stimme der Verdrängten oft nicht laut genug.

Die Aufgabe all derer, für die Wohnungssuche mehr ein Luxusproblem als existenzielle Not ist, liegt auch darin, ein Sprachrohr für weniger privilegierte Gruppen zu sein. Selbst wer es sich leisten kann, sollte sich überlegen, ob er oder sie es sich gefallen lassen will, eine überhöhte Miete zu zahlen – ob aus Sinn für das Allgemeinwohl oder aus egoistischen Gründen. Wenn unzulässig hohe Mieten von Wohnungssuchenden weiterhin toleriert werden, treibt das die Preise in die Höhe und es verschärft den Konkurrenzkampf um Wohnraum auf Kosten von einkommensschwachen Personen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • "Wenn unzulässig hohe Mieten von Wohnungssuchenden weiterhin toleriert werden, treibt das die Preise in die Höhe und es verschärft den Konkurrenzkampf um Wohnraum auf Kosten von einkommensschwachen Personen."

    Wer so was schreibt, lebt fernab jeder Realität. Wohnungssuchende haben keine Option, "Nein" zu sagen.

  • Es ist ja nicht nur der Bereich Wohnen, wo das jahrzehntelang antrainierte Gewinnmaximieren arg durchschlägt (man wäre ja neoliberal gesehen "doof", wenn man nur eine auskömmliche Miete erzielen will) und Genossenschaftswohnungen oder neuere Formen die Ausnahme sind.



    Wir haben eigentlich viel Wohnraum, auch unter ökologischem Blick. Wir müssen nur mal wieder klug nutzen: Dorfkerne wiederbeleben, kleine kompakte barrierefreie Wohnungen oder WGs für den Witwer/Witwe, aber eben nicht teurer als das viel zu große, mit Erinnerungen durchsetzte Einfamilienhaus. Ich pointiere: Braucht mensch ein eigenes Bad, eine eigene Küche, eine eigene Waschmaschine, ... oder nicht eher, dass eben auch die anderen es sauber halten und man seine Chance zum Waschen etc. hat? Braucht jungstudi eine eigene große Wohnung in der Uni-Stadt, gekauft von Papi und Mami? Was ist da in der Erziehung fehlgegangen?

    Was auch in Städten unnötig Platz wegnimmt, sind Parkplätze und breite Betonstreifen.

  • "Studierende, Auszubildende oder Berufseinsteigende..."

    Als gebe es keine Unterschiede zwischen Studenten, die in Deutschland statistisch gesehen immer noch mehrheitlich aus wohlhabenderen Elternhäusern stammen und die bei der Wahl des Studienortes eben nicht unbedingt dazu gezwungen sind, in Berlin oder Hamburg zu studieren, und Azubis, die mehrheitlich von vor Ort, aber meistens dazu gezwungen sind, weiter bei ihren Eltern zu wohnen, weil die ihnen meist nicht einfach einen Zuschuss zur Miete schenken können...

    "Das Viertel wurde durch den Zuzug von ganz vielen Latte-Macchiato-schlürfenden Azubis gentrifiziert. Die ganzen angehenden Handwerker haben die Mieten in die Höhe getrieben" - said nobody ever.

  • In Berlin ist es in Moabit richtig krass. Im Eiltempo werden alte Läden durch Biomärkte und Brunch-Cafés ersetzt, und auf den Straßen sieht man inzwischen überall diese extrem teuren Lastenfahrräder, deren Eigentümer sich natürlich auch locker das doppelte der Durchschnittsmiete leisten können. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die seit Jahrzehnten dort lebenden türkisch- und arabischstämmigen Menschen nur noch in den ganz runtergekommenen 70er-Jahre-Bauten leben.

    Interessanterweise scheint diese Gentrifizierung in Berlin kaum einer auf dem Schirm zu haben.

    • @Suryo:

      "Interessanterweise scheint diese Gentrifizierung in Berlin kaum einer auf dem Schirm zu haben." sie schreiben doch selbst Lastenfahrräder, es gentrifizieren die richtigen. Diejenigen die den richtigen Wertekanon haben...

  • Und was noch dazu kommt ist diese Grüne Wegekelpolitik.

    Reich und grün haben einen Parkplatz auf dem eigenen Grundstück, eine Garage, ein Carport.

    Und wer nicht so reich beschenkt ist und sich ohnehin mit einem Larternenparkplatz begnügen muss wird auch noch durch Anliegerparkausweise schikaniert und gegängelt.

    Und so ist sie halt, die Grüne Politik: Wer nichts hat soll nochmehr geben.

    • @Bolzkopf:

      Reich beschenkt? Hervorragend ausgebildet und mit einem gut bezahlten Job hart erarbeitet, würde ich sagen. Nicht jeder Millionär hat seine erste Million geerbt!

  • „Nicht an ihren Worten, sondern ihren Taten sollt ihr sie erkennen“

    Damit ist alles gesagt, was es über die Politik der letzten Jahrzehnte zu sagen ist.

    Völlig egal aus welchen Parteien sich die entsprechende Regierung formiert hat.

    • @Bolzkopf:

      Die Immobilienwirtschaft gehört zu einem großen Teil in den Bereich der Privatwirtschaft. Der Staat baut Wohnungen selten selbst. Die Politik hat in diesem Bereich nicht allzu viel zu melden und die Gemeinden haben zu wenig Geld, um etwas signifikant zu steuern oder zu verändern.

  • Existentielle Wohnungsnot gibt es mittlerweile bis ins kleinste Dorf. Über zu wenige Wohungen in trendigen Innenstadtlagen zu jammern, ist in der Tat ein Luxusproblem. Die Linke und ihre vielen neuen Mitglieder haben das vollkommene Versagen der Politik im Wohnungsbau immerhin erkannt und machen streetarbeit, um Menschen zu erreichen, die sich zurecht abgehängt fühlen. Zu analisieren, was Kapitalismus mit Gentrifizierung zu tun hat, fällt dem Autoren dieses engagierten Artikels zur Gentrifizierung leider schwer. Schade.

    • @Lindenberg:

      Nö. Wohnungsnot ist bis auf wenige Ausnahmen auf die Ballungszentren beschränkt. Und "existenziell" ist sie selbst dort nicht.



      Wenn sie günstig wohnen wollen bekommen sie in Sachsen-Anhalt oder Thüringen z.B. ganz problemlos Wohnungen für unter 5€ den Quadratmeter. Ist dann halt nicht so trendy

    • @Lindenberg:

      Bisher haben wir KEINE wirklich existentielle Wohnungsnot. Was man aber allen dringend raten muss, für die sich die Mieten viel zu hoch anfühlen, ist, die eigenen Einnahmen zu steigern. Wer das nicht kann, bekommt tatsächlich Probleme. Was wir tatsächlich haben, sind deutlich zu niedrige Einkommen in den unteren Lohnbereichen. Neubau ist wirtschaftlich erst ab ca. 12€/qm machbar, das entspricht einer NKM von 600€ für 50qm, ca. 750€ Warmmiete. Dafür bräuchte man ein Einkommen von mindestens 2250€ mtl.

    • @Lindenberg:

      Welches Dorf? 20 oder 30% Leerstand in Dörfern, die noch im (zugegebenermaßen oft grenzwertigen) ÖPNV-Radius von größeren Städten liegen sind der Normalfall, nicht die Ausnahme.

  • ein irritierend naiver artikel, der mit klischees nur so um sich schmeißt und etwa zwanzig jahre hinter dem stand der gentrifizierungsdebatten und gentirfizierungsforschung hinterherhinkt. als hätte es in berlin nie eine mieter*innenbewegung gegeben, die in den letzten 15 jahren solidarisch für bezahlbaren wohnraum für alle und den erhalt nachbarschaftlicher strukturen für geringverdiener gekämpft hat, und dabei vor allem die systemische dimension der politischen ökonomie der gentrifizierung in den blick genommen hat. das ist zielführender als mit verkürzten bildern von scheinbaren luxusproblemen junger menschen aus (klein-)bürgerlichen verhältnissen klassenübergreifende politikansätze zu konterkarieren.

  • "Leider richtet sich die Stadtgestaltung vermehrt danach, wie Ei­gen­tü­me­r*in­nen und In­ves­to­r*in­nen am meisten Profit aus ihren Immobilien schlagen können, anstatt einen gemeinsamen und gerechten Lebensraum für alle zu schaffen."

    Das ist alles. Der Rest des Artikels sind doch nur "teile und herrsche"-Anekdoten.

    Die Städte werden als lebenswerter Raum für alle zerstört. Es ist eine politische Entscheidung, sich den Interessen von Investoren zu unterwerfen.

    Die an den Rand Gedrängten wählen (überspitzt gesagt) AfD.

    Ich habe auch keine Lust, in meiner billigen Altvertragswohnung unter lauter neoliberalen SUV-Fahrern zu leben.

    Die sagen dann (Originalzitate!) Sachen wie: "Wer zu arm ist, kann eben nicht im Ring leben." Oder noch schlimmer: "Wer es sich nicht leisten kann, soll eben keine Kinder bekommen. Verhütung ist billiger."

    Wirklich, genug von diesem menschenfeindlichen Zeugs.

    Wir können, über Wahlen und mit harter Arbeit, die Städte wieder lebenswert für alle machen. Es bedarf aber des politischen Willens.

    • @Stavros:

      Erst neulich gab's in meinem Viertel eine Demo (paar hundert Leute) gegen Mieterverdrängung durch Luxussanierungen, und natürlich hab ich davon auch in meinem Arbeitsumfeld erzählt ... O-Ton: "Wer sich nicht rechtzeitig eine Wohnung kauft, muss sich nicht wundern, wenn er rausmuss, weil der Vermieter mehr Geld will."



      Ich frag mich ja schon manchmal, in welch winzigen sozialen Blasen manche Leute leben, um so einen Unsinn abzusondern ... und das auch noch ernstzumeinen.

  • Die Armen gucken nicht nur in die Röhre, sie leben auch dort. Man hat sich entsolidarisiert. Das Animalische der Herrscher, es scheint immer zu siegen. Sie wollen gierig Kohle scheffeln. Das Soziale ist ihnen egal. Und die Politik kann immer schön unter Druck gesetzt werden. Die Haie schaffen auch noch Arbeitsplätze in der Baubranche, holen sich billige Arbeitskräfte aus dem Osten, vom Balkan... und steckt die ihre Sklaven in Container. Das Problem ist nur durch massive Gesetzesänderungen zu lösen... aber, wer handelt schon gerne für die Armen, da könnte man ja schmutzig werden... Nein, die Anzüge der Banker, Manager, Politiker - sitzen wie angegossen... sie feiern ihre Partys in schicken, geräumigen Villen ... rasen mit ihren Luxusautos zum nächsten Termin... und dann knallen wieder die Sektkorken... schämen tut man sich nicht, man ist halt Haifisch

    • @Salinger:

      Auch unter den Vermietern gibt es eine Menge Leute mit sozialem Gewissen. Man kann aber als privater Vermieter nicht dauerhaft draufzahlen, d.h. die Miete muss eine bestimmte Mindesthöhe haben, damit es sich rechnet. Das gilt besonders in Zeiten hoher Zinsen.

  • "Selbst wer es sich leisten kann, sollte sich überlegen, ob er oder sie es sich gefallen lassen will, eine überhöhte Miete zu zahlen"

    Leider keine Option, zumindest nicht in begehrten Städten. Die nächsten 50 Leute, die bereit sind, die Miete zu zahlen, stehen schon Schlange..

    Einzige wirkliche Option:



    in Städte mit Leerstand ziehen, wo sonst niemand hin will