Gentrifizierung am Straßenstrich: Stadträte blockieren Hochhäuser

An der Potsdamer Straße in Berlin will ein Investor hoch hinaus, 14 Stockwerke sollen es sein. Doch die zuständigen Bezirksämter winken ab.

Blick auf die U-Bahnstation Kurfürstenstraße und die Kreuzung dahinter

Heißes Pflaster, nicht nur für Investoren: die Kreuzung Potsdamer Straße und Kurfürstenstraße Foto: Christian Mang

Berlin taz | Die Verhandlungen sind festgefahren. So hatte sich der Investor Till Kalähne das nicht vorgestellt, als er die beiden Grundstücke an der Potsdamer Straße an der Kreuzung mit der Kurfürstenstraße kaufte. Links und rechts davon möchte er zwei Hochhäuser bauen.

Das Problem dabei: Kalähne braucht nicht nur von einem, sondern von zwei Bezirksämtern die Genehmigung für das Vorhaben. Aber der Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann (Grüne), hat sich mit seinem Kollegen von Mitte, Ephraim Gothe (SPD) verbündet. „Hochhäuser an diesem Ort wird es nicht geben“, sagte Oltmann am Montag zur taz.

Noch sieht die Kreuzung so aus, wie seit Jahrzehnten bekannt: Auf Schöneberger Bezirksseite steht das klotzförmige Sexkaufhaus, das mit den drei pinkfarbenen Buchstaben LSD für „Love Sex and Dreams“ wirbt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die zu Mitte gehört, befindet sich in einem Flachbau eine Filiale von Woolworth.

Kalähne, Geschäftsführer der SPG & Co Berlin Projektentwicklungsgesellschaft mbH, will beide Gebäude an der Kreuzung abreißen und durch 14-stöckige Hochhäuser ersetzen. Sein Plan sei, die Bauvorhaben 2023 abgeschlossen zu haben, sagte der Investor vor einem guten Jahr im Gespräch mit der taz. Ende 2020, also jetzt, werde der Mietvertrag des Sexkaufhauses auslaufen. Danach werde alles ganz schnell gehen.

Geschehen ist bis heute – nichts.

Baustadtrat Jörn Oltmann

„Wir lassen uns nicht mit sozialen Einrichtungen ködern“

Ihr Bedauern darüber halte sich in Grenzen, kommentiert das Christine Scherzinger, baupolitische Sprecherin der Linkspartei am Dienstag auf Nachfrage der taz. Denn die SPG ist nicht die erste Investor, der die Potsdamer Straße als Geschäftsfeld entdeckt hat.

An der Ecke Bülowstraße hat die Pecan Development GmbH die ehemalige Zentrale der Commerzbank zum Standort für internationale Konzerne ausgebaut. Sony Music und das Pflanzenzüchtungsunternehmen KWS Saat sind dort bereits eingezogen. 2021 folgt Takeda, eine Firma mit Hauptsitz in Japan, die zu den größten zehn Pharmaunternehmen der Welt gehört.

Das alles geschieht in einem Kiez, in dem ein Drittel der Bevölkerung von Transferleistungen lebt und mehr als jedes zweite Kind von Kinderarmut betroffen ist. Die Potsdamer Straße, Ecke Kurfürstenstraße, wo das Sexkaufhaus LSD steht, ist zudem das Zentrum der Berliner Straßenprostitution. Eine Mischung aus Armutsprostitution, gepaart mit Zuhälterei und Drogenabhängigkeit findet sich hier. Viele Frauen kommen aus Osteuropa.

Weil es aufgrund des Baubooms kaum noch Brachen zur Prostitutionsausübung gibt, werden die Videokabinen im LSD auch für diese Zwecke benutzt. Benötigt würden in der Gegend ganz andere Impulse, als Stück für Stück gentrifiziert zu werden, findet Linkenpolitikerin Scherzinger.

Finanziert aus der eigenen Tasche

Investor Kalähne, Jahrgang 1967, ist familiär verbunden mit der börsennotierten Sedlmayr Grund und Immobilien AG München und dem Spaten-Brauerei-Konzern. Dank der Familie in München werde er das Hochhausvorhaben aus eigener Kasse finanzieren können, sagte er im Herbst 2019 zur taz. Am Montag, als die taz mit Kalähne telefonierte, beklagte er den „totalen Stillstand“ seines Bauvorhabens. Er fühle sich ausgebremst, die Baustadträte von Tempelhof-Schöneberg und Mitte hätten sich offenbar abgesprochen.

Investor Till Kalähne

„Wir können auch wieder gehen, wenn es nicht klappt.“

Jörn Oltmannn, Baustadtrat von Tempelhof-Schönberg, bestätigt das gegenüber der taz. Er und der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), seien an der Kreuzung strikt gegen eine Hochhausbebauung. „Maximal 7 Geschosse, mehr ist nicht drin.“ Diese Haltung habe man Kalähne aber schon frühzeitig mitgeteilt.

Bei dem Telefonat sagte Kalähne auch Sätze, die sich anhören, als dächte er ans Aufgeben: „Wir können auch wieder gehen, wenn es nicht klappt.“ Die Grundstücke hätten an Wert gewonnen und seien jederzeit veräußerbar, ohne einen Handschlag getan zu haben. „Aber dann bleibt das eben auch eine Schmutzecke.“

Den zum Jahresende auslaufenden Mietvertrag für das Sexkaufhaus habe er halbjährlich verlängert, auch danach werde er die Fristen kurz halten, um schnell reagieren zu können, falls ihm die Bezirke doch eine attraktive Perspektive eröffneten, so Kalähne. Das klingt nicht so, als dächte er wirklich ans Aufgeben. An dem Hochhausplan halte er fest – auch das betonte er. Aus dem Kiez sei wiederholt der Wunsch an ihn herangetragen worden, die Stadtbibliothek oder Volkshochschule in den Neubauten unterzubringen. Kostengünstigere Flächen für Sozialprojekte ließen sich aber nur durch eine größere Anzahl von Geschossen finanzieren.

Dass Kalähne auch an Sozialprojekte vermieten möchte, sei zu begrüßen, sagt Baustadtrat Oltmann. Aber wenn er dafür ein Entgegenkommen bei der Geschossflächenanzahl erwartet, sei das ein Irrglaube. „Wir lassen uns nicht mit sozialen Einrichtungen ködern“, so Oltmann. Man wolle dem Investor aber nichts Böses, betont der Baustadtrat. „Wir wünschen uns eine Entwicklung dieser Ecke und sind und bleiben gesprächsbereit.“

Sie würde es nicht schlimm finden, wenn der Investor das Handtuch wirft, sagt dagegen Christine Scherzinger. „Vielleicht finde sich dann ja eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft, die das Gebiet in einem Sinne entwickelt, wie es der Gegend gut tut.“

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