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Genfer Syrien-KonferenzOhne Annäherung unterbrochen

Kein konkretes Ergebnis: So lautet die Bilanz der ersten Runde der Syrien-Konferenz. Unsicher ist, ob sie am 10. Februar überhaupt fortgesetzt wird.

Assad bleibt ihr Idol: Anhänger des Präsidenten demonstrieren am Freitag vor dem UN-Gebäude in Genf Bild: dpa

GENF taz | „Wir haben in den letzten acht Tagen keinen Fortschritt gemacht und keine substantiellen Ergebnisse erzielt“, machte Brahimi am Freitag auf einer Pressekonferenz zum Abschluß der ersten Verhandlungsrunde der Syrien-Konferenz keinen Hehl aus seiner Enttäuschung. Im Hauptstreitpunkt der Verhandlungen, ob Präsident Assad einer künftigen Übergangsregierung in Syrien noch angehören darf oder nicht, gab es zwischen den beiden Delegationen der Regierung Assad und der Nationalen Koalition der syrischen Oppostion nicht die geringste Annäherung. Und die zu Verhandlungsbeginn Ende letzter Woche auch von Brahimi geschürten Hoffnungen auf zumindest punktuelle Verbesserungen der humanitären Lage der syrischen Bevölkerung erfüllten sich sämtlich nicht.

Ein bereits seit über einer Woche abfahrbereiter Konvoi der UNO mit Lebensmitteln und Medikamenten für rund 2.500 Menschen in der seit November 2012 von Regierungstruppen belagerten Altstadt von Homs stand auch am Freitag noch immer zehn Kilometer von der Stadt entfernt, weil die syrische Regierung weiterhin keine Durchfahrtgenehmigung erteilte.

Die von Brahimi initiierten Gespräche über einen Gefangenenaustausch, lokale Feuerpausen sowie über einen Verzicht auf den Einsatz von Brandbomben und anderer besonders grausamer Waffen gegen die Zivilbevölkerung führten über gegenseitige Vorwürfe kaum hinaus. „Hier im alten Völkerbundpalast hat es viele Auseinandersetzungen gegeben", erklärte ein mit den Syrien-Gesprächen vertrauter UN-Diplomat. „Aber nie wurde bei Gesprächen hinter verschlossenen Türen derart viel Gift und Galle versprüht.“

Nur eine gemeinsame Schweigeminute

Bis zuletzt verweigerten beide Delegationen das direkte Gespräch miteinander und kommunizierten nur auf dem Umweg über UN-Vermittler Brahimi. Lediglich am Donnerstag kam es zu einer kurzen, zumindest atmosphärischen Annäherung. Auf Vorschlag des Leiters der Oppositionsdelegation legten alle Anwesenden eine Schweigeminute ein – für „alle Tote des Syrienkonflikts, egal auf welcher Seite sie gestanden hatten“.

Trotz der Ergebnislosigkeit der ersten Konferenzrunde wertete es Brahimi, „allein schon als Erfolg, daß angesichts der komplizierten Lage in Syrien die Konfliktparteien nach fast drei Jahren eskalierender Gewaltauseinandersetzung überhaupt erstmals zu Verhandlungen zusammengetroffen sind“. Eine Fortsetzung der Verhandlungen ist allerdings noch ungewiß.

Die Oppositionsdelegation will zwar am 10.Februar nach Genf zurückkehren. Die Regierungsdelegation erklärte Brahimi hingegen, sie müsse darüber „zunächst Konsulationen in Damaskus führen“. Doch selbst im Fall ihrer Rückkehr an den Verhandlungstisch werde die Regierungsdelegation „keinerlei Zugeständnisse an die Opposition machen“, verkündete Informationsminister Omran al-Sohbi am Freitag bei einer Kundgebung von rund 250 Anhängern Assads vor dem Genfer UNO-Gebäude. Die syrische Opposition werde „auch durch die Politik nicht das erreichen, was sie mit Gewalt nicht erreicht“ habe.

Die Syrienkonferenz hat bislang nicht zu einer Deeskalation des Bürgerkriegs und einer Verringernung der Opferzahlen geführt. Die in London ansässige „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ teilte am Freitag mit, seit dem Beginn der Konferenz am 22. Januar seien in Syrien fast 1900 Menschen getötet worden. Darunter befänden sich 498 Zivilisten, sagte der Leiter der Organisation, Rami Abdel Rahman. 40 von ihnen seien an Hunger oder einem Mangel an Medikamenten gestorben. Ansonsten gab es demnach 208 Tote bei islamistischen Milizen, 646 bei anderen Rebellengruppen und 516 bei den Regierungskräften.

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3 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @j. kühn:

     

    Und wie stufen die internationalen Vereinbarungen (Stichwort: "Menschenrechte") die Benutzung von Zivilisten als Schutzschild? Ja, Sie wissen: Es heisst Terrorismus. Warum sollte die syrische Regierung Terroristen mit Nachschub unterstützen? Welche Regierung würde Terroristen mit Nachschub unterstützen? Keine.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Beide Delegationen verweigern die Gespräche. Keiner Seite geht es um die Beendigung der humanitären Katastrophe, sondern nur um die Macht. Ein sofortiger Waffenstillstand könnte von der westlichen Welt erzwungen werden. Aber auch der Westen hofft, der Bürgerkrieg entreißt Rußland seinen letzten Stützpunkt im Nahen Osten. Einen eventuellen Sieg können jedoch nur die Islamisten erringen. Ein weiteres islamistisches Regime macht die geopolitische Lage der Region nur noch prekärer.

  • Die syrische Regierung erteile, wei geschrieben, keine Durchfahrtgenehmigung für den Konvoi der UNO.

     

    Die Bernerzeitung gab dazu etwas Hintergrundinformation:

     

    "Es sind zum Grossteil Kämpfer der Rebellen, die dort mit ihren Familien zu Hause sind - insgesamt rund 2000 Menschen. Ihre Lage ist sehr schwierig. ........... Die Opposition verlangt eine schrittweise Beendigung der Belagerung und die Versorgung der Eingeschlossenen mit dringend benötigten Hilfsgütern. Das Regime bietet hingegen an, die Frauen und Kinder aus den eingekesselten Gebieten in Sicherheit zu bringen."

     

    Das Nachrichtenportal 'Hintergrund' erläutert:

    - Die Regierung bietet hingegen an, die Frauen und Kinder aus den eingekesselten Gebieten in Sicherheit zu bringen. Ein Angebot, das mit den Verhandlungen in Genf im Grunde nichts zu tun hat. Denn Frauen und Kindern ist es seit Beginn der Einkesselung erlaubt, die umstellten Gebiete zu verlassen.

     

    Doch die Unterhändler der Opposition in Genf wollen diese nicht in Sicherheit wissen und verweigern sich dem Angebot der syrischen Regierung. Eine Zustimmung wäre „auch nicht wirklich logisch gewesen“, heißt es in einer Meldung der dpa. „Würden die Zivilisten die Gebiete verlassen, würde dies dem Regime ermöglichen, die letzten Widerstandsnester mit geballter militärischer Macht und ohne jede Rücksichtnahme anzugreifen.“ -

     

    http://www.bernerzeitung.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Die-Kinder-von-Homs-als-Spielball-der-Diplomatie/story/12434394

    http://www.hintergrund.de/201401282972/politik/welt/syrien-rebellen-in-homs-wollen-kinder-weiter-als-schutzschilde-missbrauchen.html