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Generationswechsel in der DFB-ElfVerrückte Tage

Nach dem 6:0 über die Schweiz wird viel von Debütantin Cora Zicai geschwärmt. Die Freiburgerin soll auch gegen Italien zur Hinguckerin werden.

Richtungsweisend: Cora Zicai fällt bei der U20-WM in Cali positiv auf Foto: ap

Frankfurt/Zürich taz | Was so ein handgemachtes Plakat doch alles bewirken kann. „Toooora Zicai“ hatten ihre Mitspielerinnen Alina Axtmann und Tessa Blumenberg auf das Transparent gemalt, dazu einige Bilder und einen Geburtstagsgruß untergebracht, was beim ersten Länderspiel von Cora Zicai in Zürich seine Wirkung offenbar nicht verfehlte.

An ihrem 20. Geburtstag gleich ein Tor und eine Torvorlage zum 6:0 der Deutschen gegen den EM-Gastgeber Schweiz beizusteuern, überwältigte die Newcomerin. „Das war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagte Zicai sichtlich aufgewühlt. „Es sind ziemlich verrückte Tage gerade. Ich glaube, dass ich das noch nicht ganz realisieren kann, weil irgendwie so ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen ist.“

Schon bei der U20-WM in Kolumbien war die Offensivallrounderin mit sechs Scorerpunkten aufgefallen. Nun wird sie wohl auch zum Jahresabschluss der DFB-Frauen gegen Italien in Bochum (Montag 20.30 Uhr/ARD) vorspielen. Für eine, die beim Anruf von Bundestrainer Christian Wück „aus allen Wolken“ fiel, kam die Premiere ziemlich abgeklärt rüber.

Sie half entscheidend mit, das eidgenössische Bollwerk zu überlisten. „Wie die Mädels in der zweiten Halbzeit mit mehr Dynamik gespielt und die Chancen genutzt haben, war der nächste Entwicklungsschritt“, lobte Wück. „Über Cora müssen wir nicht viel reden. Besser kann ihr Debüt nicht laufen.“ Auf der linken Außenbahn sorgte die Debütantin für viel Betrieb und empfahl sich für weitere Einsätze mit Blick auf die EM 2025.

Der Bundestrainer liegt richtig, wenn er den Toptalenten – dazu gehörte auch die zwei Tage nach ihrem 18. Geburtstag eingesetzte Alara Şehitler vom FC Bayern –Vertrauen schenkt. Am Wochenende stieß anstelle der von muskulären Problemen geplagten Stina Johannes (Eintracht Frankfurt) mit U23-Torhüterin Rafaela Borggräfe die nächste Freiburgerin zum DFB-Team. Auf Zicai hatte im Stadion Letzigrund nicht nur die Mutter mit den fünf Brüdern gewartet, sondern auch Birgit Bauer-Schick, Bereichsleiterin Frauen- und Mädchenfußball des SC Freiburg.

Unterstützung aus Freiburg

Das erste und zweite Frauenteam waren extra im Mannschaftsbus über die Grenze gereist, um die märchenhafte Premiere mitzuerleben. „Cora kann noch ganz viel erreichen“, glaubt Bauer-Schick, die am Mittwoch im Schloss Bellevue das Bundesverdienstkreuz empfängt. Die 60-Jährige habe sich „in herausragender Weise für den Frauenfußball und seine Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit eingesetzt“, heißt es. Unter der familiären Obhut reifen im Breisgau fast unentwegt Nationalspielerinnen heran.

Mit fünf Liga-Treffern ist die bei der Bundeswehr geförderte Zicai aktuell die torgefährlichste Spielerin beim Sport-Club, hat im DFB-Pokal jüngst auch den FC Bayern vor Probleme gestellt. Weil sie schon früh klare Ziele formulierte („Ich will Titel gewinnen und zu den Besten gehören“), besteht die Befürchtung, dass sie genau wie Melanie Leupolz (2014), Sara Däbritz (2015), Lina Magull (2018), Giulia Gwinn (2019) oder Klara Bühl (2020) nach München übersiedelt. Erst in diesem Sommer hatte sich mit Janina Minge zur Abwechslung eine Freiburgerin auch mal dem VfL Wolfsburg angeschlossen.

Doch so leicht gibt der Ausbildungsverein sein seit dem zwölften Lebensjahr entwickeltes Eigengewächs nicht her. Die Gespräche über eine Vertragsverlängerung laufen. Bauer-Schick: „Ihre nächsten Schritte kann sie auch in Freiburg machen. Ich hoffe, dass sie uns noch lange Freude machen wird.“ Vertrauen und Spielpraxis sind in diesem Entwicklungsstadium elementar. Dass die Technikerin häufiger den Ball verliert, weil sie den Kopf nicht hochnimmt, gehört dazu. Gleichwohl bringe die 1,76 Meter große Spielerin vieles mit, wie ihre Freiburger Trainerin Theresa Merk mal festgestellt hatte: „Cora ist eine Super-Dribblerin, hat ein extrem gutes Ballgefühl, einen guten Abschluss und ist torgefährlich.“

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