Generalsekretär über Habeck-Fähre: „Das geht gar nicht“
Der Bauernverband Schleswig-Holstein verurteilt den Protest gegen Robert Habeck. Grund zur Wut gibt es aber, sagt Generalsekretär Stephan Gersteuer.
taz: Herr Gersteuer, Hunderte wütende Landwirt:innen haben am Donnerstagabend am Hafen Schlüttsiel auf eine Fähre gewartet, auf der sich Robert Habeck befand, und selbst er, der sich auf Bauerntagen hat ausbuhen lassen, wagte nicht auszusteigen, so aggressiv war die Stimmung. Was sagt der Bauernverband Schleswig-Holstein dazu?
Stephan Gersteuer: Ganz eindeutig: Das geht gar nicht, was da passiert ist. Gewalt oder Drohungen sind kein Mittel, können und dürfen kein Mittel sein. Dies war nicht unsere Aktion, aber es ist klar, dass wir so etwas ablehnen. Eine Anmerkung – nicht, um den Vorfall zu relativieren, bloß zur Einordnung: Ein Privatmann aus der Region hatte über einen Social-Media-Kanal aufgerufen, zum Hafen zu kommen, weil Robert Habeck dort eine Bürgersprechstunde abhalte. Es mögen also durchaus Leute hingefahren sein, um zu reden. Übrigens waren nicht nur Bauern, sondern auch andere Berufsgruppen vor Ort.
Dazu kam es aber nicht, die Protestierenden lehnten Gespräche sogar ab. Warum entzündete sich der Zorn am Grünen Robert Habeck? Immerhin kommt er aus Schleswig-Holstein, war hier Landwirtschaftsminister und hatte sich einen guten Draht zum Verband erarbeitet. Ist er verhasst als Teil der Ampel oder als Person?
Wir haben Herrn Habeck als verlässlichen Gesprächspartner kennengelernt. Aber in seiner Position als Vizekanzler der Bundesregierung hat er an dem Beschluss mitgewirkt und steht in der Verantwortung.
Sie sprechen von der Kürzung der Subvention für sogenannten Agrardiesel. Die Ampel-Koalition hatte die Maßnahme teilweise zurückgenommen. Das reicht Ihnen aber nicht?
Man will uns die Teil-Rückerstattung der Mineralölsteuer für Agrardiesel gleichwohl nehmen, nur eben über einen längeren Zeitraum gestaffelt. Darüber hinaus muss Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir weitere 100 Millionen Euro einsparen, das wird uns ebenfalls treffen. Nicht zu vergessen, dass wir bereits bei früheren Maßnahmen wie Umsatzsteuerpauschalierung, Landwirtschaftliche Unfallversicherung oder der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz einen Sparbeitrag von rund einer halben Milliarde geleistet haben. Die Landwirtschaft wird überproportional getroffen. Wir meinen, dass sich weitere Kürzungen verbieten.
Das wollen Sie in dieser Woche mit zahlreichen Protesten deutlich machen, unter anderem mit Trecker-Umzügen, die den Verkehr behindern werden. Wenn Mitglieder der Letzten Generation Straßen blockieren, wird das als Nötigung oder sogar Terrorismus bezeichnet – wie würden Sie Ihren Protest nennen?
ist Jurist und führt seit 2010 als Generalsekretär die Geschäfte des Bauernverbandes Schleswig-Holstein. Der Vater von fünf Kindern wohnt mit seiner Familie in der Nähe von Rendsburg.
Wir machen von unserem Demonstrationsrecht Gebrauch. Der Trecker ist das Symbol der Landwirtschaft. Wenn wir uns damit zeigen, ist das ein starkes Signal, aber das halten wir für nötig. Natürlich gibt es Beeinträchtigungen, dafür bitten wir um Verständnis. Aber das ist ein legitimer Protest, den wir ordnungsgemäß angemeldet haben. Wir fahren in Kolonnen, an mehreren Tagen in verschiedenen Regionen. Wir wollen das Land nicht lahmlegen, und auf jeden Fall werden Rettungs- und Pflegekräfte zu ihren Einsatzorten kommen. Blockaden, bei denen Straßen gesperrt werden, lehnen wir ab.
Bei Bauernprotesten in anderen Teilen Deutschlands fuhren Wagen mit Galgen mit, es gab Plakate mit rechten Slogans oder das Logo der völkischen Bauernbewegung „Landvolk“ aus den 1920er-Jahren. Wie wollen Sie verhindern, dass bei Ihren Demos solche Gruppen und Symbole auftauchen?
Der Deutsche Bauernverband hat sich deutlich von solchen Dingen distanziert. Wir sind uns der Gefahr bewusst, dass es Randgruppen gibt, die versuchen, unseren Protest zu missbrauchen. Aber der Bauernverband lässt sich nicht vereinnahmen. Uns geht es allein um die Kürzungspläne der Regierung, von Zielen anderer distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit.
Haben Sie bei Ihren Veranstaltungen Ordnungskräfte, die nach solchen Gruppen Ausschau halten – und erkennen die deren Symbole überhaupt?
Wir haben unsere Aktionen transparent angekündigt, auch der Presse und den Behörden, es kann also jeder schauen, ob alles vernünftig abläuft. Ordner sind eingeteilt und es gibt einen Versammlungsleiter vor Ort, die dafür sorgen, dass alles im ordentlichen Rahmen passiert. Wenn das nicht so ist, dann ist Ende der Veranstaltung.
Um mal eine FDP-Argumentation zu benutzen: Warum vertrauen Sie nicht dem Markt, der bei wegfallenden Subventionen ganz schnell E-Trecker oder Mähroboter entwickelt, um Trecker mit Dieselmotoren zu ersetzen?
Ja, wenn man das Label,klimaschädliche Subvention' auf etwas klebt, sind viele dafür, es abzuschaffen. Aber es gibt sachliche Gründe für die Steuerbefreiung und die Kosten für Diesel sind bereits jetzt so hoch, dass die Betriebe alles tun, um sie zu senken. Und es gibt keine Alternativen – heutige E-Motoren können die großen Maschinen nicht ziehen. Landwirtschaftliche Geräte sind nicht mit Dienstwagen vergleichbar, sondern mit dem Maschinenpark einer Fabrik. Der wird auch nicht besteuert.
Jenseits der Kosten: Der Klimawandel ist deutlich spürbar, gerade für die Landwirt:innen, die auf trockenen Böden ackern oder im Dauerregen stehen. Warum die heftige Gegenwehr gegen Maßnahmen für Klimaschutz oder Biodiversität? Ich erinnere mich an die Proteste gegen Schutzstreifen an Knicks.
Da ging es um einen Eingriff ins Eigentum, und das ist für Bauern die Existenzgrundlage. Der Landwirtschaft ist es völlig bewusst, dass wir einen Beitrag gegen die Erderwärmung leisten müssen, und ist bereit dazu. Denn wir sind aufgrund unserer Emissionen Teil des Problems, können aber auch Lösungen anbieten. Unsere Sektorenziele haben wir erreicht, sogar unterschritten. Wir können in Wäldern und Grünflächen CO2 binden. Wir bringen uns aktiv ein, etwa in der Allianz für Gewässerschutz, beim Umbau für mehr Tierwohl und vielem anderen. Doch da der Markt diese Anstrengungen nicht honoriert, muss der Staat das tun. Wenn aber zugesagte Hilfen ausbleiben und die Steuern drastisch erhöht werden, verprellt man sogar die bereitwilligsten Landwirte.
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