Generalprobe für den Papstbesuch: Jerusalems angespannte Ostern
Zu Ostern kommen die Pilger aus aller Welt nach Jerusalem. Doch gerade dann dürfen die Palästinenser die heilige Stadt nicht besuchen.
JERUSALEM taz | Mit einem Fähnchen hoch über dem Kopf winkend lanciert ein Touristenführer seine Gruppe durch die engen Gassen von Jerusalems Altstadt. Alle seine Schützlinge tragen grüne Mützen, damit niemand verlorengeht. Die Pilger kommen aus der ganzen Welt, vor allem aus Russland und Fernost.
„Es ist schon beeindruckend zuzusehen, wie Japaner und Philippiner überallhin reisen dürfen, nur wir Palästinenser, die hier leben, brauchen Genehmigungen“, schimpft Jerusalems lateinischer Patriarch Fouad Twal.
Israels Tourismusministerium gibt sich zufrieden. Die Hotels sind gut belegt, viele sogar komplett ausgebucht. „Am traditionellen Palmsonntagsumzug nahmen schon 25.000 Pilger teil und weitere 35.000 Schaulustige aus aller Welt“, meldete das staatliche Tourismusamt. Nur die Palästinenser schimpfen, dass sie an den hohen Festtagen die heilige Stadt nicht besuchen dürfen.
Bis kurz vor Ostern warteten viele Christen aus Bethlehem, aus Beit Jalla und Ramallah auf die nötige Einreisegenehmigung. „Jedes Jahr dürfen weniger palästinensische Christen in die Stadt kommen“, schimpft Patriarch Twal. Er merkt es an der Zahl der Busse, mit denen die Palästinenser anreisen. „Am Palmsonntag waren es nur fünf bis zehn Busse aus jeder Stadt“, das sei ein trauriges Bild.
Zu Ostern zusätzliche Militärkontrollen
Gerade zu Ostern errichtet Israels Militär zusätzliche Kontrollpunkte an den Toren zur Altstadt und „hindert Kirchgänger an freiem Zugang zur Via Dolorosa, zur Grabeskirche und dem christlichen Viertel“, heißt es in einem Protestschreiben der Organisation „Palästinensische Christen im besetzten Palästina“.
Am Damaskustor wartet die berittene Polizei auf ihren Einsatz. Sechs frisch gestriegelte und gesattelte Rappen grasen gelangweilt in der Sonne. Nicht immer bleibt es so ruhig.
Erst am Mittwoch kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen, als jugendliche Palästinenser Steine auf jüdische Gläubige auf dem Tempelberg warfen. Grenzpolizisten trieben die Angreifer mit Tränengas und Blendgranaten auseinander. In diesem Jahr fällt Ostern genau auf das Pessachfest, mit dem die Juden dem Auszug der Kinder Israels aus Ägypten gedenken.
Generalprobe für den Besuch des Papstes Ende Mai
Für die Bevölkerung in der Altstadt und die israelischen Sicherheitskräfte ist Ostern dieses Jahr eine Generalprobe für den bevorstehenden Besuch von Papst Franziskus Ende Mai. Über der Tür von Samir Atallas Laden hängt schon eine Papstkutte. Der christliche Palästinenser führt Kreuze, Kerzen aber auch Menorot , die siebenarmigen jüdischen Leuchter.
Dass er griechisch-orthodox ist, findet er nicht so wichtig. „Wir haben alle nur einen Jesus“, sagt der sympathische Mittfünziger. Er ist glücklich über den Besuch von Papst Franziskus. „Vielleicht bringt er uns den Frieden. Wer weiß.“
Nur die Sicherheitsbestimmungen der Israelis leuchten ihm nicht ein, denn wenn Franziskus nach Jerusalem kommt, muss Atalla seinen Laden schließen. Dabei würde sich „der Papst sicher freuen, unsere Läden offen zu sehen, schließlich kommt er doch, um die Leute, die hier leben, zu treffen“.
Der Papst sollte lieber an einem Sonntag kommen
Atalla erinnert sich noch an den Besuch von Papst Johannes Paul II., der zur Jahrtausendwende das Heilige Land besuchte. Damals mussten die Palästinenser in der Altstadt auch ihre Läden schließen. Nur beim Besuch von Benedikt XVI. fielen die scharfen Sicherheitsbestimmungen nicht so stark ins Gewicht. „Benedikt kam an einem Sonntag, das ist ohnehin unser Ruhetag.“
Attala spricht offener über den Papstbesuch, als seine Nachbarn. Die meisten Palästinenser schütteln den Kopf. Papst Franziskus enttäuschte sie, weil er von den insgesamt drei Tagen seiner Nahostreise nur zwei im Heiligen Land verbringen will. Die Zeit ist zu kurz, um nach Galiläa zu fahren, wo die meisten Christen Israels leben.
Keine Zeit für Abstecher nach Galiläa
„Wenn er nicht nach Nazareth kommt, dann kann er gleich ganz zu Hause bleiben“, sagt ein arabisch-israelischer Touristenführer, der vor der Grabeskirche auf seine Gruppe wartet. Auch ein Kollege von ihm ringt sich unwirsch ein „natürlich ist er Willkommen“ ab, „es kann jeder zu uns kommen“.
Der Besuch von Franziskus gilt vor allem den Gesprächen mit dem Patriarchen der Orthodoxen Kirche Konstantinopels Bartholomeus. Die beiden Kleriker wollen an das historische Treffen anknüpfen, das vor 50 Jahren zwischen Papst Paul VI. und Patriach Athenagoras stattfand. Es geht um eine Aussöhnung der Kirchen von Ost und West.
Patriarch Twal betrachtet die Chancen skeptisch. „Ich erinnere mich an das Treffen vor 50 Jahren. Wir hatten damals zu große Hoffnungen. Das war romantisch.“ Das bevorstehende Treffen sei eine „Ermutigung“, meint er, eine Einheit werde es „in diesem Jahr wohl nicht bringen“.
Papstrede wird automatisch eine politische Dimension haben
Für den als Sohn palästinensischer Flüchtlinge in Jordanien geborenen Patriarchen muss es bei dem Besuch des Papstes auch um die politische Situation seines Volkes gehen. „Wenn Papst Franziskus über Gerechtigkeit spricht, über den Frieden oder nur ein ganz normales Leben, dann hat das automatisch auch eine politische Dimension.“
Trotzdem räumt Twal ein, dass „wir als Kirche keine politischen Lösungen herbeiführen können“. Aktuell fordern die Kirchen vor allem die Freiheit der Religionsausübung für die Christen, wobei Patriach Twal ungern Unterschiede macht zwischen den Religionen. „Wir Christen sind Teil der palästinensischen Bevölkerung und lassen uns nicht abtrennen“, betont er.
Teil des päpstlichen Besuchsprogramms ist immerhin ein kurzer Abstecher in ein Flüchtlingslager. Auch Twal bedauert, dass Franziskus nur so kurz im Heiligen Land bleibt, aber „vielleicht kommt er dann bald einmal wieder“.
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