Generaldebatte im Bundestag: Streit und Einigkeit
Merz und Scholz fallen in der letzten Bundestagssitzung der Legislaturperiode noch mal übereinander her. Doch es gibt auch Szenen der Übereinkunft.
![Friedrich Merz sitzt auf seinem Sitz im Plenarsaal des Deutschen Bundestages und gestikuliert Friedrich Merz sitzt auf seinem Sitz im Plenarsaal des Deutschen Bundestages und gestikuliert](https://taz.de/picture/7525230/14/37651403-1.jpeg)
Es ist die vorerst letzte Debatte im Plenum, bevor in anderthalb Wochen ein neuer Bundestag gewählt wird. Die Schülerin, die ihren Namen nicht nennt, sagt, sie finde den rauen Umgangston im Parlament „schockierend“. Dabei ist die Sitzung neben den harten Angriffen, die alle Parteien im Wahlkampf gegeneinander fahren, auch durch Momente von großer Übereinkunft geprägt: Politiker*innen wie die Vizepräsidentin des Bundestags, Yvonne Magwas (CDU), und der ehemalige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert halten emotionale Reden über die Bedrohung der parlamentarischen Demokratie.
Scholz arbeitet sich in seiner 25-minütigen Rede an CDU-Chef Friedrich Merz ab. Er wirft seinem Herausforderer vor, in zentralen Fragen unseriös zu handeln: vom Umgang mit der Ukraine bis zur Wirtschaftspolitik. „Wer in Fragen von Krieg und Frieden so kopflos daherredet, wer so orientierungslos ist, der sollte keine Verantwortung tragen für Deutschlands Sicherheit“, ruft er. Scholz wirft Merz dabei vor, etwa in der Frage der Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers eine uneindeutige Linie zu fahren.
Distanzierter Kanzler
Der Kanzler bleibt in seiner Rede, die er wie gewöhnlich abliest, betont distanziert: Obwohl der Oppositionschef seine ständige Referenz ist, adressiert Scholz ihn nur indirekt. „Der Oppositionsführer“ lege mit seiner Migrationspolitik die Axt an den europäischen Zusammenhalt. „Glauben Sie, Solidarität entsteht, wenn Deutschland mutwillig europäisches Recht bricht“, fragt Scholz mit Blick auf den Zusammenhalt in der EU angesichts von Strafzöllen aus den USA. „Das ist doch naiv, das schadet deutschen Interessen“, so Scholz.
Empfohlener externer Inhalt
In seiner Replik gibt sich Merz betont gelassen und spottet über die Rhetorik des Kanzlers. „Was war das denn für eine überhebliche und kleinkarierte Rede“, sagt der CDU-Chef unter Gelächter aus der Unionsfraktion. Er bezeichnet Scholz’ Auftritt als „25-minütige abgelesene Empörung über den Oppositionsführer“. Merz hält dem Kanzler den Frust an der Ampelregierung vor. „Wir hatten einen täglichen ununterbrochenen Streit in Ihrer Koalition“, sagt er. Die letzten zwölf Monate seien „ein verlorenes Jahr für Deutschland“ gewesen.
Ähnlich wie Scholz nutzt auch Merz seine Redezeit ausschließlich, um sich an dem jeweils anderen abzuarbeiten, dazu holt er sogar die Sozialistenkeule gegen Scholz raus und bezeichnet seine Steuerpläne als „Klassenkampf“. Eigene Angebote, was er künftig konkret anders zu machen gedenkt, liefert der CDU-Chef keine. Am Ende versucht Merz dennoch eine kleine Brücke zu bauen: „Es gibt den 23. Februar, bis dahin werden hart kämpfen.“ Doch nach den Wahlen sollte die „breite politische Mitte“ in der Lage sein, die Probleme im Land zu lösen, sagt der CDU-Chef.
Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck wirft sowohl Merz als auch Scholz vor, in ihren Reden nur in die Vergangenheit geguckt zu haben. „Das Zukunftsthema, das hier wieder fehlte, war der Kampf gegen die globale Erderwärmung“, sagt Habeck. Das laute Johlen, das er von den Klimawandelleugnern aus der AfD-Fraktion erntet, bezeichnet der Vizekanzler als „animalisches Grunzen“. Habeck wirft CDU und SPD vor, die Augen zu verschließen vor der Arbeit, die nötig sei, um die Klimaneutralität zu erreichen.
Weidel will Merz Hand ausstrecken
AfD-Chefin Alice Weidel nutzt ihren Auftritt noch mal, um ihre inhaltliche Nähe zur Union zum Ausdruck zu bringen. „Unsere Hand ist ausgestreckt“, sagt sie in Richtung von Merz – obwohl dieser eine Zusammenarbeit mit den extrem Rechten erneut ausgeschlossen sehen wollte.
Reichinnek betritt am Ende der Debatte das Pult. Sie bemängelt, dass Politik für Kinder und Jugendliche im Wahlkampf nicht stattfände – da ist die Schülerin schon nicht mehr im Saal.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen