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Generaldebatte im BundestagWesterwelle nun wieder Außenminister

In der Bundestags-Generaldebatte wandelt sich FDP-Chef Westerwelle vom Polarisierer zum Außenminister. Merkel verteidigt Rekordschulden mit Verweis auf Weimarer Republik.

Seinen Trotz überwunden: Guido Westerwelle. Bild: dpa

BERLIN taz | Die erstaunlichste Rede hält an diesem Mittwoch Guido Westerwelle, da ist es schon halb zwei am Nachmittag. Er spricht nicht als FDP-Chef in der innenpolitischen Generaldebatte. Er referiert als Außenminister in der Aussprache über seinen eigenen Etat, er redet über Abrüstung und auswärtige Kulturpolitik, über nationalen Konsens und weltweite Diplomatie. "Das wird hoffentlich ein gemeinsames Anliegen sein", sagt er mehrfach. Er dankt den Oppositionsfraktionen, er wirbt um Zustimmung.

Am Rednerpult unter der Reichstagskuppel steht ein Mann, der offenbar etwas verstanden hat, obwohl niemand mehr damit rechnete. Der seinen Trotz überwunden hat, mit dem er wochenlang die Debatte um seine Person anstachelte, obwohl er sich damit nur schadete. Der am Vortag schon die Debatte um FDP-Filz zu konterkarieren versuchte, indem er den SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose zum Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ernannte.

Die Redner am Morgen waren um solchen Imagewandel nicht bemüht. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier trug zwar eine neue Brille. Trotz polemischer Spitzen gegen die Kanzlerin gab er aber immer noch den verschmähten Liebhaber, der es bedauert, dass er mit Angela Merkel nicht mehr regieren darf. "Wir haben unsere Verantwortung aus der Regierung nicht vergessen", sagt er am Anfang - und schließt, als könne er es selbst nicht glauben: "Es ist jetzt wirklich Ihre Verantwortung."

Die Kanzlerin saß unterdessen auf der Regierungsbank, und schon das durfte man als Lebenszeichen werten, nachdem sich Merkel zuletzt fast nur noch über ihre stellvertretenden RegierungssprecherInnen geäußert hatte, etwa, als sie Guido Westerwelle und Joseph Ratzinger in Schutz nehmen ließ. Den Aufklärungswillen des Papstes im Skandal um sexuellen Missbrauch lobte sie am Mittwoch erneut. Zu Westerwelle sagte Merkel nichts. Dafür stellte sie sich schützend vor den Bundespräsidenten, den die SPD zu einem Wort über die Eskapaden des FDP-Chefs aufgefordert hatte.

Ansonsten unternahm Merkel in ihrer Antwort auf Steinmeier nichts, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Sie hielt einfach ihre Krisenrede noch einmal, die sie seit dem Herbst 2008 unverdrossen wiederholt. Sie rechtfertigte die Rekordverschuldung von 80 Milliarden Euro und unterstrich lieber selbst die desaströse Dimension, bevor es jemand anderes tut. Die Regierung mache so viele Schulden, "weil wir die Fehler aus der Geschichte nicht wiederholen wollen", sagte sie in Anspielung auf die Sparpolitik des Reichskanzlers Heinrich Brüning (Zentrumspartei) am Ende der Weimarer Republik.

Über der Harmlosigkeit des Jetzt schweben die Zumutungen des Morgen, gleich nach dieser Debatte um den Haushalt 2010 beginnt das Ringen um den Sparhaushalt 2011. "Wir werden schwierige Sparmaßnahmen vor uns haben", sagt Merkel, "ich sag dem Bundesfinanzminster meine Unterstützung zu".

Der Finanzminister wird, das ist leicht vorauszusagen, die wichtigste Figur dieses politischen Jahres, und er ist an diesem Mittwoch gar nicht da. Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt muss sich Wolfgang Schäuble noch schonen, das hatte er am Vortag selbst angekündigt. Es war der denkwürdigste Auftritt in dieser Haushaltswoche. So still, so konzentriert wie während Schäubles Rede am Dienstag hatte man die Abgeordneten aller Fraktionen lange nicht gesehen. Auf der Regierungsbank stellten sie das übliche Blättern in dicken Aktenmappen ein, die Opposition lärmte nicht, Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück legte den Textmarker zur Seite, mit dem er sonst unentwegt Passagen in Pressetexten unterstreicht.

Dabei redete Schäuble nur kurz, aber er stimmte das Publikum auf größere Probleme ein. Anders als erhofft habe die Konjunktur erneut eine Pause eingelegt, sagte er, "wir müssen in dieser Zeit auf Sicht fahren". Er redet über die Bankenaufsicht, und er spricht auch über Griechenland und die "Ultima Ratio".

Wirklich beruhigend klingen die Worte von Schäuble nicht. Die Kanzlerin zieht den Kopf ein, und ihr Vize Guido Westerwelle schaut ausnahmsweise einmal wirklich sehr, sehr ernst.

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9 Kommentare

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  • DH
    Dieter Horstmann

    Wenn ich in der taz über Guido Westerwelle lese: „Am Rednerpult unter der Reichstagskuppel steht ein Mann, der offenbar etwas verstanden hat“, dann muss ich energisch widersprechen. Guido Westerwelle hat nichts verstanden, er wird nichts verstehen. Und ich kann nicht verstehen, wie man zu solch einer Einschätzung kommen kann, wenn man Westerwelle süffisant vergleichend über eine historische Brasilien-Expedition palavern hört. Und ich kann nicht verstehen, dass dieser Teil seiner in vielen Medien publizierten Rede im taz-Artikel gar nicht berichtet wird.

     

    Es ist unerträglich, einen schrägen bis skandalösen historischen Vergleich nach dem anderen von Guido Westerwelle lesen oder anhören zu müssen. Nach der „spätrömischen Dekadenz“ brachte er nun in der Bundestagsdebatte vom Mittwoch die portugiesische Reisedelegation von der Zeit der „Entdeckung“ Brasiliens – wie er das nennt – als Entschuldigung für die kurios zusammengestellte Begleiterschar, die er jüngst nach Südamerika mitgenommen hatte. Diesem geschichtslosen Außenminister ist überhaupt nicht klar, welche Gräuel an der Urbevölkerung durch diese und die folgenden Reisedelegationen der damaligen „Brasilien-Entdeckung“ gefolgt sind. Der Mann vom Außenamt hat wirklich nichts verstanden. Möglicherweise decken sich die damaligen portugiesischen Absichten mit den seinen. Dieser Mann vom Außenamt ist einfach gefährlich, auch weil er nichts verstanden hat.

     

    Dieter Horstmann

  • T
    tom

    Guido bleibt Guido :

    Unfähig, verlogen, korrupt!

    Der kann so viel Kreide fressen wie er will!

  • DH
    Dieter Horstmann

    Wer die Bundeskanzlerin am Mittwoch aus Berlin gehört hat, ahnt: Boah, da steht was bevor, da komm was auf uns zu! Und nicht nur auf uns. Aber was kommt da? Auf jeden Fall was Mythologisches. Und irgendwie klingt´s bedrohlich. Allerdings: Mythologisch ist auf jeden Fall nicht zwangsläufig auch logisch.

     

    Originalton Angela Merkel vor den Abgeordneten des Bundestages im Rahmen der Generaldebatte zum Bundeshaushalt: „In den nächsten Jahren steht … vor uns eine riesige Aufgabe – ich sage: eine Herkules-Aufgabe -, weil wir eigentlich Unvereinbares zusammenbringen müssen: Haushaltskonsolidierung, Wachstum schaffen und das Ganze in einem Umfeld einer Gesellschaft, deren Altersaufbau sich dramatisch verändert.“ So weit die Bundeskanzlerin. Sehr mythisch! Maßnahmen hat sie noch nicht verraten. Sonst hätte man sich vielleicht vorstellen können, um was es gehen soll. Die Mythen bleiben also vorerst in den Tüten.

     

    Schaut man sich nun den Aufgabenkatalog des Herkules näher an, dann findet man allerdings nichts, was mit Haushaltssanierung in Verbindung gebracht werden kann, und Herkules musste auch nur für das Wachstum seiner eigenen Muskeln an Armen, Beinen und Lenden und die Mehrung seiner Pfiffigkeit sorgen, um die gestellten Aufgaben zu meistern.

     

    Welche Herkules-Aufgabe sieht Frau Merkel denn nun eigentlich vor uns stehen? Herkules hatte ja zu seiner Zeit nicht nur eine, sondern gleich zwölf knifflige Arbeiten zu erledigen. Dabei ging es je dreimal um das Töten und Einfangen von Tieren, dann um Stallausmistung, um Pferde-Zähmung, um Beschaffung eines gürtelartigen Wehrgehänges, um den Raub einer Herde und das Klauen goldener Äpfel sowie um das Heraufbringen des Unterwelt-Wachhundes an die Oberwelt.

     

    Allenfalls, wenn Frau Merkel ihren Stall ausmisten will, bin ich dabei, ohne gleich mit Herkules verglichen werden zu wollen. Und es werden sicherlich viele andere Menschen ebenfalls behilflich sein. Die Zähmung der Pferde, die da in Politik und Großfinanz ständig durchgehen: Kein Problem, wenn man einfach die zügellosen peitschenden und spitzspornigen Geisterreiter aus den Sätteln holt!

     

    Ich hoffe inständig, dass die Kanzlerin nicht die übrigen Herkules-Aufgaben auf ihrer Agenda hat und uns damit belästigen will. Darüber hinaus hoffe ich, dass sie nicht fälschlicherweise glaubt, AKW-Laufzeit-Verlängerung, Kopfpauschale und die anderen Unsinnigkeiten, die man von ihr und ihrem Umfeld hört, hätten schon im Aufgabenheft von Herkules gestanden. Herkules hatte auch keinen Fahr- oder Flugbefehl nach Afghanistan.

  • M
    marikanin

    Max Keiser:

    Die Deutschen profitieren enorm von den Schulden Griechenlands.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=AbH1JsOTInk&feature=player_embedded#

  • K
    Karlchen

    ... es ist ja nicht auszuschließen, ..,das Herr Westerwelle langsam doch wieder erkennt, was eine Demokratie auch ausmacht..-

    nämlich.., der Zusammenhalt in den Grundwerten, das WErben um die Besten Lösungen., das Miteinander..und das ja sogar über die Landesgrenzen hinaus.

     

    ..Ja.., nun, wo man jahrelang abgewirtschaft hat., fällt den Leuten mit den Diäten auf.., das die sparen müssen.., vielleicht auch deshalb, weil IHre Politik diese Maßnahmen erfordert.

     

    Denn.., wer die ABwärtspirale reichlich ankurbelt muß sich nicht wundern.

     

    Mangelwirtschaft , bzw. Mangeldenken,., gibt, bzw. gab es eben nicht nur in den sozialistischen Ländern.

  • V
    vic

    Der hat sich nicht gewandelt.

    Irgendwer hat ihm vermutlich klargemacht, dass er und seine Clique sein Amt, seine Partei und damit die gesamte Bundesregierung durch sein Verhalten ganz tief in die Scheiße geritten hat.

    Jetzt ist Seriosität spielen angesagt, man will schließlich Wahlen gewinnen.

    Das macht ihn aber noch lange nicht zu einem ernsthaften Politiker.

    Westerwelle ist ein Politclown, der sein Amt missbraucht um Freunden und Gönnern das Leben zu versüßen, und der in einer Regierung nichts zu suchen hat. Nicht einmal in einer Schwarz-Gelben.

  • S
    senfdazugeberin

    Suppenkasperle hat Kreide gefressen!

    Oder - Es ändern sich die Zeiten -

    aber niemals die Leute!

  • MM
    mit Majo

    "Die erstaunlichste Rede hält an diesem Mittwoch Guido Westerwelle,..." und wer hat sie ihm geschrieben dem Musterschüler ??????????????????

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Wow, ich hatte schon vergessen, dass Westerwelle Außenminister ist.