Gendersternchen in Bremerhaven: Krampfhaftes Festhalten
Die Fraktionsvorsitzenden von FDP, CDU und SPD in Bremerhaven rudern beim Genderbeschluss zurück. Die Erklärung offenbart ihre ewiggestrige Ideologie.
A m Freitag hatten FDP, CDU und SPD ihren Beschluss verteidigt, der Bremerhavener Verwaltung Gendersternchen und Co. zu verbieten. Nach Kritik von allen Seiten ruderten sie am Montag zurück. Doch die Presseerklärung, mit der die drei Fraktionsvorsitzenden dies begründen, zeigt, dass es ihnen nicht um Barrierefreiheit geht, wie sie behauptet hatten. Es ist ihnen schlicht zu viel Gendergaga, wie schon anderen alten Männern vor ihnen.
„Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder darüber geärgert, dass es zwar viele Diskussionen und politische – teilweise ideologisch geprägte – Haltungen zu gendersensibler Sprache gibt“, entlarven sie sich selbst. Sie. Haben. Sich. Geärgert. Nicht darüber, dass Männer nach wie vor privilegiert sind und Sprache dies spiegelt. Nicht darüber, dass ihnen keine perfekte Lösung einfällt. Sondern über andere, die ihnen diese noch nicht präsentiert haben. Und dabei ideologisch argumentieren! Das machen ja immer die anderen. Hier: Feminist:innen, die für eine gerechte Sprache kämpfen. Und nicht etwa Sexisten, die sich ans generische Maskulinum klammern, obwohl ihnen Grammatik ansonsten egal ist.
Genüsslich listet die Erklärung die Vielfalt auf, mit der Sprache ausdrückt, dass es nicht nur handelnde Männer gibt, sondern auch Frauen sowie Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen lassen: Genderstern, Doppelpunkt, Unterstrich, Querstrich, … Der Verdacht der Herren Raschen, Hilz und Allers und vermutlich der Mehrheit ihrer Fraktionskolleg:innen: „Da wird ein teilweise krampfhafter Versuch unternommen, die vorhandene geschlechtliche Vielfalt abzubilden.“
Die Verwendung des Begriffs „krampfhaft“ spricht Bände. Vielen gilt er als Synonym von „feministisch“. Hier meint er alle, die im Sinne der Gleichberechtigung kreativ mit Sprache umgehen. Sie sollen sich also mal locker machen, es nicht übertreiben, die Kirche im Dorf lassen? Nein. Gendersternchen und Co. sind eine Zumutung, sorgen für Streit und auch für Probleme. Das ist gut, weil so für alle sichtbar wird, mit welchen Zumutungen sehr viele Menschen leben müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt