piwik no script img

Gender-Leitfaden in ÖsterreichDoch nicht so korrektes Kärnten

In Kärnten hat die Landesregierung nach großer Aufregung einen Leitfaden für gendergerechte Sprache zurückgezogen.

Zwei landwirtschaftlich Beschäftigte bei der Heuernte Foto: imageBROKER/imago

Wenn die Political Correctness verlangt, dass der Bauer zum landwirtschaftlich Beschäftigten und der Gast zur Besuchsperson wird, schütteln in Kärnten viele den Kopf. Nicht nur die landwirtschaftlich Beschäftigten. Ein Leitfaden nebst Wörterbuch für gendergerechte Sprache der Kärntner Landesregierung für den Amtsverkehr hat so viel Staub aufgewirbelt, dass er vorerst zurückgezogen wurde.

„Genderwahnsinn“, tobte der Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer. Für ÖVP-Landesrat Martin Gruber wird da eine „Verhunzung“ der Sprache betrieben: „Irgendwann muss damit Schluss sein, bei aller Wertschätzung auch für Gleichberechtigung.“ Tatsächlich finden sich in dem Wörterbuch Vorschläge, die ein Schmunzeln hervorrufen können. Etwa dass der „Hausmeister“ künftig „Fachkraft für Gebäudemanagement“ genannt werden soll.

Die meisten der Anregungen erscheinen aber vernünftig. Zum Beispiel das Ersetzen von Nomina durch Gliedsätze. Beispiel: „Wer teilnimmt“ statt „die Teilnehmer und Teilnehmerinnen“. Sporadisch solle man Passivkonstruktionen nutzen: „Im Workshop wurde ein Empfehlungskatalog erstellt“ statt „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops erstellten einen Empfehlungskatalog“. Wenn andere geschlechtsneutrale Formulierungen ausgeschöpft sind, solle man statt Binnen-I den Doppelpunkt einsetzen (Richter:innen), weil es nichtbinäre Identitäten berücksichtigt.

Kein Wahlkampfthema schenken

Die von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) geführte Landesregierung beruft sich auf eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) von 2018, die sich wiederum auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stützt und eine dritte Geschlechtskategorie anerkennt.

Kaiser hat nach Jahren der populistischen FPÖ-Regierungen wieder Sachlichkeit in die Kärntner Landespolitik gebracht. Vor den Landtagswahlen am 5. März will er den Rechten offenbar den „Genderwahnsinn“ nicht als Wahlkampfthema schenken. Fünf von neun Bundesländern sowie die Stadt Graz haben ähnliche Leitfäden schon ohne großes Getöse beschlossen.

Kaiser schließt sein Schreiben, mit dem das Wörterbuch vorläufig zurückgezogen wird, deshalb mit einer „nachdrücklichen Aufforderung an die Bundesregierung, schnellstmöglich ein solches Nachschlagewerk österreichweit einheitlich sicherzustellen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare