Gender-Bias beim Arzt: Eine einfache Methode für 800 Euro
Was hat die Unterleibs-Erkrankung Endometriose mit Antifeminismus zu tun? Leider immer noch eine ganze Menge.
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Z ufällig erfahre ich in einem Gespräch mit einer Bekannten, dass es seit Neustem einen einfachen Speicheltest gibt, um die verbreitete Krankheit Endometriose zu diagnostizieren. Bislang ist die Feststellung sogenannter gutartiger Verknotungen in Bauchbereich und Unterleib ein aufwändiger Prozess, bei dem man Glück haben muss. Es fängt dabei an, eine Arztpraxis zu finden, in der man für die Krankheit sensibilisiert ist und Schmerzen nicht runtergespielt werden.
Die bislang einzige sichere Methode zur Feststellung von Endometriose ist eine Bauchspiegelung unter Vollnarkose. Die deutsche Endometriosevereinigung geht davon aus, dass bis zu 15 Prozent aller Frauen plus Dunkelziffer daran erkrankt sind, was Endometriose zur zweithäufigsten „gynäkologischen“ Krankheit nach Myomen mache. Endometriose kann auch cis-Männer treffen. Auch deswegen sind die Zahlen ungenau.
Ich bin bisher nur auf Ärzt*innen gestoßen, die mich weggeschickt oder mir einfach Schmerzmittel verschrieben haben. Aus Erfahrung weiß ich, dass Schmerzen von Frauen und Queers, insbesondere, wenn sie nicht weiß, deutsch und privatversichert sind, seltener ernst genommen werden. Das belegen auch Studien, die den „Gender- und Racial-Bias“, also Vorurteile in Bezug aufs Geschlecht und Herkunft untersuchen.
Ich freue mich, dass es jetzt eine einfache Methode gibt, Endometriose festzustellen. Schließlich dauert der Weg zur Diagnose im Schnitt über zehn Jahre. Doch als ich lese, dass der Test rund 800 Euro kostet und von der Krankenkasse nicht übernommen wird, falle ich aus allen Wolken.
Frauen geht es scheinbar besser, als der Feminismus sagt
Etwa zeitgleich lese ich auf Twitter empörte Tweets zu einem FAZ-Interview mit dem Soziologen Martin Schröder, der die These vertritt, Frauen gehe es viel besser, als der Feminismus es uns alle glauben lasse. Wir naiven Dummchen! Schröder bezieht sich unter anderem auf Langzeiterhebungen des Sozio-oekonomischen Panels. Die Bundesantidiskriminierungsstelle stellt 2018 und noch aktuell fest, dass die Daten aus solchen Umfragen zum Thema Diskriminierung so lückenhaft sind, dass eine Berichterstattung dazu auf der Basis nicht möglich sei.
Das hat sich inzwischen teils verbessert. Die strukturelle Diskriminierung von Frauen bleibt aber belegbar. Schröder basht passend zum rechtsdominanten öffentlichen Diskurs Linke und Genderstudies. Damit wird deutlich, wo er steht.
Sein erfolgreicher antifeministischer Medienauftritt ist auch deswegen möglich, weil die Deutschen, auch die, die sich auf Twitter empören, es nicht gebacken kriegen, gegen den rechten Status quo wirksam aktiv zu werden. Die AfD liegt in der Sonntagsfrage von Infratest Dimap bei etwa 15 Prozent und die CDU ist im Post-Merkel-Stillstandland stärkste Kraft. Und da geht’s nur um Rechte im Bundestag. Irgendwann muss man seine Strategien gegen rechts hinterfragen. Genügend Anhaltspunkte für einen radikaleren Kampf, wie die Gesundheit von Frauen und Queers, gibt es.
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