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Gen Mekka

Hamburg hat Gräberfelder für Muslime, erlaubt aber keine Bestattung in Tüchern  ■ Von Mechthild Klein

Ein hölzerner Überführungssarg steht auf dem Boden, daneben Rosenöl zum Salben des Toten und grüne Sargtücher, mit Koranversen bestickt. „Nach Mekka gewandt“heißt die Ausstellung auf dem Öjendorfer Friedhof in Hamburg, die gestern vom Ausländerbeauftragten des Senats der Hansestadt, Günter Apel, eröffnet wurde. Die Foto- und Dokumentenschau soll über den Umgang türkischer Muslime mit ihren Verstorbenen in der Türkei und in Deutschland informieren. Sie wurde vom Kasseler Museum für Sepulkralkultur (Begräbniskultur) zusammengestellt.

95 Prozent aller verstorbenen Muslime in Deutschland werden zwar bislang noch im Herkunftsland bestattet. Zunehmend aber wollen Angehörige der zweiten und dritten Generation hier nach muslimischer Sitte bestattet werden. Das führt immer wieder zu Konflikten zwischen den Friedhofsverwaltungen, die auf die Einhaltung deutscher Vorschriften pochen, und den muslimischen Trauergästen, die ihre Tradition leben wollen. Ein weniger großes Problem stellt dabei, zumindest in den Großstädten, die zwingend vorgeschriebene Ausrichtung der Toten nach Mekka dar. In Berlin gibt es sogar einen rein muslimischen Friedhof, der noch aus der Zeit des osmanischen Reiches stammt. Auf dem Friedhof in Öjendorf gibt es drei nach Mekka ausgerichtete Gräberfelder mit insgesamt 550 Grabstätten.

Hamburgs Friedhöfe seien durch eine „große Toleranz“gegenüber muslimischen Sitten gekennzeichnet, sagte auch Trautje Franz, die Referentin der Ausländerbeauftragten. So können in Öjendorf in einem Waschhaus islamische Totenriten vollzogen werden. Und während in München die Trauernden aus Versicherungsgründen den Sarg nicht eigenhändig zu Grabe tragen dürfen, ist diese letzte Ehrerbietung den Angehörigen in Hamburg erlaubt.

Dennoch gibt es auch in der Hansestadt Grenzen: Eine Bestattung ohne Sarg, wie es muslimische Sitte vorsieht, ist nicht erlaubt. Einige islamische Rechtsgelehrte allerdings meinen, daß die Sargbestattung in feuchten Ländern (wie Deutschland) statthaft sei.

Völlig ungeklärt ist weiterhin, wie mit der muslimischen Vorschrift des „ewigen Ruherechts“für den Toten umgegangen werden soll. Nach deutschem Friedhofsrecht gibt es diese Praxis nicht, erklärt Referentin Trautje Franz. „Ein Grab ist keine Immobilie“, wie gerade viele ältere Migranten irrtümlich annähmen. Sie hätten jedoch die Möglichkeit, die Pacht bestimmter Grabstätten immer wieder zu verlängern.

Den größten Ärger erlebten bislang die Friedhofsverwaltungen in München und Köln, als sie von Muslimen gemietete Reihengräber nach Ablauf der Pacht neu belegen wollten. Eine Katastrophe für die Angehörigen. Einige türkische Verbände fordern deshalb ein Ewigkeitsrecht für die Grabstätten der Muslime, wie es auch den Juden in Deutschland gewährt werde.

Die Ausstellung ist bis zum 23. Mai im Verwaltungsgebäude des Öjendorfer Friedhofs zu sehen. Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 9 bis 15 Uhr, freitags 9 bis 13 Uhr und samstags und sonntags von 11 bis 16 Uhr.

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