Gelsenkirchener Stadtteil Schalke: Der Aufstiegskandidat
Schalke ist arm, der Verein steigt ab. Das Viertel ist auch komprimierte Geschichte. Nicht nur Fans wollen das schlafende Dornröschen wachküssen.
L ieber Rudi, der Schnee ist jetzt geschmolzen.“ Auf einem Banner, das Fans des FC Schalke 04 am Eingangsportal der Glückauf-Kampfbahn an der Kurt-Schumacher-Straße aufgehängt haben, steht dieser Spruch. Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ist das Portal untergegangenen, nach historischem Vorbild wurde es gerade wieder aufgebaut.
Sieben Mal ist der Verein hier im namensgebenden Gelsenkirchener Stadtteil Schalke Deutscher Meister geworden. Jetzt beweinen die Fußballverrückten in Königsblau den Abstieg in die zweite Liga, der am Samstag besiegelt wird. Von da an wird der sechstgrößte Sportverein der Welt mit seinen mehr als 160.000 Mitgliedern ganz offiziell nicht mehr erstklassig sein.
Das Banner ist eine Anspielung auf ein legendäres Zitat der Schalker Ikone Rudi Assauer. „Wenn der Schnee schmilzt, siehst du, wo die Kacke liegt“, hatte der Fußball-Manager Journalisten lakonisch entgegengehalten, als die ihn nach einer „Lebensweisheit“ fragten. Assauer ist tot, gestorben vor zwei Jahren. Auf dem Transparent an der Glückauf-Kampfbahn folgt dann ein Spruch, der wie nichts anderes zur Wut, zum Trotz, zum Mut der Fans dieses Vereins passt: „Wir kommen wieder“ steht auf dem Banner – gefolgt von drei Ausrufezeichen.
Im Zeichen des Strukurwandels
Diesen Trotz, diesen Mut: Gut brauchen könnte den auch der Stadtteil, nach dem Schalke 04 vor 117 Jahren benannt wurde. Das Ende von Kohle, Stahl und Chemie hat Gelsenkirchen und ganz besonders Schalke hart getroffen. Die angrenzenden Zechen Graf Bismarck und Consol sind seit Jahrzehnten dicht, der letzte Hochofen des Schalker Vereins ging vor 39 Jahren verloren.
Zehntausende Arbeitsplätze hat das Ende der Schwerindustrie in Gelsenkirchen gekostet. Die einstige „Stadt der tausend Feuer“, benannt nach den Türmen, auf denen überschüssiges Kokereigas abgefackelt wurde, gilt seitdem als eines der Armenhäuser der Republik. Gelsenkirchen findet sich verlässlich in diversen Städterankings auf den letzten Plätzen. Der jüngste Sozialbericht der nordrhein-westfälischen Landesregierung bestätigt: Nirgendwo zwischen Rhein und Weser ist die Lebenserwartung geringer, die Arbeitslosenquote höher, das Einkommen niedriger. Exakt 1.359 Euro und 33 Cent hatten die Menschen hier 2017 pro Monat im Durchschnitt zur Verfügung.
Dass den Leuten Geld fehlt, ist auf der zentralen Schalker Straße sofort zu sehen. Zwar sind Fahrbahn und Bürgersteige fast wie neu – doch alteingesessene Läden wie das Werkzeuggeschäft Kemper, die Apotheke, aber auch Kneipen und Schnellrestaurants haben längst aufgegeben.
„Erst hatten wir eine Baustelle vor der Tür, dann kam Corona“, sagt Francesco Risoli, der mit seiner „Genusswerkstatt“ hier eine Trattoria betreibt, die gut in Berlins Prenzlauer Berg passen würde. Risoli bietet feinste italienische Küche, wie sie kaum jemand in Schalke erwartet. „Das Schlimmste aber ist: Die Kaufkraft fehlt, wird immer weniger“, seufzt der passionierte Koch. „Es ist schwer, wirklich schwer.“
Die Visionäre
Ändern wollen das Bodo Menze und Olivier Kruschinski. Zumindest für Eingeweihte ist Menze eine Ikone fast wie Assauer: In seiner Zeit als Jugendmanager von Schalke 04 wurden Eigengewächse aus der Region wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Benedikt Höwedes und Julian Draxler zu Bundesligaspielern – Neuer und Özil sind in Gelsenkirchen, Höwedes und Draxler in den Nachbarstädten Haltern und Gladbeck zur Welt gekommen.
Menze wirkt trotz seiner 68 Jahre noch immer sportlich und durchtrainiert. „Hertha“ presst er hervor, als der Mannschaftsbus der Berliner an der Glückauf-Kampfbahn vorbeifährt. Fast wirkt es so, als wolle Menze ihnen hinterhersprinten. Trotz seiner dicken blauen Steppjacke wirkt der Fußballlehrer schlank.
Olivier Kruschinski hat es mit seinen „Mythos“-Touren, bei denen er die sehens- und liebenswerten Seiten Schalkes und Gelsenkirchens rund um „Kohle, Kult & Fußball“ zeigt, zu mehr als nur lokaler Bekanntschaft gebracht. Bei dem Treffen trägt Kruschinski zum Dreitagebart eine olivgrüne Jacke. In seinen nach hinten gekämmten Haaren steckt lässig eine schwarze Hornbrille.
Jetzt sind beide als Vorstände der „Stiftung Schalker Markt“ unterwegs. Benannt nach dem Zentrum des Stadtteils, wurde die vom Ex-Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies mit einem Stiftungskapital von einer Million Euro ausgestattet. Zwar ist der bei nicht wenigen Schalke-Fans als „Diktator“ verhasst. Doch Kruschinskis „Mythos“-Touren haben das Herz des milliardenschweren Fleischproduzenten offenbar so erweicht, dass Tönnies beschloss, dem Stadtteil unter die Arme zu greifen.
Die Kirche mit dem Fußball
Um über die Stiftung und den Stadtteil Schalke zu reden, bitten Kruschinski und Menze in die katholische St.-Josephs-Kirche. Das Gotteshaus liegt mitten im Viertel an der vierspurigen, lärmenden Kurt-Schumacher-Straße. Es soll bald profanisiert werden. Für Menze und Kruschinski aber ist St. Joseph ein Symbol, das zeigt, wie untrennbar der Stadtteil mit dem Fußball verbunden ist. „Schon die Kirchenfenster zeigen, wie fußballbegeistert die Menschen hier schon immer waren“, erklärt Kruschinski. „Nicht umsonst wird der heilige Aloisius als Spieler in Schalke-Farben, mit königsblauen Schuhen und Stutzen dargestellt. Und nicht umsonst liegt ein blau-weißer Fußball zu seinen Füßen.“
In Schalke haben die beiden selbst jahrzehntelang gelebt. Das Elternhaus des 68-jährigen Fußballtrainers liegt wie die Glückauf-Kampfbahn an der Kurt-Schumacher-Straße. „48 Jahre habe ich dort gewohnt, 15 Jahre zusammen mit meiner Frau und meinen beiden Kindern“, erzählt Menze. „Keine Sekunde“ habe er deshalb gezweifelt, bei der Stiftung mitzuarbeiten: „Ich will etwas für den Stadtteil und seine Menschen tun. Ich will, dass es den Leuten hier wieder besser geht.“
Den Frust, die Verzweiflung vieler, die trotz des Endes von Kohle und Stahl, trotz Massenarbeitslosigkeit Schalke nicht verlassen haben, kennt auch Olivier Kruschinski – aus Schalke ist der Sohn einer Französin und eines Nachfahrens polnischer Arbeitsmigrant:innen erst weggezogen, nachdem er das Zechenhaus seiner Großmutter gekauft hat. „Kraft, Mut und Hoffnung“ wolle er den Menschen zurückgeben, sagt der 46-Jährige. Kruschinski ist überzeugt: Der Ort Schalke, das sei komprimierte Geschichte – nicht nur des Fußballs, sondern auch der Migration und der Arbeit, des Bergbaus, der Industrie.
Den Stolz auf diese Geschichte und damit auf die Identität des Stadtteils wiederbeleben wollen die beiden, indem sie die Kristallisationsorte, mit denen Schalke gepflastert ist, wieder ins Bewusstsein rücken. „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten“, lautet das Motto ihrer Stiftung. In den Wiederaufbau des Eingangsportals der Glückauf-Kampfbahn sind deshalb knapp 200.000 Euro geflossen. Die denkmalgeschützte Tribüne ist neu beflaggt und leuchtet königsblau. In der St.-Josephs-Kirche könne ein Museum entstehen, das die Geschichte des FC Schalke 04 bis 1973 zeigt, hoffen Kruschinski und Menze – also bis zu dem Jahr, als der Verein seinen Stadtteil verlassen hat.
Denn „auf Schalke“ gespielt wird längst nicht mehr in Schalke: Die hypermoderne Arena des mit mindestens 217 Millionen Euro verschuldeten Vereins liegt wie ihr Vorgänger Parkstadion ein paar Kilometer weiter nördlich im Niemandsland Berger Feld.
Identität und damit Stolz stiften soll auch das „Blaue Band“ – die nächtliche Beleuchtung der Kurt-Schumacher-Straße in der Vereinsfarbe. „Das ist beim Landeanflug auf Düsseldorf selbst vom Flugzeug aus zu sehen“, freut sich Kruschinski. Gekostet hat die Lichtkunst rund 250.000 Euro. Die Viertelmillion kam über Spenden zusammen – ein Riesenerfolg. „Trotzdem“, sagt Bodo Menze, „wenn mir vor vier Jahren jemand gesagt hätte, dass hier bald richtig Geld für die Stadtteilerneuerung fließen wird, dass 40 bis 60 Millionen Euro investiert werden, hätte ich dem gesagt: 'Geh zum Arzt“.
Armut in 50er-Jahre-Gebäuden
Tatsächlich hofft Gelsenkirchens SPD-Oberbürgermeisterin Karin Welge für den besonders benachteiligten Norden Schalkes auf Städtebau-Fördermittel aus Düsseldorf. Wie eine Insel liegt Schalke-Nord mit der Glückauf-Kampfbahn eingezwängt in einem Gürtel aus Industrieanlagen, Bahngleisen, der Autobahn 42 und der Emscher. In manchen Betrieben wie Thyssenkrupp Electrical Steel, wo spezieller Werkstoff für Elektromotoren hergestellt wird, brummt die Produktion. Andere wie die alte Draht-Seilerei der Gutehoffnungshütte sind in weiten Teilen stillgelegt, rotten vor sich hin.
Überquert werden die Bahngleise zwischen Schalke und Schalke-Nord von der riesigen, 1963 von Willy Brandt eingeweihten Berliner Brücke. Auf ihr läuft die Kurt-Schumacher-Straße als Hauptverkehrsachse Gelsenkirchens. Auf ihrer Südseite begräbt das gigantische Stahlkonstrukt das Zentrum Schalkes.
Schmal, nicht einmal zwei Meter breit sind hier die Bürgersteige. Wie das ganze Ruhrgebiet ist Gelsenkirchen im Zweiten Weltkrieg massiv bombadiert worden. Ein großer Teil der oft vierstöckigen Häuser stammt deshalb aus den Fünfzigern, manche sind mit an sozialistischen Realismus erinnernden Stahlarbeiter-Plastiken geschmückt.
Häuser aus der Gründerzeit stehen nur noch wenige. Ihre reich verzierten Fassaden sind oft billig mit weißer Farbe zugeklascht worden, ohne die Details der vielen Ornamente hervorzuheben. Ein Besitzer hat es auf dieser Schalker Meile sogar geschafft, sein Haus in der Farbe des Fußball-Erzrivalen Dortmund zu streichen, also gelb – und erntet aus Protest viele blaue Farbbeutel-Würfe.
Verkauft wird auf dem Schalker Markt längst nicht mehr. Der einst vitale Ort hat sich in einen tristen Parkplatz verwandelt. Auf der Nordseite der Brücke sind viele Menschen längst vor Lärm und Schmutz geflohen. Trotzdem leben noch immer rund 4.500 Menschen in Schalke-Nord. Manche Familien leben schon seit Generationen hier, begreifen Schalkes Norden trotz allem als ihre Heimat. Andere können nicht weg, sind auf günstiges Wohnen angewiesen – die billigsten Kaltmieten liegen bei Neuverträgen aktuell bei 4,25 Euro pro Quadratmeter. Viele sind als Migrant:innen aus Osteuropa gekommen, dazu kommen Geflüchtete vor allem aus Syrien.
Geldmangel bestimmt ihr Leben: Die Arbeitslosenquote liegt noch über den 15,4 Prozent der Gesamtstadt. „Außerordentlich hoch“ sei die „Armutsbetroffenheit“ gerade der vielen kinderreichen Familien, hielt die Verwaltung schon 2019 fest: „Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen erhalten Sozialgeld“ – also die frühere Sozialhilfe.
Schalke soll wieder was werden
Besonders ihnen soll ein „Integriertes Entwicklungskonzept“ helfen, mit dem die Stadt Schalke-Nord stabilisieren will. Eine Kindertagesstätte wird gerade ausgebaut, eine weitere ist in Planung. Die einzige Schule wird modernisiert. Gegenüber soll ein Bürger-Begegnungszentrum entstehen, erklären die Stadtplanerinnen Irja Hönekopp und Alicia Ludwiczak bei einem Spaziergang. „Auch der Vorplatz der Glückauf-Kampfbahn wird umgebaut – und eine neue Überquerung der Hauptverkehrsachse der Kurt-Schumacher-Straße könnte als blauer Teppich gestaltet werden“, sagt Hönekopp.
Dazu könnten Dutzende weitere Projekte kommen: Fuß- und Radwege sollen ebenso ausgebaut werden wie Bus- und Bahnverbindungen. Sinken soll so die Verkehrsbelastung – schon heute fährt die Straßenbahnlinie 302 in Stoßzeiten im Fünfminutentakt.
In den Nebenstraßen Schalkes ist die Überbelegung mancher Wohnhäuser schon bei einem Blick durch die Tür zu sehen – die Wäsche muss im Hausflur trocknen. Andere Gebäude sind seit Jahren nicht mehr bewohnt, wirken mit ihren blinden Fenstern wie stillgelegte Lagerräume.
Einwohner Etwa 21.500 Menschen leben in Gelsenkirchen-Schalke, Abgetrennt durch Eisenbahn, Industriegürtel und die Berliner Brücke wohnen weitere 4.500 in Schalke-Nord. Zusammengenommen ist der zerrissene Gründungsort des Fußball-Traditionsvereins FC Schalke 04 damit Gelsenkirchens Stadtteil mit der zweitgrößten Bevölkerung: Mehr Einwohner:innen – derzeit etwa 32.800 - hat nur das als bürgerlich geltende Buer. Insgesamt zählt Gelsenkirchen aktuell noch rund 265.000 Menschen. 1959, zwei Jahre nach Beginn der Kohlekrise, waren es noch mehr als 391.000.
Armut Das Ende von Kohle und Stahl hat gerade das massiv industriell geprägte Schalke schwer getroffen: In Schalke sind noch immer 17,37 Prozent aller Menschen zwischen 15 und 65 arbeitslos. In Schalke-Nord ist dieser Anteil nur 0,1 Prozent geringer. Stadtweit beträgt die Arbeitslosenquote 15,4 Prozent. Hoch ist auch die Kinderarmut: Sozialgeld bekommen in Schalke 53,98 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren. In Schalke-Nord sind es sogar 61,26 Prozent. (wyp)
Die Schrottimmobilien werden nun abgerissen. Auf der „Schalker Meile“ nahe dem Glückauf-Stadion und dem Traditions-Vereinslokal Bosch, wo vor und nach Heimspielen des S04 alles in in Blau und Weiß getaucht ist, sind erste Baulücken zu sehen. Das ist nicht billig – doch die Alternative lautet: Ausbeutung. Denn als „Letztnutzung“ verlangen skrupellose Vermieter von Migrant:innen aus Osteuropa oder Papierlosen oft mehrere Hundert Euro im Monat. Die Gegenleistung sind ein Platz auf einer schmutzigen Matratze – und nicht selten illegal abgezapfter Strom aus lebensgefährlich zusammengestückelten Leitungen.
Auf der Suche nach einem besseren Leben dürften in den vergangenen Jahren etwa 10.000 Menschen aus Rumänien und Bulgarien nach Gelsenkirchen gezogen sein, schätzt Venetia Harontzas vom freien Stadtteilzentrum Lalok, benannt nach dem ehemaligen Ladenlokal. Zwar ist Venezia Harontzas ein echtes Schalker Mädel – doch der Frau mit ihren streng nach hinten gekämmten dunklen Haaren ist anzusehen, dass ein Teil ihrer Vorfahren griechische Wurzeln hatte.
Die 64-Jährige weiß, wie schwierig die Situation von Migrant:innen und Geflüchteten ist: „Klar haben wir Mädchengruppen, Kultur in jeglicher Form, Sprachcamps“, sagt Harontzas. „Das Wichtigste aber ist das kostenlose Mittagessen, das wir dank der Tafel anbieten können.“ Denn ohne das Angebot, sagt sie, „hätten nicht nur Kinder, sondern ganze bedürftige Familien oft Hunger“.
Venetia Harontzas, Stadtteilzentrum Lalok
Ist die Stiftung Schalker Markt mit ihrer Idee der Revitalisierung historischer Sehnsuchtsorte und die damit verbundene Hoffnung auf „Kraft und Mut“ also nur ein Marketing-Gag? Ist das Entwicklungskonzept der Verwaltung für Schalke-Nord zum Scheitern verurteilt? „Nein“, sagt Achim Weber entschieden – und der 66-Jährige, der nur wenige hundert Meter hinter der Schalker Grenze im Stadtteil Bulmke-Hüllen lebt, muss das wissen: Geprägt wurde Weber durch seinen Kunsterzieher am Gelsenkirchener Grillo-Gymnasium, den Beuys-Meisterschüler Johannes Stüttgen. 1978 war Weber Sänger der Salinos, einer der ersten deutschen Punk-Bands. „Danach habe ich ein paar Mal die Grünen mitgegründet“, lacht Weber.
„Menze und Kruschinski sind gute Leute“, sagt Weber, der selbst seit einem Vierteljahrhundert Vereinsmitglied des FC Schalke 04 ist – dieser Satz kommt im mit Lob notorisch sparsamen Ruhrgebiet einer Erhebung in den Adelsstand gleich. „Und natürlich finde ich es auch gut, dass die Stadtverwaltung erkannt hat, dass es massive Probleme gibt.“ Als Ex-Punk setzt er auf radikale Lösungen: „Die Berliner Brücke, dieses Monstrum, hat den Stadtteil zerschnitten, zerteilt, kaputtgemacht“, sagt der Verfechter des erweiterten Kunstbegriffs. „Diese Berliner Brücke“, sagt Weber, „die muss ganz einfach weg.“
Bodo Menze und Oliver Kruschinski glauben an ihre Mission. Die Lichtinstallation „Blaues Band“ wollen sie bis zur Innenstadt und bis zur Arena verlängern. Den von der Berliner Brücke erdrückten Schalker Markt werden im Sommer Künstlerkollektive bespielen – und lang genug gelöchert lässt Kruschinski Sympathien für die Idee erkennen, die monströse Bausünde zu beseitigen und die Brücke abzureißen.
Menze setzt auf den Emscherumbau, also die Verwandlung der in eine Betonrinne gezwängten Kloake des Reviers in einen sauberen Fluss. „Die allermeisten Leute hier haben noch gar nicht begriffen“, glaubt er, „dass sie hier bald am Wasser wohnen werden“. Mit der Glückauf-Kampfbahn, mit der Schalker Meile, mit Industrie-Ikonen wie der alten Seilerei der Gutehoffnungshütte habe der Stadtteil ein „riesiges Potenzial“, ist sich der einstige Entdecker vieler Bundesliga-Nachwuchsspieler sicher. „Dieses schlafende Dornröschen“, sagt Menze, „wollen wir wachküssen.“
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