Geldanlagen für Frauen: Fehlendes Finanzwissen
Frauen verdienen, investieren – und haben trotzdem weniger Geld. Finanzcoaching für Frauen ist ein florierendes Geschäftsmodell.
Es klingt nach einer guten Nachricht: Das Taschengeld-Gender-Gap schließt sich. Das liegt allerdings nur daran, dass alle Kids weniger bekommen. Vor drei Jahren erhielten Mädchen laut Kinder-Medien-Studie noch 23,70 Euro Taschengeld im Monat, Jungen 25,41 Euro. 2019 waren es bei den Töchtern nur noch 20,46 Euro und bei den Söhnen 20,57 Euro. Einkommensverluste sind jedoch nicht die Lösung für die Überwindung des finanziellen Gender-Gap. Und die ist mehr als überfällig. Weil Frauen deutlich weniger verdienen als Männer, haben sie eine niedrigere Rente und können auch weniger Geld auf die hohe Kante legen. Nach einer Umfrage im Auftrag des Bankenverbands spart knapp ein Drittel aller Männer monatlich Beträge über 200 Euro, bei den Frauen ist es nur ein Fünftel.
Geldanlage ist in Zeiten niedriger Zinsen gerade für Frauen mit vergleichsweise niedrigeren Rücklagen heikel. Früher konnte Geld auf dem Festgeldkonto geparkt oder in Bundesschatzbriefe gesteckt werden. Die Zinsen brachten mindestens einen Inflationsausgleich, das Kapital war sicher angelegt. Sicher ist es auch heute noch, aber eben nicht mehr als das. Nur wenige Frauen stecken ihr Geld in Unternehmenspapiere: 18 Prozent investieren in Aktien, Aktienfonds oder Wertpapiere. Bei den Männern sind es 27 Prozent.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Frauen kaufen nicht nur seltener Aktien, sie verhalten sich bei der Geldanlage auch anders, sagt Professorin Alexandra Niessen-Ruenzi von der Universität Mannheim. „Männer kaufen und verkaufen Aktien häufiger als Frauen“, sagt die Ökonomin, die über geschlechtsspezifische Unterschiede am Kapitalmarkt forscht. Allerdings haben Männer häufig die Kosten nicht im Blick, die Renditen schmälern oder gar auffressen. „Sie denken oft, dass sie gute Tipps oder eine besondere Anlagestrategie haben“, sagt Niessen-Ruenzi. Für diese Selbstüberschätzung zahlen sie durchaus mit hohen Verlusten. Doch gleichzeitig landen sie auch Treffer und fahren extreme Renditen ein. Frauen dagegen legen langfristig an und gehen weniger Risiken ein. Das kostet Rendite. „Frauen nutzen Chancen nicht“, sagt die Ökonomin. Ein Grund sind fehlende Kenntnisse über Finanzmärkte. Sie fordert: „Finanzmarktbildung gehört in die Lehrpläne von Schulen.“
Geldangelegenheiten gelten als Männersache
Das findet auch Antonia Grohmann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. „Es gibt einen Gender-Gap bei finanzieller Bildung“, sagt sie. In Studien wird das Finanzwissen an den Antworten auf drei Fragen festgemacht: Verstehen die Befragten den Zinseszinseffekt? Ist ihnen klar, dass Inflation zur Geldentwertung führt? Und sind ihnen die Risiken bewusst, wenn sie auf eine einzige Geldanlage setzen? Fast überall auf der Welt schneiden Frauen bei diesem Test schlechter ab als Männer, berichtet Grohmann. Noch immer gelten Geldangelegenheiten in vielen Regionen der Welt als Männersache. „Männer reden untereinander öfter über Geld und Geldanlagen als Frauen“, sagt sie. „Wenn man weniger hat, hat man auch weniger Grund, etwas über Geldanlage zu wissen.“
Wissenslücken machen Frauen – wie Männer – schnell zur Beute von FinanzvermittlerInnen, die mit falschen Versprechen locken. Investmentgesellschaften, Banken, aber auch unzählige Start-ups haben Frauen als Zielgruppe für teure Finanzverträge oder Dienstleistungen entdeckt. Ob private Rentenversicherung oder Transaktionen an der Börse, überall lauern Provisionen und Gebühren, die das mühsam Ersparte schmälern. Das Finanzgewerbe ist eine Männerbranche. Um Kundinnen zu erreichen, setzten viele Unternehmen wie die Sparkasse deshalb auf gezielte Werbung oder wie die Comdirect Bank auf spezielle Vertriebsteams. Ein grundsätzliches Problem: „Beratungsgespräche“ sind oft nichts anderes als Verkaufsgespräche. Dabei zählen nicht unbedingt die Bedürfnisse der Kundin, sondern der mögliche Verdienst der VermittlerIn.
Abgesehen davon kann es aber durchaus sinnvoll sein, dass sich Kundinnen in Finanzfragen gezielt an Frauen wenden, sagt Finanzmarktforscherin Niessen-Ruenzi. Denn Männer konzentrierten sich bei Verkaufsgesprächen oft auf ihre Geschlechtsgenossen und deren Bedürfnisse. Finanzvermittlerinnen bringen eine größere Empathie für Frauen mit, ihre Empfehlungen können bedarfsgerechter sein. Aber auch hier gilt: Wer ahnungslos in solche Gespräche geht, droht über den Tisch gezogen zu werden. „Wichtig ist, ganz genau hinzuschauen und die Kosten nie aus dem Blick zu lassen“, rät Niessen-Ruenzi.
Finanzcoaching für Frauen ist längst zu einem Geschäftsmodell geworden. Mit Onlinekursen und Seminaren lässt sich Geld verdienen. Bei Madame Moneypenny, einem der bekanntesten Blogs in der Frauenfinanzszene, kostet ein Basis-Onlinekurs 1.997 Euro. Mit der taz will die Gründerin Natascha Wegelin nur unter der Bedingung sprechen, vorab Fragen zugeschickt zu bekommen und den kompletten Text vor Veröffentlichung zu lesen – was die taz grundsätzlich nicht macht. Unter „Geldfrau.de“ bloggt Dani Parthum über Finanzthemen. „Es geht um finanzielle Selbstbestimmung“, sagt die Ökonomin und Wirtschaftsjournalistin. „Das ist eine Frage von Mut, Wissen, Disziplin und Entschlossenheit.“ Ein großes Thema bei ihren Klientinnen ist die Angst vor Altersarmut. „Frauen haben Angst, nicht genug dagegen zu tun, weil sie merken, dass sie nicht genug wissen“, sagt sie. Parthum coacht Frauen in Geldfragen gegen Honorar und bietet Onlinekurse und zweitägige Seminare an.
Hype um Aktienpakete aus Indizes
Mechthild Upgang von den FinanzFachFrauen, einem Verbund von 30 Finanzexpertinnen, erinnern solche Angebote an „In 100 Tagen zur Traumfigur“-Ratgeber. „Da ist alles easy, die Botschaft ist: In zwei Tagen bist du eine tolle Anlegerin“, kritisiert Upgang. Bloggerin Parthum will das nicht gelten lassen. „Das ist ein Berufsschutzargument“, sagt sie. „Es wird in der Branche immer so getan: ‚Ach, alles ist so kompliziert.‘ Nein, das ist es nicht.“
Doch Upgang findet, so einfach sei die Sache eben nicht. Zurzeit sind sogenannte ETFs groß in Mode – also Pakete von Aktien aus Indizes wie dem DAX. Steigen die Indizes, steigt auch der Wert des Aktienpakets. Fallen sie, fällt aber auch deren Wert. Der Hype um die ETFs erinnert Upgang an die Zeiten der großen Börseneuphorie um die Jahrtausendwende. Damals gab es viele Frauen-Investmentclubs. Als der DAX von 8.000 Punkten auf 2.400 stürzte, lösten sie sich auf. „Heute denken viele, ein ETF ist wie ein Sparbuch mit einer Rendite von 7 Prozent“, sagt Upgang. Spätestens wenn die Börsen wieder in die Knie gehen, würden die Anlegerinnen aber merken, dass das nicht so ist.
Die FinanzFachFrauen sind Maklerinnen und Vermögensverwalterinnen, sie leben von Provisionen und Servicegeldern, die von Vermögen abgezogen werden, die ihre KlientInnen anlegen. Der Status von VermittlerInnen ist wichtig: MaklerInnen müssen im Interesse ihrer KundInnen handeln und haften dafür. VertreterInnen dagegen sind ausschließlich den Unternehmen verpflichtet, deren Verträge sie verkaufen. Echte BeraterInnen vermitteln nichts und nehmen ein Honorar.
Maßgeschneiderte Finanzberatung
„Eine gute Finanzberatung ist wie eine Maßschneiderin“, sagt Upgang. Die 28-jährige Berufseinsteigerin, die 100 Euro im Monat zurücklegen möchte, braucht etwas anderes als die Geschiedene, die mit 53 eine sechsstellige Summe zur Verfügung, aber keine große Rente zu erwarten hat. „Männer beraten nicht schlechter als Frauen“, sagt Upgang. „Aber die Gesprächsebene ist anders.“ Nach ihren Erfahrungen möchten Frauen offen von ihren Sorgen erzählen. Viele Mütter etwa legen nicht gerne ihr gesamtes Geld für längere Zeit fest an, sie wollen schnell verfügbare Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben für die Kinder haben.
Upgang ist seit 30 Jahren im Geschäft. „Bei jüngeren Frauen merken wir, dass sie ziemlich gut informiert sind“, sagt sie. Diese Klientinnen kommen mit sehr konkreten Fragen – aber wagen nicht, ihre Kapitalanlagen selbst zusammenzustellen. „Frauen überschätzen sich nicht so wie Männer“, sagt Upgang, zu der auch Männer kommen. Die berichten oft von ihren Söhnen, die im Internet alle Geldangelegenheiten selbst managen. Sie sagt: „Frauen erzählen das von ihren Töchtern nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl