Gelbwesten in Frankreich: Der Protest ist nicht totzukriegen
Die Gelbwesten protestieren weiter. Sie beginnen, sich zu strukturieren. Präsident Macron hat sich nun mit einem Brief an die FranzösInnen gewendet.
Macron erklärte in einem am Sonntagabend veröffentlichten Brief, wie er auf die Beschwerden und Forderungen der Gelbwesten-Bewegung eingehen wolle. Dazu gehöre eine „große Debatte“ in örtlichen Veranstaltungen überall in Frankreich, die bereits am Dienstag beginnen sollen. Themenschwerpunkte sollen Steuern, der Öffentliche Dienst, Klimawandel und Demokratie sein.
Am Samstag hatten in Paris und anderen Städten Frankreichs wieder mehr als 100.000 Personen, mit und ohne gelbe Westen, für mehr Volksrechte und Kaufkraft und weniger Macron demonstriert. Es war bereits das neunte Mal seit dem 17. November. An den neuen Kundgebungen beteiligten sich in Paris rund 10.000 Menschen, besonders gut besucht waren sie wie schon an den Wochenenden zuvor in Bordeaux, Toulouse, Caen und Nantes. Mehr als 6.000 folgten einem Aufruf von Priscillia Ludosky, einer bekannten Gelbwesten-Sprecherin, in das zentral gelegene Städtchen Bourges.
Die Hoffnung der Behörden, dass der Bewegung nach dem Jahreswechsel die Puste ausgehen würde, hat sich zerstreut. Im Gegenteil: Die Gelbwesten beginnen sich zu strukturieren. Erstmals war bei der Demonstration in der Hauptstadt so etwas wie ein Ordnungsdienst mit weißen Armbinden zu sehen. „Mehr Leute, weniger Gewalt“, lautete die Bilanz der Nachrichtensender BFM und LCI, die jeden Samstag die Gelbwesten-Aktionen live übertragen.
Vielleicht hat Macron mit einer provokativen oder zumindest unbedachten Bemerkung die Mobilisierung neu entfacht. Er wollte am Freitag bei einem Treffen mit Bäckern seine Landsleute zu mehr Leistungswillen anspornen und sagte: „Die gegenwärtigen Probleme in unserem Land rühren manchmal daher, dass viele Bürger meinen, sie könnten etwas ohne Anstrengung bekommen.“
Mit seinem Brief an die Nation möchte Macron nun den Auftakt zu einer „großen Debatte“ geben, bei der grundsätzlich alle ihre Meinung zu Fragen wie Steuern, Institutionen, öffentliche Dienste oder Energiewende äußern oder ihre Forderungen anbringen können. Die Zweifel am Nutzen dieser Anhörung des existierenden Volkszorns wachsen. Die Vereinigung der BürgermeisterInnen der 36.000 Kommunen des Landes hat bereits gesagt, dass sie nicht als „Handlanger des Präsidenten“ die lokale Organisierung dieser improvisierten Befragung besorgen wolle.
In den Reihen den Gelbwesten wird der Dialog ohnehin als Ablenkungsmanöver kritisiert. Sie wollen weiterhin die Möglichkeit, auf Initiative der Bürger Volksabstimmungen zu verlangen.
(mit ap)
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