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Gelbwesten-Proteste in FrankreichMacron verspricht Zugeständnisse

In einer Fernsehansprache kündigt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sozialpolitische Maßnahmen an. Die Forderungen der Protestbewegung gehen aber weiter.

Auf dem Schirm: Emmanuel Macron am Montagabend im französischen Fernsehen Foto: ap

Paris dpa | Mit Zugeständnissen in der Sozialpolitik versucht der französische Präsident Emmanuel Macron, die „Gelbwesten“-Krise in den Griff zu bekommen. Der Staatschef kündigte am Montagabend in einer Fernsehansprache an, dass der Lohn für Beschäftigte auf Mindestlohn-Niveau um 100 Euro pro Monat ansteigen werde.

Beschäftigte sollen auch eine Jahresendprämie erhalten, wenn Arbeitgeber dazu in der Lage sind: „Wir wollen ein Frankreich, in dem man würdig von seiner Arbeit leben kann“, erklärte der 40-Jährige.

Premierminister Édouard Philippe werde diese und andere Maßnahmen am heutigen Dienstag den Abgeordneten vorstellen, kündigte Macron an. Von der rechten Opposition kam Kritik. Macron habe nicht erkannt, dass seinem Konzept mit einer „ungeregelten Globalisierung“ widersprochen werde, teilte die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit.

Macron stand unter großen Handlungsdruck. Denn am vergangenen Samstag waren wieder weit mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen, davon mindestens 10.000 in Paris. Es war das vierte Wochenende in Folge, an dem die Bewegung der „Gelben Westen“ in großem Stil zu Protesten aufgerufen hatte.

Keine Wiedereinführung der Reichensteuer

Macron lehnte eine Wiedereinführung der weitgehend abgeschafften Vermögensteuer für wohlhabende Bürger ab. Er brauche aber die Unterstützung von großen Unternehmen und vermögenden Bürgern – und kündigte dazu baldige Entscheidungen an.

Es gibt Zweifel, dass die Zugeständnisse Macrons und der Mitte-Regierung von Premier Philippe ausreichen werden. Die Forderungen der „Gelbwesten“ sind mittlerweile weitgehender. Für kommenden Samstag gibt es bereits neue Aufrufe zu Protesten.

Die Protestbewegung der „Gelben Westen“ hatte sich Mitte November angesichts geplanter Steuererhöhungen auf Kraftstoffe formiert. Dieses Vorhaben hatte die Mitte-Regierung in der zurückliegenden Woche auf Eis gelegt. Die Forderungen der Demonstranten reichen jedoch viel weiter – von Steuersenkungen bis hin zum Rücktritt Macrons.

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9 Kommentare

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  • Und was ist dann? Jetzt ist nicht mehr Italien das Problem, sondern Frankreich, das dann die drei Prozent Haushaltsziele nicht mehr einhalten kann!!! Gibt es dann auch ein Verfahren der EU gegen Frankreich? Oder hilft Merkel ihrem Freund mit dem dt. Scheckbuch, oder das EZB Scheckbuch? Italien ist das kleinste Problem. Frankreich ist DAS Problem!



    28.05.2018, www.faz.net/aktuel...eren-15611872.html,



    02.06.2016, | www.welt.de/wirtsc...r-Europa-wird.html

  • Macron gibt Zugeständnisse an alle Rentner, die weniger als 2.000 € Rente bekommen (97,5 % des letzten Lohnes). In Deutschland liegt die Durchschnittsrete bei 950 €....Aber: Deutschland hält still. Ist das nicht irgendwie merkwürdig. Macron in diesem Video wirkt nicht sicher, er gleicht eher einem angeschlagenen Boxer! Es gibt keine Verbindung zwischen ihm und den Bürgern. P. S.: Wann endlich werden sich die Deutschen gegen die Winzigrente in einem der reichsten Länder der Erde zur Wehr setzen?? Es wäre an der Zeit!

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Wilfried Bergmann:

      In Frankreich liegt die monatliche Durchschnittsrente bei 1389€ Brutto im Monat, Tendenz fallend. Die Jahrgänge ab 1970 müssen 43 Jahre kleben, um ihre volle Rente zu erhalten, das sind 50% vom Bruttogehalt der 20 beitragsstärksten Jahre, dazu kommen noch Betriebsrenten, die nach Punkten berechnet werden und nicht nach Trimester. Jemand der den gesetzlichen Mindestlohn verdient, das sind rund 6 Millionen Arbeitnehmer würde bei vollen Satz ungefähr 700€ Rente von der Sozialversicherung bekommen und dann Betriebsrente, wobei es oft vorkommt, dass jemand nicht sein ganzes Leben für einen Arbeitgeber arbeitet, der Beiträge an die Zusatzkasse Arrco genannt abführt. Frauen haben im Schnitt 42% weniger Rente als Männer.

  • 2019 senkt Macron den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung um viele Milliarden Euro. Die Erhöhung der Kaufkraft ist purer Zynismus, denn er soll die Unternehmen nicht belasten. Die Zeche zahlen die Betroffenen selber.



    Reiche und Superreiche sind steuerlich extrem entlastet. Der Staatshaushalt wird voraussichtlich die Stabilitätsgrenze von 3% überschreiten, wenn sie nicht sowieso schon überschritten ist. Da wird er sich der großzügigen Solidarität der deutschen Regierung sicher sein können und dennoch auch hier einen Preis zahlen müssen in Richtung europäischer Wehrmacht, den er bereits angekündigt hat.

    Dieser Präsident ist nicht nur knallhart gegenüber der arbeitenden Bevölkerung, er scheint sie auch zu verachten. Und er trägt bei zum Umbruch in rechtsnationale Zeiten, sofern er nicht mit Gewalt die herrschenden Verhältnisse durchsetzen wird und damit die Demokratie beendet.

    Wer Frankreich ein wenig kennt und vielleicht auch einige Franzosen ganz persönlich, kann sich schnell davon überzeugen, dass Normalverdiener in den letzten Jahren wie auch in Deutschland immer weniger Geld zum Leben haben. In Frankreich kommt hinzu, dass aufgrund der ländlichen Strukturen und des teils obsoleten ÖPNV ein Automobil unverzichtbar ist, zumal Einkäufe ohnehin nur noch weit außerhalb auf der grünen Wiese möglich sind. Man fahre z.B. einmal durch die Picardie und schaue sich die verrammelten kleinen Läden in kleineren Provinzstädten an. Schlimmer gehts nimmer.

    Wenn die Gelbwesten jetzt nachlassen, haben sie den Kampf verloren. Dann war alles umsonst. Dann kommt die Zeit für Marine Le Pen.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      40 Milliarden€ kostet dem französischen Steuerzahler die Umwandlung des "crédit d'impôt compétitivité emploi ( CICE )", der unter Hollande eingeführt wurde als ein gewisser Emmanuel Macron Wirtschaftsminister war, in eine Reduzierung des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung. Nur wird diese Summe nicht mehr aus dem Steuertopf genommen, sondern aus dem Sozialversicherungstopf. Mit diesem Trick sollte es gelingen, die Staatsverschuldung unter der 3% Marke trotz effektiver Mehrausgaben zu halten. Jetzt haben die Gelbwesten ihm ein Strich durch die Rechnung gemacht, denn die Massnahmen, die er ankündigt, kosten dem Steuerzahler rund 10 Milliarden€. Jetzt heisst es in Angesicht der ernsten Lage kann die goldene Regel von 3% nicht eingehalten werden. Im Klartext: Die Gelbwesten sind Schuld an der Verschlechterung der Haushaltslage, denn 100€ mehr pro Monat, heisst es auf allen Kanälen, ist eine gewaltige Anstrengung für die nationale Solidarität. Damit werden die Geringverdiener verantwortlich für die leeren Staatskassen gemacht, die von den Superreichen ausgepumpt werden.



      Konsequenz: Noch weniger öffentlicher Dienst, Schliessung von Krankenhäusern, Grundschulen im ländlichen Bereich, bien fait pour leurs gueule, Ah ces cons de gilets jaunes...! Man hört schon das Gelächter in den Bürgerpalästen des 16. Arrondissement, da wo übrigens auch die deutsche Botschaft ist...

  • Typisch neoliberal: Die Bitte ( deutsch ) oder Forderung ( französisch ) der Armen, vom nunmehr zur Gänze von ihnen bezahlten Brot ein paar Brösel mehr zu bekommen wird gekontert durch das großherzige Angebot, dass dies zwar schmerzhaft, aber möglich sei -wenn die Armen ein größeres Brot bezahlen.



    So logisch wie genial.

  • unglaublich, wie lobbyistisch macron agiert:



    die steuern für reiche bleiben abgeschafft.



    die steuern der mittelschicht werden verwendet für eine subventionerung des billiglohnsektors. die unternehmen können weiter unterirdische löhne zahlen.



    und ebenfalls aus den steuern der arbeitnehmer*innen wird eine erhöhung des nettolohns für überstunden finanziert. nach der nächsten mieterhöhung muss man also bloß noch mehr überstunden schrubben. die unternehmen decken die gleiche arbeit mit weniger personal ab, der konkurenzdruck selbst auf schlechte jobs steigt weiter. arbeitnehmer*innen lassen sich noch mehr gefallen und haben noch weniger zeit für ein auskömmliches leben einzustehen. gleichzeitig nimmt unter den unzufiredenen die spaltung zu zwischen jenen, die keinen job abbekommen und jenen, die ihn mit aller kraft verteidigen, wie ausbeuterisch er auch ist.

    ich hoffe, die gelben schicken macron nach hause und verlangen einen weniger unterschichtfeindlichen neoliberalen vorschlag.

  • - "...dass der Lohn für Beschäftigte auf Mindestlohn-Niveau um 100 Euro pro Monat ansteigen werde."



    Na, der hat Nerven! Zuerst die Leute ans und unters Existenzminimum drücken und dann versuchen sie mit windigen 1200.-- Euro/Jahr (die natürlich auch wieder versteuert werden) zu bestechen, ihn auf dem wacklig gewordenen Thron zu belassen. Dafür sollen die ihm nun wohl auch noch dankbar sein.



    Und dann wirds richtig billig:



    - "Beschäftigte sollen auch eine Jahresendprämie erhalten, wenn Arbeitgeber dazu in der Lage sind".



    Versprechungen ins Blaue hinein, die Andere (Arbeitgeber) einhalten sollen, wenn sie wollen. Exakt mit derartigen Formulierungen in den Arbeitsverträgen haben Arbeitgeber uns in Deutschland das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld geklaut.



    Bloß weil er mit Ach und Krach vom französischen Volk gewählt wurde, sollte Macron sich trotzdem hüten diese für blöd zu halten.



    Insgesamt eine wirklich billige Nummer!

  • Schicker güldner Rahmen in dem er da spricht. Ob das klug war sei dahingestellt.

    Grundsätzlich richtige Ansätze, dass die Leute Anspruch auf höhere Löhne mehr netto haben wie Überstunden oder Sonderzahlungen an Weihnachten steuerfrei usw.

    Das Timing war lausig (bzw. Eigenantrieb = null) und daher wird das schwerlich reichen.....