Geistliche Seelsorger in der Bundeswehr: Muslime warten
Die Einführung von Militärimamen bei der Bundeswehr ist nicht in Sicht. Der Dachverband der Muslime drängt seit Langem auf Gespräche.
Die Bundeswehr bekommt demnächst erstmals Militärrabbiner als Seelsorger für jüdische Soldaten. Die Einführung von Militärimamen ist aber noch in weiter Ferne. In Islamverbänden und im Verteidigungsministerium gibt es seit Jahren Überlegungen darüber, wie die Militärseelsorge für die geschätzt 3.000 muslimischen SoldatInnen der Bundeswehr organisiert werden könnte.
Während das Verteidigungsministerium und der Zentralrat der Juden am Freitag einen Staatsvertrag abgeschlossen haben, ist eine Einigung mit VertreterInnen des Islams aber nicht absehbar.
Das Problem aus Sicht der Regierung: Die Konfessionen und Organisationen des Islams in Deutschland sind zu zersplittert. „Mit dem Zentralrat der Juden können wir einen Staatsvertrag schließen, weil er die Juden in ihrer Mehrheit vertritt und für die Bundesregierung ein rechtlich passendes Gegenüber ist. Bei Muslimen gibt es keine zentrale Vertretung in dieser Form“, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums.
Man wolle zwar eine Lösung finden, um „trotzdem das seelsorgerliche Betreuungsangebot für Soldatinnen und Soldaten islamischen Glaubens“ zu verbessern. Das brauche aber noch Zeit.
Muslime wollen Fahrplan
Aus Sicht von Aiman Mazyek dauert der Prozess schon zu lange. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, eines von mehreren islamischen Dachverbänden, sagte der taz, seine Organisation werbe schon seit zwanzig Jahren für Militärimame. „Wir sind bereit. Wir bekommen viele Rückmeldungen von Soldatinnen und Soldaten, die das Bedürfnis nach Militärimamen haben. Unser Appell an das Ministerium ist, dass wir uns zusammensetzen und zumindest einen Fahrplan entwickeln.“
Zumindest langfristig solle das Ziel auch für die islamische Militärseelsorge ein Staatsvertrag sein.
Bis auf Weiteres bleibt für Muslime aber nur der Service der „Zentralen Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen“. Die 2015 gegründete Bundeswehr-Abteilung vermittelt auf Anfrage zivile Seelsorger – nicht nur für Muslime, sondern auch für Orthodoxe, Buddhisten oder Hindus in der Bundeswehr. Staatsverträge für diese oder andere Religionsgruppen sind derzeit nicht geplant.
Gänzlich unumstritten ist das System sowieso nicht. „Militärseelsorge an sich lehnen wir ab, da die Militärseelsorger*innen in das militärische System eingebunden sind“, sagt der Linken-Abgeordnete Tobias Pflüger. Wenn es schon Militärseelsorge gebe, sei eine Gleichbehandlung der verschiedenen Religionen und Nichtreligiösen nötig. „Dieser Beistand muss jedoch immer völlig unabhängig von der Bundeswehr sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr