Geht’s noch?: Abgefahren
Die Euphorie um Schulz scheint grenzenlos, und plötzlich sprechen alle vom „Schulzzug“. Doch was soll das eigentlich bedeuten?
Wie ein richtiger Medienstar hatte er schon einen kleinen Skandal: Der Schulzzug fuhr in einem Onlinespiel Frauke Petry um und sorgte damit vor gut einer Woche für ein bisschen Trubel. Forsch darf der Schulzzug sein, aber bitte nicht gewalttätig.
Schon längst fährt der Schulzzug (bzw. Schulz-Zug) durch die Meldungen und Kommentarspalten. Zum Beispiel nach der Saarland-Wahl: „Haltesignal für den Schulz-Zug“ (FAZ) oder „Schulz-Zug ist doch kein ICE“ (ZDF-Chefredakteur Peter Frey im „heute-journal“).
Der Schulzzug steht für 10.000 neue Parteieintritte, für lächelnde SPD-Gesichter, für 100 Prozent der gültigen Stimmen auf dem SPD-Parteitag. Die Kür von Martin Schulz hat etwas losgetreten, das irgendwie mit Euphorie beschrieben werden kann. Oder eben mit einem Schnellzug, der an einem vorbeirauscht.
Es ist fast absurd, wie schnell sich die Zug-Metapher etabliert hat. Dabei funktioniert sie nicht einmal richtig als Sinnbild. Ist Martin Schulz der Zug? Ist er der Schaffner? Wo fährt er hin? Wo macht er halt? Wen nimmt er mit? Alles Fragen, die noch von keinem Leitartikel beantwortet wurden.
„Schulzzug“, das klingt wie aus der Texterstube einer PR-Agentur, als ein Teil der großen Martin-Schulz-Show. Sein ganzes Auftreten ist ja sehr klug inszeniert. Dass Schulz zum Beispiel oft in einer Art Arena spricht, wie auf dem Parteitag, als er Kanzlerkandiat wurde. Der Effekt: Auf den Fotos – egal aus welcher Richtung geschossen – sind Menschen im Hintergrund zu sehen. „Volksnah“ lautet die Subbotschaft. Genial. So gesehen, ist auch der Schulzzug perfekt. Lauter positive Assoziationen gibt es dazu: Bodenständigkeit, Kraft, Durchsetzungsstärke, Arbeiterklasse. Alles Oldschool sozialdemokratisch. Außerdem zischt es zwischen den beiden Silben so schön.
Im besten Fall macht eine Metapher klüger, weil ihre Bildhaftigkeit neue Bedeutung schafft. Benennt der Zug also das, worum es geht? Das Interessante am Phänomen Schulz ist ja nicht unbedingt der Mann, sondern seine Wirkung. Im Theater würde man sagen: Die anderen spielen den König. Nicht wie der König geht, steht, spricht, ist entscheidend, sondern wie alle anderen auf ihn reagieren. Vielleicht sollten wir den Schulzzug anhalten (oder aussteigen? Keine Ahnung) und uns Gedanken um eine neue Lieblingsmetapher machen. Amna Franzke
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