Geheimdienste in Belarus und Georgien: Totale Panik
Die Geheimdienste in Minsk und Tiflis wollen verstärkt kooperieren. Belaruss*innen, die nach Georgien geflüchtet sind, fürchten um ihre Sicherheit.
Denn in diesem Monat ist ein Abkommen in Kraft getreten, das eine Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten der beiden Länder vorsieht. Laut der Übereinkunft, die bereits 2016 unterzeichnet wurde, verpflichten sich Minsk und Tiflis, regelmäßig Daten auszutauschen und beim Kampf gegen „Terrorismus“, Korruption sowie Verbrechen „gegen die verfassungsmäßige Ordnung, die Souveränität und die territoriale Integrität“ zu kooperieren.
Pikanterweise sind es genau auch solche Straftatbestände, wie Terrorismus, Extremismus oder Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, derer die belarussische Staatsmacht von Alexander Lukaschenko ihre Kritiker*innen beschuldigt, um sie zu verfolgen und hinter Gitter zu bringen.
Auch Dmitri Schernych, Vize-Vorsitzender des belarussischen Helsinki-Komitees, ist aufgerufen. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Sicherheit von Aktivist*innen in Georgien davon abhängt, wie sich Georgien zu der politischen Position in Belarus positionieren wird. Sollte Tiflis die Agenda des Minsker Regimes im Hinblick auf die Aktivist*innen unterstützen, werden diese in Georgien bedroht sein“, sagte er gegenüber dem Nachrichtenportal oc-media.org.
Informationen über Finanzen
Zumindest über mögliche Auslieferungen schweigt sich das Abkommen aus. Doch das trägt kaum dazu bei, die Gemüter der Belaruss*innen im temporären Exil zu beruhigen. Denn sie befürchten, dass die belarussischen Behörden trotzdem an Informationen herankommen könnten – zum Beispiel über ihre finanzielle Situation.
Laut der belarussischen Aktivistin Marischa Korsch, die sich derzeit ebenfalls in Georgien aufhält, könnte Minsk versuchen, Kritiker*innen beispielsweise der Steuerhinterziehung oder der Beteiligung an Drogengeschäften zu bezichtigen, um so an Informationen aus Georgien über die finanzielle Lage bestimmter Personen zu gelangen und dann Strafverfahren einzuleiten.
Das wäre kein Novum. Am 4. August 2011 wurde der Leiter des belarussischen Menschenrechtszentrum Vjasna (Frühling), Ales Bjaljazki, in Minsk unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung festgenommen. Die entsprechende Nachbarschaftshilfe hatten freundlicherweise die beiden EU-Staaten Litauen und Polen geleistet, die die Minsker Behörden mit Daten über Bjaljazkis ausländische Konten versorgt hatten. Im Oktober 2011 erging das Urteil: viereinhalb Jahre Haft. Am 21. Juni 2014 kam Bjaljazki vorzeitig auf freien Fuß.
Seit das Abkommen in Kraft getreten ist, hagelt es Kritik – nicht nur aus dem Ausland, sondern auch vonseiten der georgischen Opposition. Die Partei Droa zeigte sich entsetzt, die Gruppierung „Europäisches Georgien“ bezeichnet den Deal als „schändlich“.
Menschenrechte als Ermessenssache
Von offizieller georgischer Seite meldete sich unlängst nur der Geheimdienst SSSG zu Wort und sprach von einer Kampagne, mit der er diskreditiert werden solle. Und überhaupt: Ähnliche Abkommen gebe es bereits mit den USA, Großbritannien sowie einigen EU-Staaten. Georgien sei dadurch nicht gezwungen, seinen „staatlichen Interessen“ zuwider zu handeln.
Damit ist offensichtlich auch der Artikel 5.6 gemeint. Darin heißt es: Die Vertragsparteien könnten sich weigern, Forderungen der anderen Seite nachzukommen, die im Widerspruch zu Menschenrechten, der nationalen Gesetzgebung oder internationalen Verpflichtungen stünden.
In einem Statement von Amnesty International vom 20. August heißt es, dass diese vagen Formulierungen den Schutz der Menschenrechte zu einer Ermessenssache der Geheimdienste von Belarus und Georgien mache. Das Abkommen könnte ein weiteres Instrument werden, um Lukaschenko-Kritiker*innen im Ausland unter Druck zu setzen.
Auch eine belarussische Journalistin, die seit über einem Monat in Georgien ist und anonym bleiben möchte, hat Angst: „Wir machen uns keine Illusionen. Georgien versucht eine Art von Neutralität aufrechtzuerhalten. Sollte unser illegitimer Präsident jedoch Unterstützung brauchen, wird er sie von Georgien auch bei einer Auslieferung bekommen“, sagte sie der taz.
Wahrscheinlich hat sie, wie viele andere auch, noch das Schicksal des aserbaidschanischen Investigativjournalisten Afghan Muktarli in lebhafter Erinnerung. Der war am 29. Mai 2017 am helllichten Tag im Zentrum von Tiflis gekidnappt und an die georgisch-aserbaidschanische Grenze gebracht worden. Wegen illegalen Grenzübertritts und angeblichen Schmuggels von 10.000 Euro wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt. Knapp drei Jahre davon saß er ab.
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