Gegenöffentlichkeit: Hochpolitische Werbespots
Die Filmaktivisten von Ak Kraak sehen sich als Alternative zum Mainstream. Nach zweieinhalbjähriger Pause läuft im Kino "Lichtblick" ihr 25. Videomagazin.
Die Toilette einer Diskothek. Im Hintergrund ballern die Technobeats. Zwei aufgetakelte Männer - die zwei Teenie-Mädchen mimen - stehen vor dem Spiegel und überprüfen ihr Make-up. Es entbrennt eine Unterhaltung über die ausländischen Männer auf der Tanzfläche. Die eine fragt: "Verhütest du?" Die andere verneint. "Aber hast du denn keine Angst, dass du unser deutsches Blut verunreinigst?", fragt ihre Freundin empört. Die Gefragte zeigt ihr daraufhin eine Packung mit dem Aufdruck "Ethnoprop". Es handelt sich um ein Diaphragma, das angeblich nur deutsche Samenzellen durchlässt. Die Szene ist ein vermeintlicher Werbespot. "Dein Uterus ist wichtig für Deutschland" ist der Slogan. Die Zuschauer im Kino Lichtblick in Prenzlauer Berg krümmen sich vor Lachen.
Die Videoaktivistengruppe "Ak Kraak" ist zurück. Am Mittwochabend präsentierte die Gruppe ihr 25. Videomagazin. Zweieinhalb Jahre sind seit der letzten Ausgabe vergangen. "In der Zwischenzeit haben wir uns dem Studium, der Büroarbeit oder anderen Projekten gewidmet", erklärt Florian. Er ist seit dem Jahr 1992 bei Ak Kraak aktiv.
Die Gruppe, die nach der Tagesschau der DDR "Aktuelle Kamera" und dem niederländischen Wort für Krake benannt ist, produziert seit 1990 ihr Magazin und ist aus der Hausbesetzerszene hervorgegangen. Heute leben vier Mitglieder der Gruppe in dem einstmals besetzen Haus K77 in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg; hier sind auch der Schnittraum und das Büro der Gruppe untergebracht. Die Verbindung zur Besetzerszene sei zwar immer noch da, aber inzwischen nicht mehr so stark. Schließlich gibt es "kaum noch besetzte Häuser in der Stadt", sagt Florian, der auch ein Zimmer in der K77 hat.
Das Konzept der Gruppe: "Eine Alternative zu den Mainstream-Medien zu sein", sagt Florian. Diese Haltung verdeutlicht der Frontex-Spot ganz gut. "Der Clip bringt das aktuell sehr brisante Thema der europäischen Grenzpolitik satirisch und provokant rüber", erklärt der Filmemacher, der auch als Übersetzer arbeitet. Die Gruppe ist seit ihren Anfangszeiten bemüht, Themen, die von den Mitgliedern als interessant befunden werden, in Form von kurzen Videos aufzuarbeiten.
Andere Filme der 25. Ausgabe drehen sich um den G-8-Gipfel, das bis vor wenigen Monaten von der Räumung bedrohte Hausprojekt Köpi und die Gentrifizierungsproblematik in der italienischen Stadt Palermo. Für die Beiträge habe sich die Gruppe viel Zeit genommen, um einen tieferen Einblick in die Thematik zu ermöglichen. "Das ist unser neues Konzept", erklärt der Italiener Amex, der sich das Drehbuch für den Clip über Palermo ausgedacht hat.
Amex, der 25 Jahre alt ist und seit vier Jahren in Berlin lebt, ist von der Arbeitssituation bei Ak Kraak begeistert. "Hier kann ich frei sein, da es keine Produktionsleiter oder Regisseure gibt", sagt Amex, der auch für den Fernsehsender Arte arbeitet. Amex verzichtet auf das Stilmittel der Satire, um seine Clips zu gestalten. "Dadurch wirkt unsere Arbeit seriöser", ist er sich sicher. Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Witz sei die wichtige Quintessenz der Spots.
Die Clips entstehen immer durch die Arbeit im Kollektiv, berichtet Florian. Das Konzept für den Frontex-Spot habe er geschrieben. Das Thema und die Idee mit der Männerbesetzung für die beiden Disko-Mädchen habe dann die Gruppe beigesteuert.
Die Spots sind auch auf der Internetseite der Gruppe zu finden. Diese Seite würden die Mitglieder nutzen, um weitere Clips zwischen zwei Magazin-Ausgaben zu präsentieren. "Das Internet ist für uns relevant, um uns mit anderen Gruppen von Videoaktivisten zu vernetzen", erklärt Florian. Ein Resultat der Netzwerksarbeit ist die Einbindung von Gastbeiträgen in das Magazinprogramm, wie zum Beispiel ein Bericht über die aktuellen G-8-Proteste in Japan. Internetportale wie Youtube würden die Aktivisten nicht so gern nutzen, da "die Rechte an Youtube gehen, sobald das Video auf deren Seite steht".
In der K77 wollen die Videoaktivisten in Zukunft wieder monatlich neue Kurzfilme präsentieren. Der Termin ist jeweils der letzte Freitag im Monat. Ihre aktuelle Ausgabe wird noch eine weitere Woche im Lichtblick zu sehen sein.
Informationen und Videos: akkraak.squat.net. Weitere Vorführungen: Freitag + Sonntag 21 Uhr, Montag-Mittwoch 21.10 Uhr Preis: 2,50 Euro, Lichtblick, Kastanienallee 77, Prenzlauer Berg
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