piwik no script img

■ GegendarstellungenKommentar ist nicht frei

Freiburg (taz) — „Die Nachricht ist heilig, der Kommentar ist frei“, dieses Prinzip sieht die Badische Zeitung (BZ) durch ein Urteil des Freiburger Landgerichts verletzt. Das Blatt wurde nämlich gezwungen, auf ihrem Titel zwei Gegendarstellungen abzudrucken. Eine davon, und das ist der Kern des Streits, wendet sich allerdings nicht gegen einen Bericht, sondern gegen einen Kommentar.

Was war passiert? Anfang Juli hatte die BZ über einen Konflikt in der südbadischen Kleinstadt Müllheim berichtet. Ein türkischer Fußballverein hatte Probleme, ein Spielfeld zu finden. Die BZ kommentierte: „Bürgermeister Hanspeter Sänger tut nichts, um den türkischen Bürgern zu einem Spielort zu verhelfen.“ Der Bürgermeister fand die ganze Berichterstattung ungerecht und verlangte eine Gegendarstellung, auch gegen den Kommentar. Ende Juli hieß es dann in der BZ: „Diese Behauptung ist falsch. In Wahrheit bemühe ich mich intensiv, diesen Bürgern einen Spielort in Müllheim zu vermitteln.“ Per einstweiliger Verfügung hatte Bürgermeister Sänger die Gegendarstellung durchgesetzt.

Inzwischen hat das Landgericht diese Entscheidung bestätigt (Az: 10333/98). Eine Tatsachenbehauptung sei auch dann gegendarstellungsfähig, wenn sie in einem Kommentar stehe. „Sonst könnte man ja in Kommentaren alles äußern“, so der Vorsitzende Richter Willi Maier. Dagegen sieht BZ- Chefredakteur Jürgen Busche durch diese Entscheidung die Meinungsfreiheit bedroht. „Nach Auffassung der Richter wäre wohl auch der kommentierende Satz: ,Diese Bundesregierung tut nichts gegen die Arbeitslosigkeit‘ gegendarstellungsfähig.“ Busche hält eine solche Auffassung für „groben Unfug“ und kündigte Berufung an. Ob die BZ damit Erfolg hat, ist offen. Einerseits gilt als Tatsache „alles, was dem Beweis zugänglich ist“, und das darf man gegendarstellen, wenn man es für falsch hält – egal ob Kommentar oder nicht. Andererseits kommt es der Rechtsprechung aber auch auf den Kontext an — ob die Leser in einer bestimmten Formulierung eine Aussage mit Nachrichtenwert oder eine subjektive Wertung sehen. Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen