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Gegen sehr viel Herz

Die Wolfsburgerinnen gewinnen zum sechsten Mal in Folge den DFB-Pokal.Gegen die SGS Essen treffen sie jedoch auf völlig ungewohnten Widerstand

Auch noch mit dem Glück im Bunde: die Spielerinnen vom VfL Wolfsburg sind erst im Elfmeterschießen erfolgreich Foto: dpa

Aus Köln Andreas Morbach

Im Stadioninneren sollte Stephan Lerch gerade etwas über die nächste Titelchance seiner Mannschaft sagen, da legten die frisch gekürten Pokalsiegerinnen aus Wolfsburg draußen auf dem Rasen beim Feiern so richtig los. Als hätten sie gespürt, dass ihr Coach nebenan noch eher lustlos über das Finalturnier in der Champions League Ende August im Baskenland sprach, lebten sie das Hier und Jetzt entschlossen aus. Etwa 15 VfL-Spielerinnen hüpften tanzend über den Platz, grölten begeistert den Party-Song „Johnny Däpp“ und stießen mit ihren Bierflaschen auf den 4:2-Erfolg im Elfmeterschießen – gegen starke Essener Herausforderinnen – an.

Es war ein ausgesprochen umkämpftes, niveauvolles, phasenweise dramatisches Finale, in dem es nach der regulären Spielzeit und nach der Verlängerung jeweils 3:3 stand. Den Dauersiegerinnen vom Mittellandkanal, die inzwischen beim vierten Double in Folge und beim sechsten – Rekord – Pokalsieg in Serie angelangt sind, servierte der Nachmittag in Köln dabei völlig ungewohnte Erfahrungen. Zum Beispiel das Gefühl, auch mal ins Hintertreffen geraten zu können.

Die furiosen Fußballerinnen von der SGS Essen, die die Liga-Partien gegen den VfL jeweils deutlich verloren hatten (1:5, 0:3), vollbrachten dieses Kunststück gleich zwei Mal: Nach gerade einmal elf Sekunden durch Nationalspielerin Lea Schüller – und nach 18 Minuten durch Innenverteidigerin Marina Hegering, die wie Schüller im Sommer zu Wolfsburgs schärfstem Liga-Konkurrenten Bayern München wechselt. „Das haben wir ja nicht so oft, dass wir einem Rückstand hinterherlaufen müssen. Da muss man cool bleiben“, sagte der 35-jährige Lerch, nachdem Topstar Pernille Harder zügig und Anna Blässe Mitte der zweiten Halbzeit egalisiert hatten.

Vier Minuten vor Schluss schien durch das Kopfballtor der Niederländerin Dominique Bloodworth der Favorit sogar um eine Verlängerung gegen den krassen Außenseiter herumzukommen. Doch der eingewechselten Irini Ioannidou gelang für Essen mit einem direkt verwandelten Freistoß in der Nachspielzeit nochmals die Wende. Sehr zum Verdruss von Torfrau Friederike Abt, die später zur eigenen Erleichterung noch zwei Strafstöße parierte.

„Ich ärgere mich sehr über das 3:3. Umso schöner ist es, dass ich dem Team mit zwei gehaltenen Elfmetern helfen konnte“, erklärte die 25-Jährige. Während Essens Kapitänin Hegering etwas spitz kommentierte: „Wir haben sehr viel Herz gezeigt. Am Ende ist nicht unbedingt der verdiente Sieger auf dem Podest.“ Ein Satz der künftigen Bayern-Spielerin, der den Ehrgeiz der Wolfsburgerinnen mutmaßlich weiter anheizen wird.

„Wir hätten es gerne ein bisschen anders gelöst“, bekannte denn auch Trainer Lerch angesichts der ungewohnten Probleme, die die SGS seiner Elf bereitete. Und befragt nach der Leistung der Essener Mittelfeldspielerin Lena Oberdorf, einem der größten Talente im Land, sagte er: „Das sind natürlich auch Spiele, die sie, die uns weiterbringen. Weil wir sehen, wo wir uns noch verbessern können.“

Gebrochenes Steißbein

Zum Leidwesen der seit Jahren distanzierten Konkurrenz hat der VfL für die nächste Saison wieder mal beim Personal nachgelegt: Die 18-jährige Oberdorf, jüngste deutsche WM-Spielerin der Geschichte, wechselt aus Essen nach Wolfsburg.

Und vom FC Bayern kommt Nationalverteidigerin Kathrin Hendrich (28).

Vielleicht einmal in einem Land leben möchte Nicole Anyomi, allerdings erst nach ihrer Fußballkarriere. Anders als Oberdorf und Hegering zieht es die Tochter einer Ghanaerin und eines Togolesen aktuell nicht weg aus dem Ruhrgebiet. Die gebürtige Krefelderin hat ihren Vertrag bei der SGS im Januar bis 2022 verlängert, im nationalen Cup-Finale brach sie sich bei einem unglücklichen Zweikampf mit Nationalspielerin Alexandra Popp nun das Steißbein.

Kurz vor Ende der ersten Halbzeit musste Anyomi deshalb vom Platz getragen werden. Am Sonntagmorgen informierte die 20-Jährige dann via Instagram ihre Fans: „Mir geht es so weit gut. Gott schickt seine stärksten Krieger in die schwersten Schlachten.“

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