Gefühlsausbrüche bei Kindern: Schreien, lachen, weinen

In der Öffentlichkeit benehmen sich Kinder oft so, wie Eltern es gerade nicht gern hätten. Gut so. Kinder sollten ihre Gefühle zeigen dürfen.

Ein schreiendes Kind

Kinder sollten ihre Gefühle ausdrücken dürfen auch durch unbegründbar lautes Gebrüll Foto: imago/imagebroker

Dass ich es rechtzeitig zu meinem Ergotherapietermin geschafft habe, grenzt an ein Wunder. Also eigentlich war es kein Wunder, sondern ein Vater. Mitten auf einer Wiese zwischen Kita und unserem Zuhause gab ich auf. Ich setzte die Kinder neben die Seniorenturngeräte in den Schotter und kippte erschöpft den Beutel mit dem Sandspielzeug aus. „Okay, hier, dann spielt.“ – „Ich hab Hunger“, antwortete der Vierjährige, der davor schon 20 Minuten lang lustlos einen 5-Minuten-Weg hinter mir hergeschlurft war und bereits ein Brötchen, zwei Haferriegel und ein Quetschi verdrückt hatte, während ich unter Gebrüll den Einjährigen unter den Arm klemmen musste, um ihn in die richtige Richtung zu tragen.

Der Einjährige kann jetzt gehen. Bisher nur an der Hand, aber das hindert ihn nicht daran, unter Gebrüll und Ziehen einen Weg einzufordern, der für unser eigentliches Ziel meistens überhaupt keinen Sinn ergibt. Vor einigen Tagen hat er komplett die Fassung verloren, weil ich mit ihm nicht in eine Schule gehen wollte, an der wir vorbeikamen.

Ich hatte diese Phase vergessen. Vielleicht verdrängt. Oder vielleicht habe ich es nicht mehr so in Erinnerung, weil man mit einem Kind noch eher gewillt ist, sich dessen Tempo anzupassen. Aber mit zwei Kindern ist da immer noch jemand, der warten muss. Auf dem Weg zur Kita haben wir eine Stunde gebraucht, wo ich sonst in 15 Minuten bin. Dann noch 20 Minuten buddeln in der Kita, weil der Einjährige bleiben wollte. Sein Bruder nicht.

Ich konnte mir auf dieser Wiese ausrechnen, dass der Termin in 45 Minuten so nicht zu schaffen ist. Also rief ich den Mann an und flehte ihn an, er möge sie holen. Er unterbrach die Lohnarbeit – ein Glück, dass er das kann – und machte sich auf den Weg. Ich kramte noch einen Apfel raus und setzte mich auf den großen Stein, auf den der Vierjährige geklettert war. Der Einjährige rieb seine Hose hocherfreut mit Staub und Schotter ein. Keine Spur mehr von dem Gebrüll, das bis eben noch Passanten dazu veranlasste, mich zu mustern. Mit einem Blick, der sagt, was kein Elternteil je hören wollte: „Ja, was hat er denn?“

Anstrengend sein dürfen

Kinder brüllen. Oft ohne ersichtlichen oder rationalen Grund. Das Erste, das ich als Mutter gelernt habe, ist, dass einem das nicht unangenehm sein sollte. Weil man sich sonst ständig schlecht fühlt. Weil Kinder ihre Gefühle ausdrücken. Sie verhalten sich oft nicht so, wie man es gerne hätte. Und das liegt nicht an „schlechten Eltern“, meistens im Gegenteil. Ein Kind sollte zeigen dürfen, was es will und fühlt. Auch wenn das anstrengend ist.

45 Minuten später saß ich bei der Ergotherapeutin. Sie hat drei Kinder und wusste sofort, wovon ich sprach. Irgendwann kamen wir auf Prinz Louis. Wir hatten beide die Bilder gesehen, wie Herzogin Kate versucht, beim Thronjubiläum der Queen den Vierjährigen zu bändigen. Es hatte etwas Trostvolles, dass selbst die königliche Familie mit all den Nannys keine Chance hat, gegen das Gemüt eines Kleinkindes anzukommen.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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