Geflüchtete in Tunesien: Polizei räumt Camps in Tunis

Sicherheitskräfte sind gegen Geflüchteten-Lager in Tunis vorgegangen. Mehrere hundert Personen wurden in anderen Landesteilen ausgesetzt.

ein Räumfahrzeug

Räumung eines Lagers vor der Internationalen Organisation für Migration in Tunis am Freitag Foto: Fethi Belaid/afp

Tunis taz | Tunesische Sicherheitskräfte haben zwei von Mi­gran­t:in­nen und Flüchtlingen bewohnte Zeltlager in der Hauptstadt Tunis gewaltsam geräumt. Dutzende Be­woh­ne­r:in­nen konnten vor den anrückenden Polizisten in andere Stadtteile fliehen, doch mehrere hundert Personen wurden mit Bussen in die Stadt Jendouba nahe der algerischen Grenze gefahren und dort in Feldern ausgesetzt.

Der taz berichteten einige Betroffene von Bekannten, die an der Grenze ausgesetzt wurden, darunter auch Frauen und Kinder. Bulldozer beseitigten am Freitag und Samstag die letzten Spuren der seit mehreren Jahren bestehenden informellen Lager.

Seit Wochen schon werden Migrant:innen, die rund um die Hafenstadt Sfax verhaftet worden sind, nahe der Stadt Kasserine oder an der Grenze zu Libyen ausgesetzt. Dort werden sie aufgefordert, die Grenze zu überqueren, oftmals ohne Wasser oder feste Nahrung.

In den Lagern in Tunis hatten in den letzten Monaten viele Frauen und Kinder Zuflucht gefunden. Die aus Holzbrettern und Plastikplanen gebauten Zelte befanden sich direkt neben dem Landesbüro der Organisation für Migration (IOM). In dem Geschäftsviertel Berge du Lac befinden sich auch Botschaften europäischer Staaten sowie das Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Flüchtlinge, die rund um das UNHCR-Büro Schutz gesucht hatten, waren bereits im vergangenen Frühjahr vertrieben worden.

Weder das UNHCR noch die IOM haben gegen die Räumungen protestiert. Internationalen Diplomaten und der tunesischen Zivilgesellschaft ist es verboten, den unter untragbaren hygienischen Bedingungen lebenden Geflüchteten zu helfen. Wer nahe den Camps mit Medikamenten oder sonstiger Hilfe aufgegriffen wurde, wurde weggeschickt und mit einem Strafverfahren bedroht.

Spannungen zwischen Einheimischen und Mi­gran­t:in­nen

Wie in Sfax, wo Zehntausende Mi­gran­t:in­nen und Flüchtlinge auf Olivenfeldern hausen, überleben auch in Tunis die meisten Betroffenen durch kleine Geldspenden der Bevölkerung. Seit letztem Jahr ist es Tu­ne­sie­r:in­nen auch verboten, die größtenteils ohne legalen Status im Land lebenden Menschen wie zuvor als Tagelöhner anzustellen oder Wohnungen an sie zu vermieten.

In den letzten Wochen war es zwischen Tu­ne­sie­r:in­nen und den Geflüchteten in Tunis und Sfax immer wieder zu Spannungen gekommen. Tunesiens Nationalgarde geht rigoros gegen provisorische Zeltstädte vor. Gleichzeitig wird die Abfahrt von Booten mit Mi­gran­t:in­nen nach Italien unterbunden. Seit Januar wurden mehr als 3.000 Menschen gerettet, die in seeuntauglichen Metallbooten in Richtung der italienischen Insel Lampedusa unterwegs waren. Unterdessen kommen aus dem Bürgerkriegsland Sudan täglich mehrere hundert Flüchtlinge in Sfax oder Tunis an.

„Weil wir in Tunesien nicht arbeiten dürfen und unsere Verwandten kein Geld haben, um uns zu unterstützen, müssen wir betteln“, sagt Abubakr Chamis aus dem Sudan der taz in Berge du Lac. Der 24-Jährige konnte am Freitag vor den anrückenden Polizisten fliehen und ist bei Freunden im Stadtteil Ariana untergekommen. „Zuvor lebte ich sechs Monate im Freien nahe Sfax, in ständiger Angst, in die Wüste abgeschoben zu werden. Denn auch die Bestätigung des UNHCR, Flüchtling aus einem Bürgerkriegsland zu sein, schützt nicht. Ich bin nach Tunis gekommen, um nicht in die Wüste abgeschoben zu werden.“

Bisher scheint es im Präsidentenpalast und bei der tunesischen Regierung keine einheitliche Strategie zu geben. Während in Ariana, einem der größten Stadtteile von Tunis, immer mehr Mi­gran­t:in­nen informell Arbeit und eine Wohnung finden, werden die Zeltstädte in den Olivenhainen bei Sfax geräumt. Be­woh­ne­r:in­nen des Fischerdorfs al-Amra protestierten am Samstag gegen die Anwesenheit der „Afrikaner“. Erstmals besuchte am Samstag eine Parlamentsdelegation die Olivenhaine bei Sfax, in denen nach Schätzung lokaler Hilfsorganisationen bis zu 70.000 Menschen ausharren.

„Alle in Tunesien wissen, dass es so nicht weitergehen kann“, sagt Abubakr Chamis und blickt aus sicherem Abstand auf eines der geräumten Zeltlager in Tunis. „Es wäre allen geholfen, wenn wir hier legal leben und arbeiten könnten.“

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