Geflüchtete in Hamburg: Nur Ukrai­ne­r:in­nen erwünscht

Hamburg will in den Geflüchtetenunterkünften Platz für Ukrai­ne­r:in­nen schaffen. Aus einer Unterkunft müssen dafür andere Schutzsuchende ausziehen.

Peter Tschentscher besucht eine Geflüchtetenunterkunft

Um Ukrai­ne­r:in­nen zu helfen, müssen andere Geflüchtete weichen Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | In einer Geflüchtetenunterkunft im Norden Hamburgs dürfen in Zukunft nur noch ukrainische Geflüchtete wohnen – alle anderen müssen ausziehen. Das geht aus einem Offenen Brief des „Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen“ (BHFI) hervor, mit dem es sich vergangene Woche an die Hamburgische Bürgerschaft gewandt hatte.

Es beruft sich auf die Neuverhandlungen der sogenannten „Bürgerverträge“ zwischen der Stadt und der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“. In dieser ist die ausschließliche Unterbringung von Ukrai­ne­r:in­nen ab Mitte des Jahres in der Unterkunft Große Horst vertraglich festgehalten – zulasten von BIPoC-Geflüchteten (Black, Indigenous, People of Color).

Die „Bürgerverträge“ wurden 2016 zwischen der Stadt und der Volksinitiative beschlossen. Damals setzte die Initiative einen Verteilungsschlüssel für die Unterbringung von Geflüchteten in den Stadtteilen durch und forderte langfristig einen Abbau der Unterkünfte. Von Seiten der Stadt hieß es zu der Zeit, dass es „keinen Umzugsmarathon“ geben würde.

Doch nun sind die Verträge anlässlich der hohen Anzahl an Geflüchteten aus der Ukraine zunächst für ein Jahr ausgesetzt. Damit kann die Stadt neue Unterkünfte für Schutzsuchende bauen und vorhandene erweitern. Insgesamt will die Stadt 1.300 neue Plätze realisieren, wie sie Anfang April bekannt gab.

Andere Schutzbedürftige anderswo unterbringen

Durch die Anpassung bleibt auch die Unterkunft Große Horst in Klein Borstel vorerst von den Abbauplanungen verschont. Für Mitte Februar war ursprünglich die Schließung angesetzt, damit ab Juni neue Wohnanlagen auf dem Gelände gebaut werden können. Bereits Mitte letzten Jahres war nach Angaben der Stadt abzusehen, dass sich der Baubeginn verzögern würde.

Seitdem stand sie mit der Volksinitiative über eine Verlängerung des Standorts im Dialog, damit genügend Zeit bleibt, die Schutzsuchenden anderweitig unterzubringen. Angesichts der hohen Anzahl an ukrainischen Geflüchteten einigten sich die Stadt und die Initiative nun darauf, den Betrieb um noch ein weiteres Jahr zu verlängern.

Die BHFI wirft der Volksinitiative deshalb rassistische Handlungsmotive vor, da dort momentan vor allem BIPoC-Schutzsuchende untergebracht sind, für die es keine Verlängerung gegeben hätte. Von der Stadt fordert sie, von der diskriminierenden Vereinbarung zurückzutreten.

Bereits vor der Veröffentlichung der Forderung stand die BHFI im Austausch mit ihr: „Als die Stadt das Vorhaben bestätigte, war ihr das schlechte Gewissen anzumerken“, sagt Manfred Ossenbeck, Sprecher der BHFI. Die Stadt habe sich von der Volksinitiative erpressen lassen, die die Situation des Platzmangels in den Unterkünften für sich ausgenutzt hätten.

Vorwurf von rassistischen Handlungsmotiven

Die Stadt äußert sich zu dem Brief auf Nachfrage der taz ausweichend. Da der Standort eigentlich Mitte des Jahres geschlossen worden wäre, würden die Vermittlungen der dort lebenden Geflüchteten in Wohnraum oder andere Unterkünfte bereits laufen. Daraus ergebe sich, dass folgend Familien aus der Ukraine in der Unterkunft Große Horst aufgenommen werden.

Klaus Schomacker, Sprecher von „Hamburg für Gute Integration“, begrüßt es, Plätze für u­krainische Geflüchtete geschaffen zu haben. Er empfiehlt dem BHFI, es der Initiative gleichzumachen und ebenfalls politische Verträge mit der Stadt abzuschließen, um Interessen für Schutzsuchende durchzusetzen.

Für Ossenbeck ist klar, dass Schomacker nicht auf den Kern der Vorwürfe zu sprechen kommt. Denn im Wesentlichen ginge es darum, dass die weitere Nutzung der Unterkunft nur wegen der ukrainischen Geflüchteten verlängert wird und für andere geschlossen worden wäre. Zudem würde die BHFI nie eine vertragliche Einigung anstreben, da sie „allen Geflüchteten hilft und niemals eine Beschränkung auferlegen würde.“

Die Sozialbehörde hat bisher keine Angaben dazu gemacht, ob die Forderung der BHFI berücksichtigt wird. Zudem sticht der unterschiedliche Umgang mit Geflüchteten auch im vereinbarten „Lagebild Flüchtlinge“ hervor. Das ist die monatliche Berichterstattung über die Situation der Unterkünfte durch die Stadt gegenüber der Volksinitiative, bei der es in der Vergangenheit zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, so Schomacker. In der neuen Übereinkunft der Vertragsparteien heißt es, dass besonders die Unterbringung geflüchteter Menschen aus der Ukraine Erwähnung findet.

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