Geflohener tunesischer Ex-Präsident: Internationaler Haftbefehl gegen Ben Ali
Die tunesische Justiz hat einen internationalen Haftbefehl gegen den gestürzten Staatschef Ben Ali und seine Ehefrau verhängt. Beiden wird Diebstahl vorgeworfen.
MADRID taz | Tunesiens Übergangsregierung unter Mohammed Ghannouchi hat den ehemaligen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali und dessen Frau Leila Trabelsi international zur Fahndung ausgeschrieben. Das gab am Mittwoch Justizminister Lazhar Karoui Chebbi bekannt, der einen internationalen Haftbefehl bei Interpol erwirkt hat. Dem am 14. Januar nach Saudi-Arabien geflüchteten Paar wird "illegale Aneignung von Gütern" und "verbotene Ausfuhr von Devisen" vorgeworfen.
Der Familienclan um Ben Ali und Trabelsi hatte sich in den Jahren der Macht alle wichtigen Unternehmen des Landes angeeignet. Trabelsi soll außerdem nach Beginn des Volksaufstands 1,5 Tonnen Gold aus der tunesischen Zentralbank außer Landes geschafft haben. Mindestens 33 Mitglieder beider Familien wurden seit dem Sturz Ben Ali in Tunesien verhaftet.
Trotz der Nachricht vom Haftbefehl gegen den Exdiktator gingen Proteste gegen die Übergangsregierung weiter. In der zweitgrößten Stadt Sfax organisierte die Gewerkschaft UGTT einen Generalstreik, während in der Hauptstadt Tunis rund 1.000 Menschen den Sitz von Premierminister Ghannouchi seit drei Tagen rund um die Uhr belagern. Sie sind mit einer "Karawane für die Freiheit" aus Zentraltunesien angereist, wo Mitte Dezember die Jugendrevolte begann, die schließlich das Regime stürzte.
Die Protestierenden verlangen eine "saubere Übergangsregierung" ohne Politiker aus der alten Regierungspartei RCD. Neben Premier Ghannouchi, der bereits elf Jahre unter Ben Ali als Regierungschef gedient hatte, betrifft dies auch Schlüsselressorts wie Verteidigungs-, Innen-, Justiz- und Außenministerium. Ghannouchi hatte für gestern eine Regierungsumbildung angekündigt. Ob er dabei auch belastete Minister ersetzen wird, war bis Redaktionsschluss nicht klar.
Die Stimmung auf dem Platz der Kasbah vor dem Regierungssitz war mehr als angespannt. "Es geht das Gerücht um, das die Polizei versuchen wird, die Versammlung in den kommenden Stunden aufzulösen", erklärt eine junge Demonstrantin am Telefon. Morgens hatte die Polizei Tränengas eingesetzt, als die Demonstranten versuchten, eine Polizeisperre aus Stacheldraht zu überwinden. 20 Teilnehmer befinden sich im Hungerstreik. "Einige haben gesundheitliche Probleme", berichtet die Gesprächspartnerin am Telefon.
Am Montagnachmittag hatte Armeechef Rachid Ammar vergebens versucht, die Demonstranten zum Verlassen des Platzes zu bewegen. "Eure Forderungen sind legitim. Aber ich hätte gern, dass dieser Platz sich leert, damit die Regierung arbeitet - diese Regierung oder eine andere", erklärte er. Ammar ist äußerst beliebt. Er soll sich geweigert haben, den Befehl Ben Alis auszuführen, auf Demonstranten zu schießen.
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